Rente bei Berufs­unfähigkeit

Streit verloren

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Rente bei Berufs­unfähigkeit - Wann Versicherer wirk­lich zahlen

© S. Korte; iStockphoto

Herr Feld­bauer, Sie sind 32 Jahre alt und können seit einem Unfall nicht mehr in Ihrem Beruf als Stuckateur arbeiten. Warum zahlt Ihr Versicherer nicht die vereinbarte Jahres­rente von 4 200 Euro?

Nach meiner Ausbildung zum Stuckateur habe ich als Geselle in diesem Beruf gearbeitet. Wegen Auftrags­mangels kündigte mir die Firma und ich wurde arbeitslos. Da ich dem Staat nicht auf der Tasche liegen und kein Arbeits­losengeld beziehen wollte, habe ich erst einmal als Maschinenbediener in einer Fabrik am Fließ­band gejobbt.

In dieser Zeit hatte ich einen schweren Motorrad­unfall mit mehreren Wirbelbrüchen. Mir wurden Schrauben einge­setzt, einige Brust­wirbel sind seitdem versteift. Direkt nach der Operation sagte mir die Ärztin, dass ich nicht mehr als Stuckateur arbeiten kann. Bücken, Heben, Tragen: Typische Berufs­tätig­keiten kann ich nur noch einge­schränkt und lang­sam ausführen.

Wie reagierte der Versicherer auf Ihren Leistungs­antrag?

Ich hatte eine Police beim Versicherer R+V Lebens­versicherung AG mit einer Jahres­rente von 4 200 Euro, ein Kombipro­dukt aus Lebens­versicherung und Berufs­unfähigkeits-Zusatz­schutz. Nach dem Unfall und der ärzt­lichen Einschät­zung war für mich klar: Wenn ich in meinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, bekomme ich die Rente. Doch der Versicherer lehnte ab: Der zuletzt konkret ausgeübte Beruf sei für die Anerkennung einer Berufs­unfähigkeit entscheidend, also meine Tätig­keit in der Fabrik am Fließ­band. Und auf diesen Job wirkte sich meine körperliche Einschränkung nicht so gravierend aus (siehe „Streit­punkt: Zuletzt ausgeübter Beruf“).

Sie haben den Versicherer verklagt?

Ja, ich fühlte mich ungerecht behandelt. Wäre ich arbeitslos geblieben, hätte als zuletzt ausgeübter Beruf „ Stuckateur“ gezählt und ich hätte die Rente ohne Probleme bekommen. Das bestätigte ein Richter im Prozess. Außerdem war ich beim Arbeits­amt als Stuckateur arbeits­suchend gemeldet und habe mich um eine Anstellung bemüht.

Mithilfe des Rechts­anwalts Klaus Pontius aus Birken­feld (Rhein­land-Pfalz) habe ich Klage gegen den Versicherer erhoben.

Insgesamt zog sich der Streit rund vier Jahre hin. Zuletzt gab das Saarlän­dische Ober­landes­gericht dem Versicherer recht (Az. 5 U 236/12-28). Die Revision zum Bundes­gerichts­hof wurde nicht zugelassen.

Den Rechts­streit habe ich also verloren. Insgesamt ging es um eine Rente von rund 175 000 Euro.

Welche Tipps können Sie anderen mitgeben?

Trotz allem würde ich sagen: Eine Berufs­unfähigkeits­versicherung ist wichtig. In meinem Bekann­tenkreis sind einige durch meine Geschichte darauf aufmerk­sam geworden und haben sich um einen Vertrag gekümmert.

Streit­punkt: Zuletzt ausgeübter Beruf

Berufs­unfähig ist, wer seinen „zuletzt ausgeübten Beruf (...) auf Dauer nicht mehr ausüben kann“. So steht es im Gesetz. Manche Versicherer formulieren „wer seine zuletzt konkret ausgeübte Tätig­keit …“. Nach Auffassung von Gerichten ist Beruf ein dyna­mischer Begriff. Es kommt bei Fest­stellung einer Berufs­unfähigkeit nicht auf den Ausbildungs­beruf und nicht auf den Beruf bei Vertrags­schluss an.

Berufs­wechsel gibt es häufig, etwa aus finanziellen Gründen, wegen besserer Arbeits­bedingungen oder nach Kündigung durch den Arbeit­geber. Ein Berufs- oder Jobwechsel muss dem Versicherer nicht ange­zeigt werden. Es kann aber einzelne ältere Verträge mit Melde­pflicht und Anzeige­frist geben.

Arbeits­losig­keit, Eltern­zeit oder Praktikum sind keine Berufe im Sinne der Versicherung. Kundenfreundliche Versicherungs­bedingungen berück­sichtigen jedoch in solchen Fällen den zuletzt ausgeübten Beruf. Für Hausfrauen- oder männer bieten Versicherer Tarife mit speziellen Versicherungs­bedingungen an.

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rs2507 am 31.05.2017 um 16:45 Uhr
@andyonline: Wenn man früh genug anfängt ...

Geld zu sparen und/oder anzulegen ist es überhaupt nicht unrealistisch, was Sie vorschlagen. Kurz meine eigenen Erfahrungen zu diesem Thema: Ich hatte früher bei einem bekannten Versicherer für zehn oder zwölf Jahre einen BU-Versicherungsvertrag zu damals noch sehr günstigen Konditionen abgeschlossen. Nach Beendigung dieses Vertrages habe ich darüber nachgedacht, quasi im Anschluß, eine weitere BUV abzuschließen. Die Angebote, die ich daraufhin, auch von anderen Versicherern, erhielt, waren aus meiner Sicht völlig inakzeptabel. Inzwischen bin ich halbwegs gesund im Ruhestandsalter angelangt und müsste mich _eigentlich_ bei eben diesen Versicherern dafür bedanken, dass ich das ersparte Geld anderweitig verwenden konnte, nämlich (u.a.) für eine preisgünstige Unfallversicherung und eine preisgünstige Risikolebensversicherung. Das Glück ohne wesentliche Beeinträchtigungen den Ruhestand zu erreichen, hat selbstverständlich nicht Jeder, das muss man der Gerechtigkeit halber schon zugeben.

andyonline am 30.05.2017 um 20:01 Uhr
Man sollte lieber selber vorsorgen...

Ich würde das alles ganz pragmatisch sehen: Bevor man sich bei Eintritt des Versicherungsfalles durch diverse Instanzen klagen muss, aufgrund der bekannten Zahlungsmoral diverser Versicherer, spare ich mir rechtzeitig den Betrag X für den Fall der Berufsunfähigkeit selbst an. So muss ich mir nicht beim Vorliegen aller Vorrausetzungen, noch in absurder Weise vor Gericht meinen Versicherungsschutz einklagen. Diese Vorgehensweise hat 2 Vorteile: 1.) Der Versicherer schont seine Kundengelder für die Abwehr von berechtigten Forderungen zum Wohle der Versicherungsgemeinschaft. 2. Der Verbraucher muss nicht nervenaufreibend vor Gericht seinen Anspruch nachweisen. Somit sind beide Seiten zufrieden: Der Versicherer verliert kein Geld, weil er nichts einnimmt! Der Normalverbraucher gibt keine Versicherungsbeiträge aus und kann das Geld auf die hohe Kante legen. Zudem gibt es kein Konfliktpotential mehr und beide sind zufrieden...Absurd, aber wahr...

RemusRomulus am 29.05.2017 um 14:43 Uhr
Die Prüfung

Ich würde sogar noch weiter gehen. Ich würde die Gesundheitsfragen beantworten und dann der Versicherung die Möglichkeit geben die Informationen die gefragt sind direkt von der Krankenkasse verifizieren zu lassen. Dann gibt es hinterher kein "das haben sie so aber nicht genau angegeben, wir zahlen nicht". Das wäre das optimum. Dann würde ich auch abschließen. Aber so bin ich dem GoodWill der Versicherungen ausgefliefert.

rs2507 am 29.05.2017 um 14:37 Uhr
Informative Praxisfälle, gute Hinweise

Zitat: "Idealer­weise besteht schon eine Rechts­schutz­versicherung, bevor jemand eine Berufs­unfähigkeits­police abschließt. Es kann sonst sein, dass bei einem Streit über eine „vorvertragliche Anzeige­pflicht­verletzung“ (Wer berät zur Berufsunfähigkeitsrente?) der Rechts­schutz­versicherer – je nach Bedingungen – nicht einspringt."
Bleibt zu hoffen, dass "der nette Rechtsschutzversicherer des Vertrauens" im Fall des Falles keinen Rückzieher macht, sonst wäre der Versicherte sogar der doppelt Geprellte :-7
BU-Versicherungen sind fast immer relativ teuer, sofern sie ausreichende Versicherungssummen haben sollen, darüber sollte man unbedingt _vor_ deren Abschluß nachdenken. Scheinbar gibt es häufiger Fälle, in denen Versicherer versuchen, sich der Leistungspflicht zu entziehen. Sehr wichtig der Hinweis, dass Antragsvordrucke unbedingt sorgfältig und wahrheitsgemäß ausgefüllt werden müssen, um einem Versicherer keinen Anlaß zu geben, womöglich Jahre später die Leistung zu verweigern.

RemusRomulus am 29.05.2017 um 14:02 Uhr
Es sollte staatlich sein

Dieser ganze Mist mit den privaten Versicherungen für solch existenziell wichtige Dinge darf nicht in der Privatwirtschaft liegen. Da hat die Lobby wieder ganze Arbeit geleistet. Lieber die Rentenbeiträge erhöhen und damit dieses Risiko wieder mit abfedern.