Die meisten Leser sind mit ihrem Schutz zufrieden. Doch ein Fall aus unserer Umfrage Reiseversicherungen zeigt: Wenn es ernst wird, ist eine genaue Absprache mit dem Versicherer unerlässlich – sonst droht der Versicherte, auf seinen Kosten sitzenzubleiben.
Am Koffer verhoben
Schlimmer kann ein Urlaub kaum beginnen: Fäty Gorselewski wuchtet im November 2012 am Flughafen von Kairo ihren schweren Koffer, prall gefüllt mit Geschenken für die Familie, zunächst vom Band – und dann noch auf den Tisch der Zollbeamten. Als die zierliche 63-Jährige am nächsten Morgen bei ihrer Familie in einer Kleinstadt zwischen Kairo und Alexandria aufwacht, kann sie nicht mehr aufstehen. Sie hat sich wahrscheinlich verhoben. Monate später werden Ärzte in Deutschland diagnostizieren, dass sie sich einen Wirbel verletzt hat. Statt eines vierwöchigen Familienurlaubs in Ägypten erwartet Gorselewski nun eine Tortur. Ihr Ehemann Manfred beruhigt sie von Deutschland aus: „Mach dir keine Sorgen. Ich habe vor Jahren für uns eine Auslandsreise-Krankenversicherung bei der Debeka abgeschlossen.“ Die Umfrage von Finanztest zeigt: Die meisten Versicherten sind mit ihrer Reiseversicherung zufrieden Umfrageergebnisse Reiseversicherung. Die Gorselewskis allerdings nicht.
Ohne Absprache umgebucht
Eigentlich will Fäty Gorselewski nach gut einem Monat Mitte Dezember wieder zurückfliegen. Doch die Rückenschmerzen bleiben. Den mehrstündigen Rückflug mit Wartezeiten traut sie sich nicht zu. „Das schaffe ich nicht“, teilt sie ihrem Mann via Videotelefonie mit. Sie bucht den Rückflug eigenhändig um. Statt im Dezember 2012 will sie nun im Januar 2013 nachhause fliegen. Das ist ihr erster folgenschwerer Fehler: Denn wer eigenhändig eine Rückreise organisiert, bekommt die Kosten von der Auslandsreise-Krankenversicherung nicht erstattet. Deshalb sollte der Rücktransport ins Heimatland grundsätzlich mit dem Versicherer im Vorhinein abgestimmt werden.
Tipp: Ausführliche Hinweise zur Reiseversicherung hat die Stiftung Warentest in dem Special Reiseversicherung: Worauf Sie achten sollten für Sie zusammengestellt.
Medizinischer Rücktransport nicht mit dem Versicherer abgestimmt
Nach der Umbuchung sucht Gorselewski mehrere Ärzte auf. Die Kleinstadtärzte verlangen zumeist Bargeld. Sie lässt sich verschiedene Medikamente und Schmerzmittel verschreiben. Trotzdem geht es ihr auch im neuen Jahr nicht besser. Sie will erst im März zurückfliegen und verschiebt den Rückflug erneut – ihr zweiter Fehler. Die Umbuchungen kosten mehr als 200 Euro. Die Debeka verweist auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen: Auf dem Rückflug hat sich Gorselewski nicht „unter Einsatz medizinischen Fachpersonals überwiegend passiv befördern lassen“. Es sei eher eine „außerplanmäßige Rückreise“ und damit ein Fall für die Reiserücktritts- oder Reiseabbruchversicherung. Die Kosten für einen Rücktransport würde der Versicherer übernehmen, wenn er „medizinisch notwendig“ oder die Behandlung teurer als in Deutschland wäre. Die Gorselewskis hätten in jedem Fall die Bedingungen für den medizinischen Rücktransport mit ihrem Versicherer abstimmen müssen.
Versicherungsschutz abgelaufen
Ein weiteres Problem für Gorselewski: Wie auch bei anderen Tarifen ist die Dauer des Versicherungsschutzes begrenzt. Deshalb will die Debeka zunächst auch die Kosten für ärztliche Behandlungen und Medizin in Ägypten für etwas mehr als 300 Euro nicht vollständig übernehmen. Der Versicherungsschutz des Tarifs endet nach 70 Tagen Aufenthalt im Ausland. In diesem Fall also im Januar 2013, fast zwei Monate vor ihrem tatsächlichen Rückflug. Für Behandlungen in den darauffolgenden Wochen ist der Versicherer nicht zuständig. Verlängern würde sich ihr Versicherungsschutz nur dann, wenn eine Rückreise aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre. Und auch dafür hätte sie als Versicherte den Beweis antreten müssen – wiederum durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes im Ausland, aus der hervorgeht, aus welchem Grund und bis zu welchem Zeitpunkt voraussichtlich ein Transport über weite Strecken nicht möglich sein wird. Fehler Nummer drei: Diesen Nachweis kann die 63-Jährige aber nicht erbringen.
Versicherer übernimmt doch einen Teil der Kosten
Nach einem mehrwöchigen Briefwechsel mit den Gorselewskis erklärt sich die Debeka trotz fehlender Nachweise bereit, knapp die Hälfte des entstandenen Schadens zu ersetzen – sogar Behandlungskosten, die nach dem Ende des Versicherungsschutzes entstanden sind. Sie betont aber, dass sie dazu rechtlich nicht verpflichtet sei. Die Umbuchungskosten für die Flüge will die Versicherung weiterhin nicht zahlen.
Ombudsmann soll schlichten
Deshalb ruft Fäty Gorselewskis Ehemann den Ombudsmann für private Kranken- und Pflegeversicherung an, der auch für Auslandsreise-Krankenversicherungen zuständig ist. Das ist eine Schlichtungsstelle, die bei Streit zwischen Versicherung und Versicherten vermitteln soll. Nicht alle Reiseversicherer nehmen am kostenlosen Ombudsverfahren teil. Bei der Debeka ist das aber der Fall. Doch auch der Ombudsmann kommt im Juni 2014 zu demselben Ergebnis: Die Umbuchungen muss die Debeka nicht tragen, der Tarif sehe „keine Leistungen“ vor. Zudem müsste die Versicherung eigentlich keine Kosten über den 70. Tag der Reise hinaus übernehmen, auch bei „schwebenden Versicherungsfällen“ nicht.
Am Ende bleibt nur der Rechtsweg
Und dass eine Rückreise aus medizinischen Gründen unmöglich gewesen wäre, akzeptiert auch der Ombudsmann nicht. Eine E-Mail des ägyptischen Arztes, die Gorselewski nachträglich vorlegt, dass sie „nur kurze Distanzen reisen“ sollte, reiche nicht. Es fehle eine Begründung und ein Zeitraum. Dennoch wollen die Gorselewskis nicht aufgeben. Der Rechtsweg bleibt ihnen schließlich noch offen.