Ombudsmann: „Kommunikation ist wichtig“

Professor Günter Hirsch
Professor Günter Hirsch kennt die häufigsten Streitpunkte aus der Beschwerdepraxis zwischen Kunden und Versicherungsunternehmen. Er ist Ombudsmann für Versicherungen. Im Gespräch mit Finanztest erklärt er, auf welche Fallstricke Versicherte achten müssen.
Das Problem mit der „unerwartet schweren Erkrankung“
Worüber streiten die Parteien in der Praxis?
Die Zahl der bei mir eingegangenen Beschwerden zur Reiseversicherung lag im Jahr 2017 bei etwa 700. Der häufigste Grund für Beschwerden ist die Klausel der „unerwartet schweren Erkrankung“ in den Versicherungsbedingungen. Auch die Frage, ob die Reise „unverzüglich“ storniert wurde, spielte eine erhebliche Rolle. Oft kommt es zum Streit, weil die Parteien nicht frühzeitig miteinander kommuniziert haben.
Warum wird die Klausel der „unerwartet schweren Erkrankung“ verwendet?
Im Gegensatz zu anderen Versicherungen werden bei Abschluss von Reiseversicherungen keine Gesundheitsfragen – beispielsweise zu Grund- oder Vorerkrankungen – gestellt. Als Konsequenz gibt es diese allgemein gehaltene Klausel, um zu verhindern, dass sich jemand Versicherungsschutz erschleicht.
Wodurch entstehen dabei Streitigkeiten?
Versicherungsnehmer und Versicherer streiten oft darüber, ob eine Erkrankung, die zur Reiseabsage oder zum Reiseabbruch führte, „unerwartet“ ist. Die Klausel stellt gerade bei Grunderkrankungen eine Hürde dar, beispielsweise bei Herz- und Rückenleiden, Krebserkrankungen oder Rheuma. Zwar kann auch die plötzliche Verschlimmerung einer Erkrankung „unerwartet“ sein. Die Versicherer lehnen in diesen Fällen aber oft die Leistung ab, weil sie darin nur die Verschlechterung einer bekannten Vorerkrankung sehen. Das ist anhand des konkreten Krankheitsbildes und -verlaufes zu beurteilen.
Vertragsklauseln aufmerksam durchlesen
Was raten Sie Reisekunden mit Vorerkrankungen?
Versicherer nehmen zum Teil Krankheiten, die in den letzten sechs Monaten vor Abschluss der Versicherung behandelt wurden, aus dem Schutz raus. Das entgeht ersichtlich vielen Kunden. Deshalb sollten sie sich die entsprechenden Vertragsklauseln aufmerksam durchlesen. Darüber hinaus kann es bei Vorliegen einer Dauer- oder akuten Erkrankung sinnvoll sein, einen Arzt nach der Reisefähigkeit im Hinblick auf die geplante Reise und den Gesundheitszustand zu fragen – und dies attestieren zu lassen. Ob eine Erkrankung unerwartet ist, ist nach der Rechtsprechung aus der subjektiven Sicht des Versicherungsnehmers zu beurteilen. Entscheidend ist daher – neben der eigenen Kenntnis des Gesundheitszustandes – auch, welche Informationen der Reisende von dem behandelnden Arzt erhalten hat.
Zu welchem Zeitpunkt sollte der Kunde eine Reise stornieren?
Viele Klauseln formulieren, dass der Versicherungsnehmer „unverzüglich“ stornieren muss. Oft hoffen die Reisekunden aber ein paar Wochen vorher noch, dass sie bis zum Reiseantritt wieder gesund werden. Meine Empfehlung ist, zunächst eine Reisefähigkeitsbescheinigung beim Arzt zu beantragen. Wenn dieser keine sichere Aussage treffen kann, sollte der Kunde mit der Stornoberatung des Versicherers sprechen. Dessen Aussage ist letztlich verbindlich.
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