
Echt aus der Region – das behaupten alle Anbieter der Eier, Säfte und Milch im Test. Die Herkunftsangaben stimmen. Doch vor Ort herrscht weniger Landidylle als versprochen.
Frische Eier vom Land, Apfelsaft aus Streuobst, Bergbauernmilch aus den Alpen – die Anbieter der heimatbezogenen Produkte im Test werben mit idyllischen Bildern. Sattes Wiesengrün, saubere Fachwerkhäuser, Bauer und Tier glücklich vereint: Wer die Verpackungen betrachtet, wird von heimeligen Gefühlen übermannt.
Handel profitiert von Heimattrend

Kurze Wege. Bei Hemme Milch in Brandenburg liegen Kuhstall und Molkerei nebeneinander.

Im Supermarkt funktioniert das Prinzip Heimat prächtig. Der Lebensmittelhandel sieht regionale Ware „als festen Bestandteil mit wachsender Image- und Umsatzbedeutung“. Bereits 37 Prozent der Deutschen kaufen regionale Produkte heute regelmäßig – bei Bioware sind es nur 13 Prozent, belegt eine Studie des Nestlé-Konzerns.
Doch kann der Verbraucher der Werbung trauen? Wir haben die Regionalversprechen von Apfelsäften, Eiern und Milch aus den Gegenden rund um Berlin, Köln und München aufwendig überprüft. Wir besuchten Keltereien, Molkereien und Legebetriebe. Nicht nur das. Die Herkunft der Lebensmittel lässt sich sogar im Labor ermitteln: mit einer etablierten Hightech-Methode, der Stabilisotopenanalyse.
1 000 Leute nach Erwartungen befragt

test-Umfrage zu Regionalität: Das erwarten Verbraucher.
Vorab hieß es, Grundsatzfragen zu beantworten: Was ist eine Region? Wo beginnt sie, was begrenzt sie? Und was erwarten Verbraucher von regionalen Lebensmitteln? Klare Definitionen gibt es nicht. Wir haben 1 000 Verbraucher befragt. Was sie unter „Region“ verstehen, variiert. Am ehesten steht der Begriff für einen Landkreis, einen Naturraum oder ein Bundesland (siehe Grafik). Auch das Gebiet, das bis zu 100 Kilometer um den eigenen Wohnort liegt, betrachten viele als Region. Für 6 Prozent ist es ganz Deutschland.
Die Zutaten für das Produkt sollten überwiegend aus der Region stammen, und es sollte ausschließlich dort produziert werden. Das erwartet die Mehrheit der Befragten. Auch für uns war das Basis der Bewertung. Wer die Zutaten quer durchs Land transportiert oder von weit her zukauft, bekommt Punktabzug.
Keine Schummelei bei der Herkunft

Anlieferung. Unzählige Kleinproduzenten bringen Äpfel zur Mosterei. Das erschwert Herkunftsnachweise.

Ob die Eier, die Milch und die Äpfel für den Apfelsaft im Test aus den beworbenen Gegenden kommen, verrät die Isotopenanalyse. Das Ergebnis ist durchweg positiv: Hinweise für Herkunftsschwindel fanden wir nirgends. Alle Analysewerte stimmten jeweils mit den typischen Werten der Regionen Berlin, Köln und München überein.

Futtermittel. Viele Betriebe produzieren Gras und Heu selbst. Kraftfutter kaufen sie aber meist zu.

Die Methode basiert auf der Tatsache, dass sich unser Essen aus Elementen wie Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Strontium zusammensetzt. Jedes dieser Elemente hat schwere und leichte Atome, die Isotopen – je nach Region stehen sie in einem bestimmten Mengenverhältnis. Gedeiht eine Pflanze etwa weit weg vom Meer und hoch in den Bergen, hat sie tendenziell mehr leichte als schwere Sauerstoff- und Wasserstoffisotope. Wir haben für die 29 Produkte die Verhältnisse der stabilen Isotopen analysiert und mit Datenbanken abgeglichen. Wo es keine Daten gab, haben wir selbst vor Ort Vergleichs-proben genommen. So konnten wir Rückschlüsse auf die Herkunft ziehen.
Elf Produkte sehr glaubwürdig

Abfüllung. Nur einige Kleinbetriebe füllen noch per Hand ab. Bei vielen erfolgt das heute automatisch.

Die chemische Analyse passt bei allen Produkten zur Herkunftsangabe. Doch die Besuche vor Ort zeigen große Unterschiede, wie die Erzeuger Regionalität verstehen und leben. Als besonders glaubwürdig erweisen sich 11 der 29 Produkte. Dazu zählen die Apfelsäfte von Bio Company und Rewe/Temma. Die Anbieter konnten einwandfrei belegen, dass die Äpfel aus der Region stammen und dort zu Saft verarbeitet werden. Der Verkauf erfolgt in lokalen Supermärkten. Auch Milch der Gläsernen Molkerei, von Ökodorf Brodowin, Unser Land und Hemme Milch sind durch und durch regional – ebenso Eier von Dachauer Land, Gut Schmerwitz, Feneberg, Landmarkt und Eier aus NRW von Manfred Hermanns. Ihnen allen bescheinigen wir: Regionalität sehr gut.
Sechs Produkte schneiden nur ausreichend ab – die Anbieter lehnten Besuche ihrer Betriebe ab, manche beantworteten nicht einmal schriftlich Fragen.
Bio und regional doppelt stark
Auffällig viele der sehr guten regionalen Produkte tragen ein Biosiegel oder das einer Regionalinitiative wie Landmarkt, Unser Land und Von Hier. Regionalinitiativen sind lokale Zusammenschlüsse von Bauern, Betrieben und Solidargemeinschaften, die ihre Ware direkt in den Handel bringen. Jede arbeitet nach eigenen Richtlinien. „Von Hier“ kann verwechselt werden: Zwei Initiativen – eine in Berlin und Brandenburg, eine in Südbayern – tragen diesen Namen, haben aber nichts miteinander zu tun.
Regionales von Lidl, Edeka und Rewe
Heute führen viele Handelsketten regionale Lebensmittel im Sortiment. Lidl ist im Test mit Milch seiner Regionalmarke „Ein gutes Stück Heimat“ vertreten. Der Discounter kann belegen, dass die Milch in Bayern hergestellt und verkauft wird. Das trifft aber nicht auf alle Produkte dieser Marke zu. So bietet Lidl ebenso Erbsen-und Möhrenkonserven aus dem Rheinland deutschlandweit in Filialen als regional an.
Während der Apfelsaft von Rewe/Temma ein Sehr gut verdient, erreicht der von Edeka Rhein-Ruhr nur ein Befriedigend (Tabelle). Die Edeka-Regionalgesellschaften definieren den Begriff Region großzügig. Sie sehen darunter ihr jeweiliges Absatzgebiet, mitunter sind das mehrere Bundesländer. Entsprechend lang fallen die Transporte aus. Verbraucher verbinden mit regionaler Ware aber kurze Wege.
Nur einige zahlen höhere Preise
Kunden erhoffen sich noch mehr von regionalen Lebensmitteln, belegen Umfragen. Viele erwarten, dass die regionale Wirtschaft gestärkt wird. Auch Umweltschutz, Sorten- und Artenvielfalt verbinden recht viele damit. Der Test zeigt: Verlass ist darauf nicht. Regionale Lebensmittel garantieren in erster Linie eine bestimmte Herkunft – mehr nicht. Viele Anbieter geben an, den Erzeugern höhere Preise zu zahlen. Gut belegen konnten das nur wenige, darunter die bayerischen Betriebe Berchtesgadener Land, Feneberg und Oro sowie die Initiative Unser Land. Auch Einblicke in die Arbeitsbedingungen der Keltereien, Molkereien und Legebetriebe waren ernüchternd. Gerade kleine Betriebe arbeiten häufig mit Aushilfskräften und Minijobbern, außerdem gelten dort keine Tarifverträge.
Regionale Eier oft aus Bodenhaltung

Im Stall. Boden-und Freilandhaltung erlauben maximal 9 Tiere pro Quadratmeter, Bio nur 6.

Statt ländlicher Bauernhöfe trafen wir vielfach auf große, industrielle Unternehmen. Selbst wenn Produkte mit dem Bauern um die Ecke werben, steht oft Massentierhaltung dahinter. Bei 7 der 13 Legebetriebe kommen die Eier aus Bodenhaltung (Tabelle). Hennen haben dort keinen Auslauf im Freien und leben zu tausenden im Stall. Alle, die von Heimatprodukten hohen Tierschutz erwarten, dürfte das enttäuschen. Ob Regionalität und Bodenhaltung vereinbar sind, entscheidet jeder beim Einkauf selbst. Gute Haltungsbedingungen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen, garantieren nur Eier mit Biosiegel.
Mehrere Eierhöfe lehnen Besuche ab

Kontrolle. Um Qualität und Rückverfolgbarkeit der Eier zu sichern, sind viele Betriebe zertifiziert.

Vier Legehennenbetriebe ließen keinen Besuch zu, meist ohne Begründung. Wir haben dennoch geprüft, ob ihr Eierkode zu dem auf der Verpackung genannten Betrieb passt. Bei Löwendorfer tauchten Fragen auf. Ein Landkartenausschnitt auf der Packung legt nahe, die Eier kämen aus Ahrensdorf südlich von Berlin. Die Rückverfolgung zeigt: Dort liegt nur die Abpackstelle. Der Eierbetrieb selbst heißt Ehlego und befindet sich 130 Kilometer entfernt bei Cottbus – ein Großbetrieb mit insgesamt 400 000 Tieren in Bodenhaltung.
Auch FrieslandCampina, Anbieter der Eifel-Milch, ließ sich nicht überprüfen. 2007 mahnte die Verbraucherzentrale die Firma ab. Unter „Mark Brandenburg“ hatte sie in Berlin und Brandenburg Milch verkauft, die aus Nordrhein-Westfalen kam und in Köln abgefüllt worden war.
Das „Regionalfenster“ kommt

Neues Regionalsiegel. Ab Herbst 2013 kann der Handel ein neues einheitliches Logo verwenden: das Regionalfenster.

Für Verbraucher ist es schwer, falsche Regionalprodukte zu entlarven. Es fehlt ein einheitliches verlässliches Logo – ähnlich wie das EU-Biosiegel. Es konkurrieren unzählige Zeichen: Neben den Logos der EU und der Bundesländer gibt es die der Handelsketten und Regionalinitiativen (siehe www.test.de/regionalsiegel). Mehr Klarheit könnte ein neues Logo bringen, das Anfang 2013 erfolgreich in Supermärkten getestet wurde: das „Regionalfenster“. Ab Herbst 2013 sei eine Einführung wahrscheinlich, schätzt der Verein Regionalfenster. Er entwickelt zurzeit Richtlinien. Unterstützt wird das vom Verbraucherschutzministerium. Die Logo-Nutzung soll freiwillig bleiben. Ob das künftig wahre Landidylle sichert, bleibt abzuwarten.
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@Aquarionisus: Wenn Sie in Berlin regional einkaufen und "nur Ramsch" bekommen, dann deshalb, weil die 1A Jahre in München verkauft wird ... . Ist überspitzt aber hat auch etwas Wahres. Münchner Biomärkte sind voll mit Waren aus allen Teilen Deutschlands.
Vermutung: Wenn Bauern Lieferverträge mit großen Märkten haben, dann bleibt für den regionalen Verkauf nur die zweite Wahl.
Vorbei die Tage vo man die Milch beim bauern um die Ecke im eigenen Gefäss holte,
Vorbei die zeit wo es zu Weihnachten das gab was im Keller lag ,
Und nun beschwert ihr euch über eine andere Form von Marketing -
Hab ihr etwa gedacht das die Wahrheit von Facebbok und die Tugend
per App besteltt und runtergeladen werden kann .
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Träumt weiter
Um auf Aquarionisus einzugehen: wenn man Werder Obst oder auch Beelitzer Spargel kauft, sollte man/ frau schon schauen - was steht dahinter. Wenn ich Obst kaufe auf unserem Wochenmarkt oder direkt beim Stand des Obstbauern, dann sind die Sachen frisch und schmackhafter als die Ware, die ich im Supermarkt als "regional" bekomme. Hier sollte man schon noch unterscheiden. Und wenn man in Berlin Erdbeeren von Karls Hof zu vollkommen überteuerten Preise kauft, sind die mit Sicherheit nicht besser als Erdbeeren von einem regionalen Bauern direkt von dessen Obststand. Hier sind nach meiner Erfahrung wirklich frische Produkte im Angebot, die früh geerntet werden und somit keine langen Wege hinter sich haben.
Meinung aus Rand-Berlin
Immer wieder höre ich die Aufforderung: "Wollt ihr Verbraucher bessere Produkte, mehr Bio, mehr regionaler Anbau. Dann kauft doch regional im Supermarkt oder direkt."
So ein dummer sch.. . Bitte entschuldigen sie meine Entgleisung. Aber was ich vom Werderaner oder Beelitzer Bauern bekomme ist überteuerte, verfallene Ware. Das eine Mal sind es halb verschimmelte Erdbeeren für 6 € die 500 Gramm, das andere Mal ist es Spargel der holzig, vertrocknet und muffig schmeckt. Liegt es an Berlin und dem Umland das man nur Schrott angeboten bekommt. Ich erinnere mich wie noch in den 90ern und davor die Qualität und Verfügbarkeit des Werderobstes gut und weit bekannt war. Wo gehen diese Waren hin. Ich muss Äpfel aus Neuseeland kaufen wenn ich nicht kotzen will. Was soll das?
Global ist gesünder und die Produkte sind besser, woran liegt das an der Verfügbarkeit, an der Gewinnsucht der Bauern oder wer ist unser Obst.
Obst sehe ich hier als Beispiel, Gleiches bei Käse.....
Leider musste ich immer wieder feststellen, dass "Bio-Eier" den Stempel entweder total verwischt oder gar nicht aufgedruckt war.
Die KAT ist meiner Meinung nach nicht glaubwürdig, da diese KEINE weiteren Informationen zum jeweiligen Bauernhof gibt. Name und Stadt, ab und an ein zwei Bilder, reichen bei weitem NICHT aus!
Da helfen Webseiten wie https://www.qualitrail.de/wsade/index.jsf auch nicht!