Schwäbische Maultaschen, Spreewälder Gurken und Kölsch: Sie gehören zu den rund 75 „regional schützenswerten“ deutschen Spezialitäten. Die Münchner Weißwurst gehört nicht dazu.
Ein delikater Fall: Anfangs sah es noch gut aus für die Münchner Weißwurst. Doch Anfang 2009 scheiterte dann der Antrag Münchner Metzger, die Münchner Weißwurst vor Nachahmern schützen zu lassen. Zuvor hatten bayerische Fleischproduzenten vor dem Bundespatentgericht darauf hingewiesen, dass 95 Prozent aller Münchner Weißwürste von Herstellern außerhalb Münchens hergestellt würden. Hätte die Spezialität, die das 12-Uhr-Läuten nicht hören soll, das Siegel bekommen, dann hätten nur noch Metzger der bayerischen Landeshauptstadt und des Landkreises Münchner Weißwürste produzieren dürfen. Vor Gericht setzten sie sich nicht durch. Und nun darf theoretisch jeder Münchner Weißwürste herstellen.
Warum Anträge scheitern können
Seit 1992 ist es möglich, regional bedeutsame und traditionelle Produkte EU-weit vor Nachahmern zu schützen. Dafür müssen aber mehrere Kriterien erfüllt sein: Das Produkt muss auf traditionelle, für die Region typische Weise hergestellt sein. Es muss stark mit der Region verknüpft sein. Und sein Name muss tatsächlich für eine regionale Spezialität stehen. Falls der Name längst zu einer allgemein üblichen Gattungsbezeichnung geworden ist, hat das Erzeugnis schlechte Chancen, geschützt zu werden – auch wenn sein Ursprungsort im Namen auftaucht. Zum Beispiel würde niemand erwarten, dass ein Hamburger immer aus Hamburg kommt.
Außerdem muss gerechtfertigt sein, dass regionale Hersteller durch das Siegel Vorteile bekommen. Immerhin schließt es alle anderen vom Wettbewerb aus. Auch aus diesem Grund können Anträge scheitern, so wie bei der Münchner Weißwurst.
Wer die Extrawurst bekommen hat
Ob Schwarzwälder Schinken oder Wernesgrüner Bier – wer tippen soll, welche deutsche Spezialität im Sinne der EU-Vorschriften als regional schützenswert gilt, liegt schnell daneben. Geschafft haben es derzeit etwa 75 Spezialitäten: von der Schwarzwaldforelle über Lübecker Marzipan und Kölsch bis zu Nürnberger und Thüringer Rostbratwürsten (siehe Test: Bratwürste aus test 07/2010).
Sie alle tragen eines der Siegel geschützter geografischer Herkunft: die strenge „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder die weniger strenge „Geschützte geografische Angabe“. Das Siegel „ Garantiert traditionelle Spezialität“ trägt in Deutschland bisher kein Produkt (siehe Text: Siegel).
Viele Mineralwässer wie Bad Pyrmonter tragen bei uns die „Geschützte Ursprungsbezeichnung“. Für zahlreiche Biere wie das Kulmbacher Bier und für Fleischerzeugnisse gilt das Siegel „Geschützte geografische Angabe“. So kommt die Thüringer Rostbratwurst garantiert aus Thüringen.
Auch andere Produzenten versuchen ihr Glück wie die von Rheinischem Apfelkraut und Holsteiner Katenschinken. Für diese Produkte wurden 2008 Anträge bei der EU eingereicht, die Entscheidung steht aber noch aus. Ganz frisch geschafft haben es gerade sieben andere Spezialitäten, darunter Dresdner Christstollen, Halberstädter Würstchen und Hessischer Apfelwein.
Hersteller müssen sich ins Zeug legen
Um ein Siegel zu bekommen, muss sich ein Hersteller ganz schön ins Zeug legen und tief in die Tasche greifen. Zunächst muss er eine Schutzgemeinschaft bilden. Im Fall etwa des Holsteiner Katenschinkens besteht sie aus dem Fleischer-Verband Schleswig Holstein und 18 Fleischereibetrieben. Die Schutzgemeinschaft stellt beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder „Geschützte geografische Angabe“.
Thüringer Klöße dürfen Bayern sein
Das Bundespatentamt schreibt dann an Verbände sowie Ministerien, die mit dem Produkt in Berührung kommen. Sie sollen einschätzen, ob es sich tatsächlich um eine regionale Spezialität handelt, und ob Widersprüche von anderen Herstellern zu erwarten sind. Sind alle Zweifel ausgeräumt, veröffentlicht das Bundespatentamt, welches Produkt sich schützen lassen möchte. Gibt es keinen Einspruch, hat die Schutzgemeinschaft die erste Hürde genommen: Auf nationaler Ebene ist der Antrag bestätigt. Dann geht es europäisch weiter: Die EU-Kommission eröffnet ein neues Verfahren und bezieht die Mitgliedstaaten ein.
Wie die Münchner Weißwurst haben es auch Thüringer Klöße nicht geschafft. Sie dürfen sich auch so nennen, wenn sie aus Sachsen oder Bayern kommen. Auch Harzer Käse ist nicht geschützt. Warum es einige Spezialitäten schaffen und andere nicht, ist oft schwer nachzuvollziehen.
Italiener liegen in Europa vorn
Auch unsere europäischen Nachbarn stellen emsig Anträge, um ihre Spezialitäten zu schützen. Und wie es scheint, oft erfolgreicher als deutsche Hersteller: Italien bringt es auf über 200 geschützte Produkte, gefolgt von Frankreich mit etwa 176 und Spanien mit rund 135 Lebensmitteln. Darunter findet sich italienischer Parma-Schinken genauso wie französischer Roquefort-Käse und griechischer Feta.
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