
Kreuzfahrten liegen im Trend. Einen Luxusurlaub auf hoher See erleben aber nicht alle Passagiere. Wie Reisende ihre Rechte wahren.

Gitta und Jürgen Grieshaber. Statt einer erholsamen Urlaubsreise erlebte das Paar eine böse Überraschung: Während ihrer Grönland-Kreuzfahrt reihte sich eine Panne an die andere.
Erhabene Eisberge, tiefe Fjorde, majestätische Gletscherwelten: All das hofften Jürgen und Gitta Grieshaber zu sehen, als sie im Jahr 2007 voller Vorfreude zu einer 13-tägigen Arktis-Kreuzfahrt aufbrachen. Dass die Reise in einen jahrelangen Rechtsstreit münden würde, ahnten sie damals noch nicht. Allerdings zeigte sich vergleichsweise früh, dass die vermeintliche Traumreise nicht den Erwartungen entsprach. „Eine Aneinanderreihung von Pannen“ nennt Jürgen Grieshaber sie stattdessen. Auf der Fahrt ging fast alles schief, was schiefgehen kann.
Das Desaster begann bereits beim Flug von Frankfurt nach Grönland, von wo aus die Rundfahrt starten sollte. „Wegen verdächtiger Gerüche mussten wir in der Flugzeugkabine zwei Stunden auf den nächsten Flieger warten und erreichten erst drei Stunden später den Zielhafen in Grönland“, erzählt der 66-Jährige.
Endlich an Bord des Schiffes angekommen, setzten sich die Ärgernisse fort: Die Diskobucht mit ihren einzigartig geformten Eisbergen in Westgrönland kreuzte der Kapitän statt eines ganzen Tages nur wenige Stunden. Der Aufenthalt im isländischen Reykjavik fiel deutlich kürzer aus als angekündigt. Und die Pannenserie war keineswegs beendet.
„Während des Mittagessens wurde uns mitgeteilt, dass das Schiff verschmutztes Öl getankt hat und die Filter verstopft seien. Einige Passagiere bekamen Panik und brachen die Reise sofort in Reykjavik ab“, sagt Grieshaber. Er und seine Frau blieben auf dem Schiff, „immer mit der Angst im Nacken, ob die Maschinen mit verstopften Filtern durchhalten“. Während der Rückreise fielen dann auch noch zwei Halbtags-Ausflüge zu den Färöer- und Orkney-Inseln aus. Fünf Tage tuckerten die Reisenden ohne Zwischenstopps über die Nordsee, bis sie verspätet im Zielhafen in Kiel ankamen.
Grieshaber wollte das nicht einfach hinnehmen. Schließlich ist er vom Fach, er und seine Frau betreiben in Bad Wörishofen ein Touristikunternehmen. Die Grönlandreise hatten sie als Vermittler für 67 Personen gebucht. Der 66-Jährige wusste daher genau, was zu tun war.
Er verlangte vom Veranstalter aufgrund der vielen Mängel 80 Prozent des Reisepreises zurück. Als sich dieser weigerte, die angeforderte Höhe zu zahlen, klagte Grieshaber als Touristikunternehmer für sich und seine Frau sowie für andere Mitreisende. Mit Erfolg. Der Fall ging bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Nachdem die unteren Instanzen zugunsten des Veranstalters entschieden hatten, schlugen sich die höchsten deutschen Zivilrichter jetzt, sechs Jahre später, doch auf die Seite der enttäuschten Urlauber (BGH, Az. X ZR 15/11).
Entgangene Urlaubsfreude

Naturspektakel. Die berühmte Diskobucht in Westgrönland bekamen Jürgen Grieshaber und seine Frau Gitta während der Reise nur kurz zu sehen.
Auch bei kleineren Mängeln haben Schiffsreisende gute Karten, einen Teil des Reisepreises erstattet zu bekommen. Um ihre Rechte zu wahren, müssen sie ihre Ansprüche allerdings zeitnah geltend machen und gut begründen. Bei nachweisbaren Missständen gibt es meist Geld zurück. Klagen, wie im Fall von Grieshaber, sind nur das äußerste Mittel, wenn der Veranstalter sich weigert zu zahlen.
Bei Schiffsreisen gibt es eine Besonderheit: Bestimmte Mängel fallen nach Ansicht der Gerichte hier sogar stärker ins Gewicht als bei Pauschalreisen an Land. „Erhält der Reisende beispielsweise eine Innen- statt der zugesagten Außenkabine, ist das als Reisemangel schwerwiegender zu bewerten als der fehlende Meerblick aus einem Hotelzimmer“, erklärt Rechtsanwalt und Dozent für Reiserecht Kay P. Rodegra aus Würzburg. Meistens gibt es bei Kreuzfahrten nämlich keine Möglichkeit mehr, die Kabine umzutauschen.
„Die Unterbringung in einer nicht gebuchten Innenkabine rechtfertigt es, eine Reise wegen eines Mangels zu kündigen, den vollen Reisepreis zurückzufordern und zusätzlich Schadenersatz geltend zu machen. In einem Hotelzimmer bekäme man höchstens eine Preisminderung.“
Rechtliche Grundlage
Nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gilt eine Kreuzfahrt als Pauschalreise und ist so zu gestalten, dass sie die dem Urlauber „zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist“ (Paragraf 651c BGB). Entspricht die Reise nicht dem, was vertraglich vereinbart wurde, können Schiffstouristen Geld vom Veranstalter zurückverlangen. Bei schweren Mängeln ist es sogar möglich, zusätzlich Schadenersatz wegen „entgangener Urlaubsfreude“ zu fordern.
Missstände dokumentieren

Ausflüge. Auf die Faröer- und Orkney-Inseln hatten sich die Grieshabers besonders gefreut. Zwei Landgänge waren geplant, beide wurden kurzfristig gestrichen.
Wer auf einer Kreuzfahrt Mängel feststellt, sollte zügig reagieren und Beweise für die Missstände sichern. Dabei ist es wichtig, die Reiseleitung so früh wie möglich auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen, Abhilfe zu fordern und dem Veranstalter so die Gelegenheit zu geben, den Fehler zeitnah zu beheben. Der Urlauber sollte zudem ein schriftliches Protokoll erstellen, in dem er die Mängel möglichst genau beschreibt und dieses Schriftstück vom Reiseleiter unterschreiben lassen. Auch Grieshaber hatte während der Reise eine detaillierte Liste erstellt, in die er alle Abfahrten und Einfahrten sowie gestrichene Ausflüge eintrug. Abweichungen vom geplanten Programm waren so problemlos nachzuvollziehen.
Gibt es überdies andere Mängel zu beklagen, empfiehlt es sich, diese zu fotografieren. So lässt sich am besten beweisen, dass zum Beispiel Bad oder Restaurant nicht regelmäßig gereinigt wurden, das Essen verdorben oder unappetitlich war oder dass die Ausstattung der Kabine nicht dem vertraglich vereinbarten Standard entsprach.
Forderungen stellen
Kann oder will der Veranstalter einen Mangel nicht beheben, haben Reisende nach Ende des Urlaubs einen Monat Zeit, Ansprüche geltend zu machen. Dafür reichen sie beim Veranstalter eine schriftliche Beschwerde ein – samt Dokumentationsmaterial wie Fotos und genauem Mängelprotokoll. Wichtig ist nicht nur, dass der Urlauber die Unzulänglichkeiten genau beschreibt. „Er muss klar zu erkennen geben, dass er eine Entschädigung fordert und nicht nur seinem Ärger Luft machen will“, sagt Anwalt Rodegra. Idealerweise sollte der Urlauber angeben, wie viel Prozent des Reisepreises er zurückfordert und ob er Schadenersatz verlangt.
Richtig kalkulieren
Grundsätzlich gilt: Je gravierender ein Mangel, desto höher die Reisepreisminderung. Zur Orientierung, wie hoch eine Minderung bei welchen Mängeln ausfallen darf, gibt es mehrere Tabellen. Die Würzburger Tabelle zum Reiserecht bei Kreuzfahrten etwa fasst alle Gerichtsurteile zu Reisemängeln bei Schiffsreisen zusammen. Weitere bekannte Tabellen sind die „Kemptener Reisemängeltabelle“, die „ADAC-Tabelle zur Preisminderung bei Reisemängeln“ und die „Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung“.
Fristen wahren
Ignoriert der Reiseveranstalter eine Beschwerde oder verweigert er ausdrücklich die Zahlung, haben Reisende nach Ende des Urlaubs zwei Jahre Zeit, um beim Veranstalter nachzuhaken oder ihre Forderung einzuklagen. Erst dann verjährt der Anspruch. Diese Frist ist allerdings nicht in Stein gemeißelt: Über das Kleingedruckte verkürzen viele Veranstalter die Verjährungsfrist auf ein Jahr. Das ist erlaubt. Die eingehende Lektüre der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist daher Pflicht.
Nicht ins Bockshorn jagen lassen
Alle Urlauber bekamen nach der Grönland-Kreuzfahrt 30 Prozent des Reisepreises zurück – angemessen seien 80 Prozent, meinte Grieshaber. Nach zähem Ringen vor Gericht erhielt er im Mai dieses Jahres Rückendeckung durch den BGH. Das Oberlandesgericht Bremen muss jetzt die genaue Summe berechnen, die Grieshaber und den Personen, für die er geklagt hatte, zusteht – erst dann ist das Kapitel beendet.