Interview: Höhere Gewalt

Der Reiserechtsexperte Professor Ernst Führich von der Hochschule Kempten erklärt, wann Verbraucher die Reise wegen höherer Gewalt kündigen können und welche Rechte sie haben.
Was gilt als höhere Gewalt?
Das ist ein von außen kommendes, plötzliches und unabwendbares Ereignis, an dem weder der Veranstalter noch der Kunde die Schuld tragen. Meist also Naturkatastrophen wie Erdbeben, Flutwellen oder Bürgerkriege.
Wie können Urlauber erfahren, ob höhere Gewalt vorliegt?
Zum Beispiel beim Auswärtigen Amt. Sobald es die höchste Warnstufe, also „dringend abgeraten“, ausspricht, ist das ein Indiz für Lebensgefahr. Gerichte haben aber schon eine erhebliche Gefahr für die Reise bejaht, obwohl das Amt keine Warnung aussprach.
Können Reisende erst kündigen, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist oder direkt bevorsteht?
Nein, die Gefährdungsschwelle ist heute wesentlich niedriger als früher. So hat der Bundesgerichtshof ein Kündigungsrecht bereits bejaht, als mit erheblicher – also nicht erst überwiegender – Wahrscheinlichkeit mit einem Hurrikan zu rechnen war.
Und wenn der Hurrikan, das Beben oder der Bürgerkrieg vorbei sind?
Dann kann der Kündigungsgrund Monate weiter gelten. Denn wenn das gebuchte Hotel zerstört wurde, wird es auch in einigen Monaten nicht wieder aufgebaut sein. Also wird die Reise nicht wie gebucht durchführbar sein.
Was sind die Folgen, wenn ein Pauschalurlauber rechtmäßig wegen höherer Gewalt kündigt?
Geschieht das vor Reisebeginn, darf der Veranstalter kein Geld verlangen, denn er hat noch keine Reiseleistungen erbracht. Es gibt auch keine Stornopauschale. Anzahlungen muss er voll erstatten. Bei Kündigung während der Reise gibt es nur Geld für die Leistungen zurück, die der Reisende noch nicht in Anspruch genommen hat.