Streit verloren

Herr Feldbauer, Sie sind 32 Jahre alt und können seit einem Unfall nicht mehr in Ihrem Beruf als Stuckateur arbeiten. Warum zahlt Ihr Versicherer nicht die vereinbarte Jahresrente von 4 200 Euro?
Nach meiner Ausbildung zum Stuckateur habe ich als Geselle in diesem Beruf gearbeitet. Wegen Auftragsmangels kündigte mir die Firma und ich wurde arbeitslos. Da ich dem Staat nicht auf der Tasche liegen und kein Arbeitslosengeld beziehen wollte, habe ich erst einmal als Maschinenbediener in einer Fabrik am Fließband gejobbt.
In dieser Zeit hatte ich einen schweren Motorradunfall mit mehreren Wirbelbrüchen. Mir wurden Schrauben eingesetzt, einige Brustwirbel sind seitdem versteift. Direkt nach der Operation sagte mir die Ärztin, dass ich nicht mehr als Stuckateur arbeiten kann. Bücken, Heben, Tragen: Typische Berufstätigkeiten kann ich nur noch eingeschränkt und langsam ausführen.
Wie reagierte der Versicherer auf Ihren Leistungsantrag?
Ich hatte eine Police beim Versicherer R+V Lebensversicherung AG mit einer Jahresrente von 4 200 Euro, ein Kombiprodukt aus Lebensversicherung und Berufsunfähigkeits-Zusatzschutz. Nach dem Unfall und der ärztlichen Einschätzung war für mich klar: Wenn ich in meinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, bekomme ich die Rente. Doch der Versicherer lehnte ab: Der zuletzt konkret ausgeübte Beruf sei für die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit entscheidend, also meine Tätigkeit in der Fabrik am Fließband. Und auf diesen Job wirkte sich meine körperliche Einschränkung nicht so gravierend aus (siehe „Streitpunkt: Zuletzt ausgeübter Beruf“).
Sie haben den Versicherer verklagt?
Ja, ich fühlte mich ungerecht behandelt. Wäre ich arbeitslos geblieben, hätte als zuletzt ausgeübter Beruf „ Stuckateur“ gezählt und ich hätte die Rente ohne Probleme bekommen. Das bestätigte ein Richter im Prozess. Außerdem war ich beim Arbeitsamt als Stuckateur arbeitssuchend gemeldet und habe mich um eine Anstellung bemüht.
Mithilfe des Rechtsanwalts Klaus Pontius aus Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) habe ich Klage gegen den Versicherer erhoben.
Insgesamt zog sich der Streit rund vier Jahre hin. Zuletzt gab das Saarländische Oberlandesgericht dem Versicherer recht (Az. 5 U 236/12-28). Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Den Rechtsstreit habe ich also verloren. Insgesamt ging es um eine Rente von rund 175 000 Euro.
Welche Tipps können Sie anderen mitgeben?
Trotz allem würde ich sagen: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist wichtig. In meinem Bekanntenkreis sind einige durch meine Geschichte darauf aufmerksam geworden und haben sich um einen Vertrag gekümmert.
Streitpunkt: Zuletzt ausgeübter Beruf
Berufsunfähig ist, wer seinen „zuletzt ausgeübten Beruf (...) auf Dauer nicht mehr ausüben kann“. So steht es im Gesetz. Manche Versicherer formulieren „wer seine zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit …“. Nach Auffassung von Gerichten ist Beruf ein dynamischer Begriff. Es kommt bei Feststellung einer Berufsunfähigkeit nicht auf den Ausbildungsberuf und nicht auf den Beruf bei Vertragsschluss an.
Berufswechsel gibt es häufig, etwa aus finanziellen Gründen, wegen besserer Arbeitsbedingungen oder nach Kündigung durch den Arbeitgeber. Ein Berufs- oder Jobwechsel muss dem Versicherer nicht angezeigt werden. Es kann aber einzelne ältere Verträge mit Meldepflicht und Anzeigefrist geben.
Arbeitslosigkeit, Elternzeit oder Praktikum sind keine Berufe im Sinne der Versicherung. Kundenfreundliche Versicherungsbedingungen berücksichtigen jedoch in solchen Fällen den zuletzt ausgeübten Beruf. Für Hausfrauen- oder männer bieten Versicherer Tarife mit speziellen Versicherungsbedingungen an.