Früher in Rente

Interview: Arbeits­vertrag endet nicht auto­matisch mit Frührente

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Früher in Rente - Rente mit 63 – jetzt unbe­grenzt dazu­verdienen

Frank Bayreuther. Der Professor für Arbeits­recht lehrt an der Universität Passau und war Richter am Arbeits­gericht. © Thorsten Jochim

Frührentner haben ein Recht auf Weiterbeschäftigung in ihrer bisherigen Firma, sagt Arbeits­rechtler Frank Bayreuther.

Früher in Rente Rente mit 63 – jetzt unbe­grenzt dazu­verdienen

Endet ein Arbeits­verhältnis im Alter auto­matisch?

Im Arbeits­recht gibt es nur drei Gründe für das Ende eines Arbeits­verhält­nisses: Kündigung, Aufhebungs­vertrag oder Tod des Arbeitnehmers. Ansonsten besteht das Arbeits­verhältnis unbe­grenzt weiter – wenn es unbe­fristet ist.

Ist also der Renten­beginn kein Grund für ein Ende?

Im Arbeits­vertrag kann stehen, dass das Arbeits­verhältnis mit Renten­beginn endet. Die Frage ist dann: Ist das zulässig oder ist das Alters­diskriminierung?

Wie lautet die Antwort?

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Das Recht der Europäischen Union und das Allgemeine Gleichbe­hand­lungs­gesetz sind hier entscheidend: Ein Arbeits­vertrag kann vorsehen, dass ein Arbeits­verhältnis spätestens endet, wenn man eine Regel­alters­rente bean­spruchen kann. Er endet aber nicht mit einer vorgezogenen Alters­rente für lang­jährig oder besonders lang­jährig Versicherte. Eine so fixierte Beendigung ist unzu­lässig, weil es sich um Alters­diskriminierung handelt. Auch der Beginn einer Alters­rente für Schwerbehinderte beendet nicht das Arbeits­verhältnis. Anderenfalls wäre dies ebenfalls eine unzu­lässige Diskriminierung, wegen einer Behin­derung.

Viele Arbeits­verträge regeln nichts zum Beschäftigungs­ende im Alter – auch nicht zum Beginn der Regel­alters­rente. Was dann?

Das steht dann meistens im Tarif­vertrag. Wenn nicht, muss der Arbeit­geber einen Aufhebungs­vertrag anbieten. Sprich: Er muss Arbeitnehmern das Ende zu Beginn ihrer Regel­alters­rente mit Geld schmack­haft machen oder er kündigt personenbe­dingt. Das darf er aber nicht mit der Begründung, dass Beschäftigte nun im Renten­alter sind. Doch bei Regel­alters­rentnern ist das Arbeitsende eigentlich kaum ein Streit­punkt, weil die Allermeisten in diesem Alter froh sind, in den Ruhe­stand gehen zu können.

Ist es unzu­lässig wenn ein Tarif­vertrag regelt, dass das Arbeits­verhältnis endet, wenn eine vorgezogene Alters­rente für lang­jährig Versicherte oder für Schwerbehinderte bezogen wird?

Das Zauber­wort heißt „Regel­alters­rente“. Wenn im Vertrag steht, dass das Arbeits­verhältnis endet, sobald der Beschäftigte eine Alters­rente bezieht, egal welche, wäre das eine Diskriminierung. Das darf nicht sein.

Im Tarif­vertrag für den öffent­lichen Dienst steht, dass Beschäftigte, die neben ihrem Gehalt eine vorgezogene Alters­rente für Schwerbehinderte oder für lang­jährig Versicherte beziehen, vom Amts- oder Betriebs­arzt begut­achtet werden und ihr Arbeits­verhältnis in dem Monat endet, in dem ihnen das Gutachten bekannt gegeben wird. Ist das auch Diskriminierung?

Dazu gibt es noch keine Entscheidung der Arbeits­gerichte. Ich halte diese Regelung für unzu­lässig. Sie ist veraltet und sollte mit Blick auf die europäische Recht­sprechung über­arbeitet werden.

Bewerben sich Vorruheständler um einen Job, gibt es bei Arbeit­gebern oft Vorbehalte – etwa wegen der Belast­barkeit. Dabei ist das Risiko für Firmen bei der Neueinstellung Älterer begrenzt, oder?

Ja, das ist aus zwei Gründen unpro­blematisch: Arbeit­geber können Bewerber ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zwei Jahre befristet neu einstellen. Und Unternehmen können das Ende des Arbeits­verhält­nisses auf die Regel­alters­grenze fest­legen. So kann die Firma auch noch einen 65-Jährigen einstellen.

Haben Beschäftigte, die Gehalt und vorgezogene Alters­rente beziehen, vollen Kündigungs­schutz?

Sie sind weder leichter noch schwerer künd­bar als alle anderen Beschäftigten. Eine vorgezogene Alters­rente hat keinen Einfluss auf den Kündigungs­schutz.

Kann das Arbeits­verhältnis auch über die Regel­alters­grenze hinaus verlängert werden?

Das ist möglich. Arbeit­geber und Arbeitnehmer können dies schriftlich vereinbaren– recht­zeitig, bevor die Regel­alters­grenze greift. Das ist wichtig, denn wenn ein Arbeit­geber Beschäftigte ohne eine solche schriftliche Vereinbarung einfach weiter­arbeiten lässt, läuft der Arbeits­vertrag unbe­fristet weiter. Das Arbeits­verhältnis endet dann nur nach einer Kündigung, mit einem Aufhebungs­vertrag oder dem Tod des Arbeitnehmers.

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Profilbild Stiftung_Warentest am 26.07.2023 um 11:19 Uhr
Lücke im Arbeitsleben

@geho72: Wenn Sie die 35 Beitragsjahre zusammen bekommen, können Sie das so machen. Rentenzahlungen beginnen erst nach Antragstellung. Dies sollte rechtzeitig in die Wege geleitet werden, idealerweise ein halbes Jahr vor Renteneintritt. Die Rente bezieht sich dann auf die in 35 Jahren erworbenen Rentenpunkte.

geho72 am 25.07.2023 um 21:14 Uhr
Lücke im Arbeitsleben

Hallo, ich hab mal eine Frage die ich so als Thema noch nirgendwo gesehen habe; Wenn jemand mit 55 Jahren die sogenannte finanzielle Freiheit erreicht hat, wodurch auch immer, sagen wir mal er oder sie hat sein "Milliönchen" zusammen, sowas solls ja geben, hat aber mehr als 35 Jahren gearbeitet und hört nun auf zu arbeiten, bekommt er dann mit 67 eine Rente, abhängig von seinen erreichten Rentenpunkten? Für eine Antwort vielen Dank!

Profilbild Stiftung_Warentest am 25.07.2023 um 12:28 Uhr
Unbegrenzt dazu verdienen. Ich nutze es.

@carus58: Lesen Sie dazu die Informationen der Deutschen Rentenversicherung:
www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Flexirente/flexirente_artikel_zukunft_jetzt_02_2022.html

carus58 am 21.07.2023 um 11:46 Uhr
Unbegrenzt dazu verdienen. Ich nutze es.

Hallo,
ich bin BJ 58. Arbeite seit dem 14 Lebensjahr. Seit Januar diesen Jahres in Rente für langjährig Versicherte. Ich nutze nun ein Angebot wo ich Urlaubsvertretung ( drei Wochen am Stk ) 8Std täglich und danach 10 Std die Woche auf eine Baumaschine kletter. Steuern und Kranken usw ist mir klaar das die abgezogen werden. Habe ich es richtig vertanden das man von den Rentenbeiträgen befreit werden kann ?.
Gruß F.Berg

khak am 13.07.2023 um 13:45 Uhr
Rechner als Ergänzung zu den Modellfälle

Es wäre schön, wenn Sie einen Rechner zur Verfügung stellen könnten, in den man eigene Daten eingeben kann, um zumindest abschätzen zu können ob sich eine exakte Berechnung lohnt.