
Krachende Kokosnüsse? Kein Packeis im Polarmeer? Mangelnder Meerblick? Reisemängel sind ärgerlich. Aber Geld zurück erhält nur, wer korrekt reklamiert.
Die Hose war an allem schuld. Da hatte ein Ehepaar für zehn Tage Pauschalurlaub ein Hotel der gehobenen Mittelklasse in Kreta gebucht, für 2 074 Euro. Doch gleich beim ersten Abendessen ging der Ärger los: Der Kellner ließ es nicht durchgehen, dass der Urlauber im Restaurant eine Dreiviertelhose trug – langes Beinkleid müsse schon sein, bitteschön.
Das ließ den Mann nicht ruhen. Er fühlte sich bloßgestellt. Im Katalog hatte nichts von einer Kleiderordnung gestanden. Daher wollte er 20 Prozent Preisminderung. Doch vorm Amtsgericht München blitzte er ab: In guten Hotels seien lange Hosen selbstverständlich (Az. 223 C 5318/10).
Wenn der Meerblick fehlt
Streit um Reisemängel beschäftigt immer wieder die Gerichte – teils auch absurde Fälle. So waren einem Seychellen-Urlauber die Wellen zu hoch: Er habe nicht schnorcheln können, klagte er – allerdings vergebens (LG Hannover, Az. 1 O 59/09). Denn bei der Frage, ob ein Reisemangel vorliegt, kommt es entscheidend darauf an, dass der Veranstalter eine Leistung versprochen hat. Hätte im Prospekt gestanden „Wellengang lässt garantiert schnorcheln zu“, hätte das Gericht wohl anders entschieden.
„Als versprochene Leistungen zählen die Beschreibungen im Prospekt, die Angaben in der Reisebestätigung, ebenso verbindliche Zusatzvereinbarungen“, erklärt Silvia Schattenkirchner, Juristin beim ADAC. Ein fehlender Meerblick ist also nur ein Mangel, wenn er zugesichert wurde (Amtsgericht Duisburg, Az. 53 C 4617/09).
Wie Katalogsprache beschönigt
Für Ärger sorgen vor allem Beschreibungen in Prospekten und Katalogen. Grundsätzlich gilt: Was dort steht, ist nicht einfach nur bloße Werbeanpreisung, sondern verbindlich. Der Veranstalter muss es einhalten. Umgekehrt gilt aber auch: Mängel, die bereits im Katalog standen, kann der Kunde nicht reklamieren.
„Daher versuchen Reiseveranstalter gern, Mängel durch positive Formulierungen zu verschleiern“, erklärt der Wiesbadener Rechtsanwalt und Reiserechtsexperte Holger Hopperdietzel. Typische Beispiele:
- „Kurzer Transfer zum Hotel“: Das bedeutet oft erhöhten Fluglärm.
- „Naturbelassener Strand“: Der kann vor allem schmutzig sein.
- „Beheizbarer Swimmingpool“: Das heißt nicht, dass der Pool auch beheizt wird.
- „Einfache Unterkunft“: ein abgewohntes, renovierungsbedürftiges Hotel.
- „Sauber und zweckmäßig“: Viel Komfort wird es da nicht geben – und Sauberkeit sollte ohnehin selbstverständlich sein.
- „Gute Verkehrsanbindung“: Hauptverkehrsstraße ganz in der Nähe.
- „Neu eröffnetes Hotel“: Das Haus ist womöglich noch nicht fertig, Grünanlagen fehlen, Bauschutt ist nicht abgefahren.
- „Lebhaft, munter, von Junggesellen bevorzugt“: Da ist auch nachts noch etwas los.
- „Bei deutschen Gästen beliebt“: vielleicht auch bei Ballermännern in Feierlaune.
- „Familienfreundlich“: Wer Kinderlärm nicht mag, sollte da lieber nicht buchen.
- „Familiär geführtes Haus“: fehlendes Personal, unprofessionelles Management.
Wenn der Koffer zu spät kommt
Bei solchen Beschreibungen kann es bei Reklamationen schwierig werden. „Ob der Kunde sie auch wirklich verstanden hat, ist dabei egal“, warnt Hopperdietzel. Dagegen gelten pauschale Hinweise im allgemeinen Teil eines Katalogs nicht. Steht dort: „Generell ist in Ägypten mit Bautätigkeiten zu rechnen“, muss der Veranstalter trotzdem haften. Dasselbe gilt, wenn Reiseleistungen ausfallen. Als bei einer Kreuzfahrt die schwedische Hauptstadt Stockholm nicht angelaufen wurde, sprach das Amtsgericht München den Urlaubern 25 Prozent Preisminderung zu (Az. 262 C 1337/09).
Als Mangel gelten außerdem die typischen Unzulänglichkeiten, die bei Pauschalreisen immer wieder passieren. Zum Beispiel wenn das Gepäck zu spät aufs Kreuzfahrtschiff kommt und der Passagier mangels passender Kleidung nicht an allen Veranstaltungen teilnehmen kann (AG München, Az. 132 c 20772/08).
Oder wenn jemand allein reist, aber ein Zweibettzimmer gebucht hat: Findet der Veranstalter keinen Zimmerpartner, darf er keinen Zuschlag kassieren, wenn er den Reisenden im Einzelzimmer unterbringt (Landgericht München, Az. 37 O 11496/09).
Maßstab sind aber nicht persönliche Wünsche oder Vorlieben des Kunden, sondern ein durchschnittlicher, neutraler Beobachter. Bei einer Geruchsbelästigung kommt es darauf an, ob auch eine Durchschnittsnase sich daran gestört hätte.
Warum eine Spinne kein Mangel ist
Und es kommt darauf an, ob das Problem wirklich schlimm ist. Bloße Unannehmlichkeiten mögen zwar lästig sein, sind aber kein Mangel. Zum Beispiel wenn es nach der Ankunft eine Stunde dauert, bis die Zimmerschlüssel zugeteilt sind. Oder kleine Kaffeeflecken auf der Tischdecke (LG Düsseldorf, Az. 22 S 93/09). Dasselbe gilt für landestypische Eigenheiten wie den Gebetsruf des Muezzin: Dass der im Orient nun mal zum Alltag gehört, musste das Amtsgericht Düsseldorf einem Reisenden eigens erklären (Az. 48 C 5461/08). Auch wenn am Strand auf den Malediven „alle paar Minuten eine Kokosnuss zu Boden kracht”, gibt es kein Geld zurück (OLG Koblenz, Az. 5 U 799/09). Wer in die Tropen fährt, muss halt mit Palmen rechnen. Und mit Spinnen und Mücken auch, denn die sind im Süden häufiger.
Wie zehn Kakerlaken die Lage ändern
Sogar einzelne Kakerlaken sind hinzunehmen, wenn das Hotel nicht als kakerlakenfrei beschrieben wurde. Wer aber täglich zehn der Plagegeister im Zimmer findet, kann den Preis mindern (Landgericht Frankfurt/Main, Az. 2/24 S 541/88).
Ebenfalls nicht als Mangel gelten Probleme, die zum allgemeinen Lebensrisiko zählen. Bei einer Kreuzfahrt während des Landgangs beklaut zu werden, kann überall auf der Welt passieren (LG Bremen, Az. 4 S 432/01 [b]). Oder schlechtes Wetter: Auch dafür kann der Reiseveranstalter nichts. Wenn er aber laut mit Naturspektakeln wirbt, kann er doch auf die Nase fallen. So gab es bei einer Polarkreuzfahrt 20 Prozent zurück, weil das Packeis nicht an Ort und Stelle war (OLG Hamburg, Az. 9 U 92/08).
Wie Reisende reklamieren sollten
Wichtig ist, dass der Reisende den Mangel vor Ort reklamiert. Denn er muss dem Veranstalter die Möglichkeit geben, das Problem zu beheben. „Selbst das beste Mängelprotokoll nützt nichts, wenn es erst am Ende der Reise abgegeben wird“, warnt Hopperdietzel. Die Reklamation ist an den Reiseleiter vor Ort zu richten, nicht ans Hotel (OLG Koblenz, Az. 5 U 766/09). Eine Minderung ist erst ab Mängelanzeige möglich.
Tipp: Lassen Sie sich die Anzeige schriftlich bestätigen. Nehmen Sie Zeugen mit. Außerdem sollten Sie den Mangel detailliert und konkret beschreiben. „Die Zimmer sind massiv verdreckt“, ist zu pauschal.
Problem ist aber oft, dass gar kein Reiseleiter da ist. Dann können Urlauber die Sache auch dem Veranstalter melden, zum Beispiel per Fax. Die Kontaktdaten sind oft auf der Infotafel des Hotels zu finden.
Tipp: Ist auch kein Veranstalter erreichbar, lassen Sie sich die vergeblichen Kontaktversuche durch Zeugen bestätigen.
Nach Ende der Reise muss der Kunde seine Preisminderung innerhalb eines Monats schriftlich einfordern. Die Höhe muss er konkret nennen. Einen Reisegutschein als Ersatz muss er nicht akzeptieren. „Bei einer berechtigten Mängelrüge hat er Anspruch auf Zahlung der Preisminderung“, betont ADAC-Juristin Schattenkirchner.
Oft ist der Mangel aber so gravierend, dass der Urlauber sich selbst helfen darf. Zum Beispiel in ein besseres Hotel ziehen, wenn er in ein Drei- statt Fünf-Sterne-Haus kommt und der Reiseleiter nicht hilft. Er muss aber eine Frist für die Lösung des Problems setzen. Wie lang die ist, hängt von der Situation ab. „Bei einer defekten Klimaanlage halten Gerichte 24 Stunden für akzeptabel“, so Schattenkirchner. Die Selbsthilfe darf aber nicht unverhältnismäßig sein. Wer fünf Sterne gebucht hat, aber nur in ein Vier-Sterne-Haus kommt, kann nicht einfach ein besseres Hotel nehmen, wenn das sechsmal teurer ist als das bezahlte (OLG Frankfurt/Main, Az. 10 U 162/09).
Wann der Urlauber kündigen kann
Bei ganz schlimmen Mängeln kann der Urlauber die Reise sogar kündigen, etwa wenn der Pool nicht fertig ist, eine Großbaustelle am Hotel tobt oder noch morgens Musik aus der Disco dröhnt. Wenn das Problem etwa 50 Prozent Minderung erlaubt, handelt es sich meist um eine erhebliche Beeinträchtigung. Wer kündigt, sollte aber sicher sein, dass der Mangel wirklich unzumutbar ist — oder das Risiko einfach vermeiden und nach der Reise den Preis mindern.