
Platz 10. Beliebtes Ziel deutscher Rentner: 2 370 leben in Griechenland. © Westend61 / Gemma Ferrando
Viele Senioren zieht es in den Süden. Wer nur überwintert, hat steuerlich keine Probleme. Auswanderer müssen aufpassen.
Hildegard Peters ist 70 Jahre alt und lebt seit dem Tod ihres Mannes 2014 bei ihrem Sohn und den beiden Enkelkindern in Klagenfurt in Österreich. Unsere fiktive Rentnerin bezieht eine Witwenrente in Höhe von 1 267 Euro monatlich. Weitere Einkünfte oder Vermögen hat sie nicht. Im Jahr 2018 erhält sie plötzlich Post vom Finanzamt Neubrandenburg. Darin fordert die Behörde eine Steuernachzahlung von insgesamt 7 294 Euro für die Jahre 2014 bis 2017.
Peters ist ein typisches Beispiel einer Auslandsrentnerin mit einer deutschen gesetzlichen Rente oder Pension, die von der Steuerpflicht in der alten Heimat eingeholt wird. Rund 240 000 deutsche Senioren haben im Jahr 2018 ihre gesetzliche Rente im Ausland bezogen, etwa 4 000 mehr als noch im Jahr zuvor. Die Rentenversicherung überweist auch ins Ausland – derzeit in mehr als 150 Länder. Doch egal welches Traumziel Ruheständler ansteuern: Sie müssen grundsätzlich auf ihre Alterseinkünfte in Deutschland Steuern zahlen. Selbst, wenn diese irgendwo anders in der Welt ausgezahlt werden.
Wo und wie viel Steuern am Ende fällig werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Etwa, ob der Wohnsitz dauerhaft ins Ausland verlegt wird, es sich um eine gesetzliche Rente oder eine Pension handelt oder es mit der neuen Heimat ein Steuerabkommen gibt. Solche Doppelbesteuerungsabkommen, kurz DBA, gibt es mit etwa 100 Ländern. Diese regeln, ob Deutschland oder der neue Wohnsitzstaat die deutsche Rente besteuern darf. Wenn deutsche Finanzbehörden trotz Wohnsitz im Ausland weiter zugreifen dürfen, (Steuerregeln für 10 Länder) können Senioren wählen, ob sie beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig sein wollen. Das kann große Auswirkungen auf die Steuerhöhe haben.
Frühere Beamte mit Wohnsitz im Ausland haben dieses Wahlrecht auch. Für sie gilt: Ihre Pensionszahlungen aus einer ehemaligen Beschäftigung im öffentlichen Dienst bleiben auch nach einem Wegzug ins Ausland im Regelfall in Deutschland steuerpflichtig.
Unser Rat
Ein Amt für alle. Haben Sie Fragen zur Besteuerung Ihrer Rente im Ausland? Antworten gibt das Finanzamt Neubrandenburg. Es ist für Rentner im Ausland zuständig. Die Webseite enthält Informationen und Formulare (finanzamt-rente-im-ausland.de).
Antrag stellen. Sie leben dauerhaft im Ausland, beziehen aber 90 Prozent Ihrer Einkünfte aus Deutschland? Beantragen Sie die unbeschränkte Steuerpflicht, damit Sie keine Steuervorteile verlieren.
Nicht doppelt zahlen. Damit Sie nicht in Ihrer neuen und in Ihrer alten Heimat Steuern zahlen müssen, gibt es mit vielen Ländern Abkommen. Sie regeln, wo Ihre Rente besteuert wird. Alle Doppelbesteuerungsabkommen finden Sie online (bundesfinanzministerium.de).
Beamte. Trotz Umzug ins Ausland bleiben Pensionen in der Regel in Deutschland steuerpflichtig, sie gelten mit Auszahlung als versteuert. Ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht ist sinnvoll, wenn Sie Kosten steuerlich absetzen können.
Überwintern oder Auswandern?
Einfach ist es für Senioren, die nur vorübergehend dem grauen Winterwetter entfliehen wollen und weniger als sechs Monate (183 Tage) pro Jahr im Ausland verbringen. Für sie bleibt steuerlich alles beim Alten. Dabei kommt es nicht auf das Zielland an. Egal, ob sie auf Teneriffa oder in Thailand überwintern, sofern sie steuerpflichtig sind, geben sie – wie zuvor – jährlich eine Steuererklärung bei ihrem Finanzamt ab. Anders sieht es aus, wenn Senioren ihren Wohnsitz für immer ins Ausland verlegen. Wenn sie sich nicht kümmern, können Nachforderungen drohen, wie das Beispiel von Hildegard Peters zeigt.
Finanzamt vergisst niemanden
Kommen Rentner in Deutschland ihrer Steuerpflicht nicht nach, werden sie von ihrem Finanzamt zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert. Für alle im Ausland ansässigen Empfänger einer deutschen Rente übernimmt das Finanzamt Neubrandenburg diese Aufgabe, wenn die Rentner ausschließlich Altersbezüge erhalten.
Die Behörde weiß von den Renten, weil seit dem Jahr 2005 alle Rentenversicherungsträger, Versorgungswerke und Lebensversicherer Rentenzahlungen lückenlos an die Finanzämter melden müssen – jeweils bis Ende Februar des Folgejahres. Sind die Auswanderer steuerpflichtig, werden sie in der Regel erst einmal angeschrieben, aufgeklärt und dabei auch aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben. Selbst Weltenbummler ohne festen Wohnsitz entgehen der Behörde nicht, weil Renten ins Ausland nur gezahlt werden, wenn die Bezieher einmal im Jahr eine Lebensbescheinigung und damit eine Anschrift an die Rentenversicherung schicken.
Nachforschungen des Finanzamts Neubrandenburg im Melderegister brachten die Beamten auch auf die neue Anschrift von Hildegard Peters in Österreich. Eine Aufforderung, eine Steuererklärung abzugeben, hat unsere fiktive Rentnerin nicht erhalten. Manchmal verzichtet das Amt darauf und setzt die Steuern anhand der Mitteilungen des Rentenversicherungsträgers fest – das ist das sogenannte Amtsveranlagungsverfahren. Viele Rentenbezieher im Ausland entscheiden sich freiwillig für dieses Amtsveranlagungsverfahren. Sie müssen dann keine Steuererklärung einreichen.
Begleichen die Senioren ihre Steuerschuld nicht, kann das Finanzamt Neubrandenburg Vollstreckungsmaßnahmen einleiten – in einigen Ländern sogar in das ausländische Vermögen im Wohnsitzstaat. Darüber hinaus kann das Amt anordnen, dass von der monatlichen Rente beim Rententräger anteilig Steuern einbehalten werden. Diese rechnet es später wie eine Vorauszahlung an.
Vorsicht: Steuernachforderungen
Viele im Ausland lebende Rentner glauben, dass ihnen weiterhin gängige Steuervorteile wie der Grundfreibetrag zustehen. Diese sind aber an den Wohnsitz gebunden. Ein Deutscher, der seinen Lebensabend zum Beispiel in Spanien oder den USA verbringt, kann nicht ohne Weiteres von ihnen profitieren. Steuerzahler ohne deutschen Wohnsitz – wie Peters – gelten als beschränkt steuerpflichtig. Das klingt erst mal gut, so als müsse man weniger Steuern zahlen. Beschränkt Steuerpflichtige werden tatsächlich aber höher besteuert als vergleichbare Steuerzahler mit einem inländischen Wohnsitz.
Größter Nachteil für Auslandsrentner: Der in Deutschland geltende Grundfreibetrag (2019: 9 168 Euro) gilt im Ausland nicht. Zudem dürfen sie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen wie Behandlungskosten nicht steuersenkend geltend machen. Auch der Steuerrabatt für Handwerker und haushaltsnahe Dienstleistungen ist gestrichen.
Ehepaare müssen außerdem auf den Splittingvorteil verzichten. Das ist bitter. Damit müssen Auslandsrentner auf den kompletten steuerpflichtigen Teil ihrer Rente vom ersten Euro an Steuern zahlen. Selbst Kleinstrenten lösen so Steuerforderungen aus, wie in unserem Beispiel.
Von Peters‘ Rente für das Jahr 2017 von insgesamt 15 066 Euro hat das Finanzamt Neubrandenburg nur ihren steuerfreien Anteil (Rentenfreibetrag: 4 462 Euro) und die Werbungskostenpauschale (102 Euro) abgezogen. Auf die restlichen 10 502 Euro hat das Amt Steuern berechnet. So kam es nur für 2017 zu einer Forderung von rund 2 468 Euro und für alle vier Jahre (2014 bis 2017) auf eine Nachforderung von rund 7 294 Euro.
Mit Wahlrecht Steuern senken
Die gute Nachricht: Auslandsrentner können solche Steuerforderungen meist abwehren. Dafür legen sie beim Finanzamt Neubrandenburg Einspruch gegen die Steuerbescheide ein. Und sie stellen für alle Jahre einen „Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht“. Damit werden sie im Nachhinein wie Ruheständler mit deutschem Wohnsitz behandelt.
Wählen können Rentenempfänger mit Wohnsitz im Ausland, wenn ihr Einkommen entweder zum größten Teil (90 Prozent) aus Deutschland kommt und sie daneben nur kleine Einkünfte aus dem Ausland haben. Oder wenn ihre Einkünfte aus dem Ausland, die nicht in Deutschland versteuert werden, nicht über dem für das Jahr geltenden Grundfreibetrag (2019: 9 168 Euro) liegen.
Für Hildegard Peters ist die Hürde leicht zu nehmen. Sie hat nur ihre deutsche Witwenrente und keine anderen Einkünfte. Das muss sie nachweisen. Dafür lässt sie sich von den österreichischen Steuerbehörden die Höhe ihrer übrigen Einkünfte bestätigen, auch wenn diese 0 Euro betragen. Bei der Neuberechnung ihrer Steuer wird ihr jetzt der jeweils gültige Grundfreibetrag gewährt. Ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (rund 10 Prozent) kann sie nun zusätzlich abrechnen. Damit sinkt ihre Einkommensteuer für die Jahre 2014, 2015 und 2016 auf jeweils 0 Euro, für 2017 werden wegen der Rentenerhöhung 19 Euro fällig.
Auch wenn der Grundfreibetrag auf Antrag wieder zählt, kann er je nach neuem Wohnsitzland angepasst werden. So wird er etwa für Thailand um 50 Prozent, für Vietnam sogar um 75 Prozent gekürzt (BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2016, Ländergruppeneinteilung). Anträge und Bescheinigungen über ausländische Einkünfte (EU/EWR oder außerhalb EU/EWR) gibt es zum Herunterladen in verschiedenen Sprachen (finanzamt-rente-im-ausland.de/de/formulare).
Besonderheit: Beamtenpensionen
Für Pensionszahlungen aus einer früheren Beschäftigung im öffentlichen Dienst sehen die einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen meist vor: Der Staat, der die Pension zahlt, darf diese auch besteuern. Selbst nach Wegzug der Empfänger ins Ausland bleiben Pensionäre in Deutschland steuerpflichtig. Pensionszahlungen werden vom früheren Arbeitgeber gezahlt und gelten steuerlich als Arbeitslohn. Damit gelten die Ruhestandsgehälter mit dem vom früheren Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzug als versteuert. Nur eine zusätzliche gesetzliche Rente würde das Finanzamt Neubrandenburg in die Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht einbeziehen.
Ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht kann auch hier sinnvoll sein, um Sonderausgaben wie Kirchensteuern und Versicherungsbeiträge abziehen zu können. Die Steuererklärung muss dann bei dem Finanzamt abgegeben werden, bei dem der frühere Arbeitgeber geführt wird. Ex-Beamte sollten sich umfassend beraten lassen – auch um einer doppelten Besteuerung in der neuen Heimat zu entgehen.
Steuerpflicht in neuer Heimat
Wer seine deutsche Rente etwa in Florida in den USA bezieht, wird ausschließlich dort besteuert. Das Gleiche gilt für Griechenland. Für die zehn beliebtesten Auswandereziele deutscher Rentner haben wir die aktuellen Doppelbesteuerungsabkommen zusammengefasst (Steuerregeln für 10 Länder). Um eine Zweifachzahlung zu vermeiden, gilt in der Regel: Sind bereits Steuern gezahlt worden, hält sich das andere Finanzamt heraus oder rechnet bereits gezahlte Steuern an. Die Rechtslage kann sich je nach Land immer wieder ändern. Eine Beratung ist insbesondere bei anderen Bezügen als der gesetzlichen Rente nötig.
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@52Rudolf: Als Steuerpflichtiger muss man gegenüber dem Finanzamt nachweisen, ob man der 183-Tage-Regelung unterliegt oder auch nicht. Das Finanzamt prüft die Unterlagen und entscheidet, ob man innerhalb des Berechnungszeitraumes von 12 Monaten mehr als 183 Tage in Deutschland oder im Ausland gearbeitet und gelebt hat. (PH)
Für verschiedene Aspekte - wohl vor allem Steuer, gesetzliche Krankenversicherung, Riester-Rente - spielt die Frage des Wohnorts (also noch Deutschland oder schon z.B. Türkei) eine Rolle. Der gewöhnliche Wohnort wird dabei über die 183-Tage-Regel definiert (mehr als ein halbes Jahr). Bei Wohnort im Ausland kann ggf. z.B. die Riester-Förderung zurückverlangt werden.
Frage: Wer stellt eigentlich wie die Tatsache "Mehr als 183 Tage am Stück im Ausland" fest?
@boyaci: Es tut uns leid, aber zum Thema der Besteuerung ausländischer Renten/ Pensionen in Deutschland gibt es in Finanztest noch keine Veröffentlichungen. Wir leiten Ihre Anregung aber gerne an die zuständige Fachredaktion weiter. Bitte fragen Sie für Ihren Fall direkt bei Ihrem Finanzamt oder einer Steuerberatungskanzlei nach. (PH)
Moin liebe test.de Leute!
Ich beziehe Beamtenpension aus einer früheren Beschäftigung
im öffentlichen Dienst als türkischer Bürger in der Türkei.
Ich habe inzwischen einen Deutsche-Pass und lebe in Deutschland und bekomme deutsche Rente.
Sollte meine türkische Beamtenrente in Deutschland besteuert werden?
PS:Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) (Artikel 18 Abs. 2a DBA)
Bei Pensionen, die aus der Türkei an einen in Deutschland lebenden (z.B.) ehemaligen Beamten (türkischer Staatsbürger) gezahlt werden, würde Deutschland die Einkünfte durch Steuerfreistellung nicht besteuern.
@fprappa: Wie lange es dauert und welche bürokratischen Hürden in den einzelnen Ländern zu überwinden sind, können wir Ihnen nicht sagen. Uns liegen auch keine Erfahrungsberichte von Leserinnen und Lesern zu diesem Thema vor. (PH)