Renten­anspruch Selbst für kurze Auslands­zeiten kann es Rente geben

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Die Arbeits­welt wird globaler, die Alters­sicherung auch.

Seit 15 Jahren bekommt Anneliese Wendelborn eine Rente vom Pensions­myndigheten aus Schweden. So heißt dort das Renten­versicherungs­amt. 2 388 Kronen, etwa 255 Euro, im Jahr über­weist es. „Das ist zwar nicht viel“, sagt die 80-Jährige aus Kiel. „Und schwankt je nach Wechselkurs. Aber es reicht locker, um meine Fernseh­gebühren zu begleichen.“

Rente für ein Praktikum

Renten­anspruch - Selbst für kurze Auslands­zeiten kann es Rente geben

Als junge Frau hat Anneliese Wendelborn ein Praktikum bei einem schwe­dischen Opern­sänger gemacht. Heute bekommt die Kielerin dafür eine Rente von der schwe­dischen Renten­versicherung. © Th. Raetzke

Wendelborn ist zufrieden und auch ein wenig stolz auf den Zuschuss aus dem hohen Norden. „Für ein fünf­monatiges Praktikum ist das doch nicht schlecht“, sagt sie.

Von November 1954 bis April 1955 arbeitete sie bei einem Opern­sänger; sie kümmerte sich um den Haushalt und seine vier Kinder. Das Auslands­praktikum war Teil ihrer Ausbildung zur Haus­wirt­schafts­leiterin an der damaligen Landes­fach­schule für Frauenberufe in Flens­burg.

Es kann sich also auszahlen, beim Renten­antrag an kurze Auslands­zeiten zu denken. In einigen Ländern wie den Nieder­landen müssen Versicherte für einen eigenen Anspruch noch nicht einmal gearbeitet oder Kinder erzogen haben. „Bei solchen Wohn­zeiten­systemen kann es reichen, wenn Versicherte eine Zeit lang dort ihren Wohn­sitz hatten“, sagt Thorsten Schwarz von der Deutschen Renten­versicherung Bund.

Mit zunehmender Globalisierung gibt es immer mehr Menschen in Deutsch­land, die durch berufs­bedingte Auslands­auf­enthalte oder Zuwan­derung Renten­ansprüche aus anderen Ländern mitbringen.

Wissenschaftler besonders mobil

Besonders mobil geht es im wissenschaftlichen Bereich zu. Organisationen wie der Deutsche Akademische Austausch­dienst (DAAD) halfen im Jahr 2013 rund 17 700 Wissenschaft­lern, an ausländischen Hoch­schulen zu unter­richten oder zu forschen.

Während Mitarbeiter, die von ihrem Arbeit­geber ins Ausland entsendet werden, meist in der deutschen Sozial­versicherung bleiben, sind Wissenschaftler oft direkt bei der ausländischen Forschungs­einrichtung angestellt. Sie unterliegen damit der Sozial­versicherung des Gast­landes. So wie Wissenschaftler Joachim Geske. Der 45-Jährige aus Köln ist in London gelandet. Er hatte sich auf ein zweijäh­riges Forschungs­projekt zur Energiespeicherung am renommierten Imperial College beworben.

Abgaben im Ausland nicht umsonst

Seine Sozial­abgaben zahlt Geske deshalb seit Anfang September an die britische Steuerbehörde, Her Majesty’s Revenue and Customs. Wie in Deutsch­land zieht der britische Arbeit­geber ihm gleich die Beiträge zur Sozial­versicherung vom Gehalt ab. In Groß­britannien gibt es anders als hier keine verschiedenen Töpfe für die unterschiedlichen Sozial­versicherungs­zweige. 12 Prozent zahlt Geske insgesamt für seine „National Insurance“. Sie deckt Rente, Krankheit, Invalidität und Arbeits­losig­keit ab.

Das Europarecht – genauer, die Verordnungen Nummer 883/2004 und 987/2009 – sollen dafür sorgen, dass Arbeitnehmer wie Geske später von den Beiträgen, die sie im europäischen Ausland geleistet haben, auch etwas haben. Das Europarecht koor­diniert die Renten­systeme inner­halb der EU, Island, Liechten­stein, Norwegen und der Schweiz.

Anlauf­stelle deutsche Rentenkasse

Positiv für Versicherte mit rentenrelevanten Zeiten aus dem europäischen Ausland: Es reicht, wenn sie ihren Renten­antrag beim deutschen Renten­versicherungs­träger stellen. Der leitet dann das Renten­verfahren im anderen Land ein. In Geskes Fall würde also die Deutsche Renten­versicherung seine deutschen versicherungs­pflichtigen Zeiten nach Groß­britannien melden. Das Pension Centre dort prüft dann, ob Geske zusammen mit seinen deutschen Zeiten die Voraus­setzungen für eine britische Rente erfüllt.

Auf diese Zeiten wird Geske auch angewiesen sein. Zwei Jahre Arbeit in Groß­britannien reichen nämlich nicht, um die Zugangs­voraus­setzung für eine Rente von der Insel zu erfüllen. Die Mindest­beitrags­zeit für die Grund­rente liegt dort bei zehn Jahren. Die wird er nur zusammen mit seinen Versicherungs­zeiten aus Deutsch­land erreichen können.

Auslands­zeiten anrechnen

Umge­kehrt könnten Geske später ausländische Zeiten bei seiner deutschen Rente helfen. Zwar sind die Voraus­setzungen hier für die reguläre Alters­rente vergleichs­weise gering. Fünf Jahre gesetzlicher Renten­versicherungs­zeit reichen. Anders sieht es aber aus, wenn Versicherte vorzeitig mit 63 Jahren ohne Renten­abschläge in den Ruhe­stand gehen möchten. Hier müssen sie insgesamt auf 45 Beitrags­jahre kommen.

Auch bei der Erwerbs­minderungs­rente oder der Rente für lang­jährig Versicherte sind die Anforderungen höher als bei der regulären Alters­rente.

Reine Routineübung ist die gegen­seitige Berück­sichtigung von Zeiten für die Behörden nicht. Dafür sind die Renten­versicherungs­systeme der Länder zu unterschiedlich. Versicherte müssen deshalb damit rechnen, dass ausländische Behörden Fragen haben oder Nach­weise verlangen.

Wenn später beim Renten­antrag alles möglichst glatt laufen soll, ist es wichtig, schon früh nach der Rück­kehr die ausländischen Ansprüche mit der deutschen Renten­versicherung zu klären (Unser Rat, „Kontenklärung“).

Aus jedem Land eine eigene Rente

Auch wenn Geske später beide Renten in Deutsch­land beantragen kann, eine Gesamt­rente gibt es nicht. Wie bei Wendelborn kommt die Rente aus ausländischen Zeiten von der ausländischen Renten­versicherung.

Wer in Deutsch­land, Frank­reich und Belgien sozial­versicherungs­pflichtig gearbeitet hat, bekommt später Renten aus drei Ländern. Und nicht nur das: Sie können auch zu anderen Zeiten starten. Die Alters­grenzen sind in Europa uneinheitlich. Ein 63-Jähriger, der länger in Spanien gearbeitet hat, könnte seine reguläre spanische Alters­rente bereits beziehen, auf die deutsche müsste er noch zwei Jahre und sechs Monate warten.

Wer keine Rente verschenken will, sollte die Auslands­rente recht­zeitig beantragen. Da hilft nur: Renten­voraus­setzungen studieren (Unser Rat, „Mehr Informationen“). Das gilt umso mehr für Arbeitnehmer, die in Ländern unterwegs waren, in denen Europarecht nicht gilt.

Auslands­rente beantragen

Das Arbeits­leben vieler Menschen in Deutsch­land wird immer interna­tionaler. Ob angehende Ruhe­ständler ihre Auslands­rente in Deutsch­land beantragen können, hängt davon ab, in welchem Land sie gearbeitet haben.

Sozial­versicherungs­abkommen helfen

Wie einfach oder schwer es wird, Renten­ansprüche in Ländern ohne Europarecht geltend zu machen, hängt davon ab, ob Deutsch­land mit dem Gast­land ein individuelles Sozial­versicherungs­abkommen geschlossen hat. Ist das der Fall, wie etwa für die USA, Kanada oder Japan (siehe Grafik oben), funk­tioniert die gegen­seitige Anerkennung ähnlich wie bei Ländern, in denen Europarecht gilt. Auch hier ist die deutsche Renten­versicherung Antrags­stelle.

Komplizierter kann es für Versicherte werden, die in mehreren Ländern unterwegs waren und Versicherungs­zeiten aus Europa­rechts- und Abkommens-Staaten haben. Diese lassen sich nicht immer miteinander verrechnen. Wer etwa in Deutsch­land, Groß­britannien, Irland und den USA gearbeitet hat, muss sich entscheiden, ob er seine deutschen Versicherungs­zeiten mit britischen und irischen nach dem Europarecht zusammen­rechnen lässt oder seine deutschen Zeiten nach dem deutsch-amerikanischen Abkommen mit den Zeiten aus den USA kombiniert. Mischen geht nur bei den Ländern Brasilien und Uruguay und gemäß den neu unterzeichneten Abkommen mit Albanien, den Philippinen und – einge­schränkt – Indien.

Ohne Abkommen wird es schwierig

Schlecht ist es um Renten aus dem sogenannten vertrags­losen Ausland bestellt. Gibt es kein zwischen­staatliches Abkommen, können die Mitarbeiter der deutschen Renten­versicherung nicht helfen. Angehende Ruhe­ständler müssen sich direkt an die ausländische Verwaltung wenden.

„Wenn es kein Sozial­versicherungs­abkommen mit dem anderen Staat gibt, können auch rentenrecht­liche Zeiten gegen­seitig nicht anerkannt werden“, sagt Schwarz. Bei kürzeren Aufenthalten ist es dann schwierig, über­haupt die Mindest­versicherungs­zeit für einen Renten­anspruch zu erfüllen. Und selbst das wäre keine Garantie, dass Geld fließt.

Neuseeland will kein Abkommen

Keine Abkommen gibt es etwa mit Russ­land, Argentinien, Südafrika oder Neuseeland. Die Gründe sind unterschiedlich. Bei Russ­land sei es trotz intensiven Bemühens bisher nicht möglich, das Abkommen bis zu Ende zu verhandeln, heißt es auf Anfrage von Finanztest beim Bundes­ministerium für Arbeit und Soziales.

In Südafrika stünden Probleme bei der Koor­dinierungs­fähig­keit der beiden Renten­versicherungs­systeme im Weg und Argentinien erlaube es nicht, argenti­nische Renten nach Deutsch­land zu zahlen. Auch Neuseeland lehne ein Abkommen ab.

Mit Geskes britischer Rente sieht es da vergleichs­weise rosig aus. Laut staatlicher Renten­informationen des König­reichs bekommt er nach derzeitigem Stand für seine zwei Jahre am Imperial College später rund 24 britische Pfund (rund 34 Euro) Rente – und zwar pro Woche.

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