
© C. P. Baumgartner / Milch, Shutterstock (M)
Auf verschiedenen Wegen macht die Textilbranche aus Plastikmüll und Altkleidern neue Mode. Das ist gut fürs Firmenimage – und oft auch ökologisch sinnvoll. Doch neben den großen Ketten, die das Wiederverwerten als Thema entdeckt haben, gibt es auch viele kleine idealistische Nischenunternehmen. test.de sagt, wie Recyclingmode entsteht, welche Verwertungsarten es gibt, und welche Anbieter derzeit auf dem Markt sind.
Mit Mode die Meere retten
„Glückliches Leben, glückliche Menschen, glückliche Ozeane“ – mit diesem Slogan wirbt die Jeansfirma G-Star für eine neuartige Kollektion: Die Niederländer lassen Plastikmüll von Stränden zu Kunststoffgarn recyceln, aus dem Jeans und Shirts werden. Mit Mode die Meere retten – ist das mehr als Marketing?
Ökobilanz von Recyclingfasern besser
Zahlreiche Modefirmen reiten mittlerweile auf einer Recyclingwelle. Viele dieser Initiativen scheinen sinnvoll. Die wenigen vorhandenen Studien deuten darauf hin, dass die Ökobilanz von Recyclingfasern meist besser ist als die von frischen Fasern. Besonders bei Altkleidern als Rohstoff stößt die Kreislaufidee allerdings schnell an Grenzen.
Fleecejacken aus PET-Flaschen
Vorreiter des Trends waren vor allem Outdoor-Marken wie Patagonia. Das US-Unternehmen stellt seit 1993 Fleecejacken aus recycelten PET-Flaschen her. Aktuell lässt es nach eigenen Angaben 29 Prozent seiner Modelle mit Anteilen aus Recycling-Polyester fertigen. Junge Marken zogen nach. Das Label Kuyichi, das sich als Pionier für umweltbewusste Mode bezeichnet, teilte mit, dass 20 Prozent seiner Jeans, Mäntel und Jacken Recyclingmaterial enthielten. Noch eher zaghaft fällt dagegen das Engagement des Handelsriesen C&A aus, der im März seine erste Jeans mit recycelten Polyesterfasern auf den Markt gebracht hat. „Wir reagieren damit auf das Interesse unserer Kunden an nachhaltigen Produkten“, sagt C&A-Sprecher Thorsten Rolfes.
H&M als Altkleidersammler
Bereits im vergangenen Frühjahr legte die Kette H&M ihre ersten fünf Modeserien in die Regale, die recycelte Baumwolle enthalten. Aktuell beträgt der Anteil recycelter Fasern 0,3 Prozent am gesamten Material des Unternehmens. Ein Jahr zuvor stiegen die Schweden ins Geschäft mit Altkleidern ein. Kunden können ausgediente Klamotten in H&M-Filialen abgeben und bekommen dafür Rabatte auf den nächsten Einkauf. Die Altkleider verkauft H&M an I:Collect. Die Firma gehört zur Soex-Gruppe, laut Selbstauskunft Weltmarktführer im Textilrecycling. I:Collect sortiert den Kleiderberg und vermarktet nach eigenen Angaben 40 bis 60 Prozent als Secondhandkleidung. Der Rest werde vor allem zu Dämmstoffen und Putzlappen verarbeitet, ein kleiner Teil verbrannt. Nur aus 1 bis 3 Prozent der Sammelware entstehen neue Fasern für Textilien, sagt die Verwertungsfirma.
Kreislauf: Altkleider landen meist im Secondhand

© Stiftung Warentest

Marketing und Kundenbindung
Kritiker halten Initiativen wie die von H&M und inzwischen vielen anderen Modeunternehmen für reines Marketing, um über ein grünes Image den Absatz anzukurbeln. Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbands Fairwertung, der sich für Transparenz im Gebrauchtkleidermarkt einsetzt, sagt: „Rücknahmesysteme geben vor, den Müllberg verkleinern zu wollen, animieren aber die Kunden durch Rabattaktionen zum Kauf weiterer Kleidung. Das ist ein Widerspruch in sich.“
Für Qualitätskleidung müssen auch Frischfasern beigemischt werden
Für einen Recyclingstoff-Massenmarkt eignen sich solche Sammlungen derzeit ohnehin nicht. Schon weil die Aufbereitung nicht so einfach ist. „Für das Recycling werden Altkleider zerrissen, darunter leiden die Fasern“, erläutert Kai Nebel, Textilingenieur an der Hochschule Reutlingen. „Die Qualität eines Recyclingprodukts ist immer schlechter als die des Ausgangsprodukts.“ Aus einem feinen T-Shirt etwa ließe sich allenfalls ein gröberes Sweatshirt fertigen. „Und das auch nur, wenn die Recyclingfasern mit mindestens 60 Prozent Frischfasern gemischt werden.“
Mischgewebe meist nur für Dämmstoffe geeignet
Aus gebrauchtem Polyester lässt sich über chemisch-mechanische Verfahren neues Garn gewinnen. Rohstoff dafür sind meist gebrauchte Plastikflaschen. Altkleider bestehen oft aus Mischgewebe, das schwer zu trennen ist und daher meist nur noch für Dämmstoffe taugt.
Recyclingbaumwolle in der Nische
Einfacher als Altkleider lassen sich Schnittreste aus der Fertigung recyceln. Die sind sauber und sortenrein erfassbar und man weiß genau, was verarbeitet wurde. Ökonomisch betrachtet ist selbst das oft wenig attraktiv. „Konventionelle Baumwolle ist nur wenig teurer als recycelte Baumwolle“, sagt Faserforscher Bernd Gulich vom Sächsischen Textilforschungsinstitut. „Dafür eine komplett neue Logistikkette aufzubauen, ist wirtschaftlich sehr schwierig.“
Kein Dünger und keine Pestizide nötig
Ökologisch gesehen ist Recycling von Textilien der konventionellen Herstellung überlegen. Aufbereitete Baumwolle benötigt kein Wasser, keinen Dünger, keine Pestizide und wenig Energie. Beim Polyesterrecycling kommt zwar einiges an Chemie zum Einsatz, und Plastikflaschen werden oft um den halben Erdball verschifft. Die Umweltbilanz ist dennoch meist besser als bei der Gewinnung von Polyester aus Erdöl.
Upcycling – aus alt wird neu
Ökologischer, als eine Hose zu schreddern, um Garn zu gewinnen, ist es, sie umzugestalten und weiterzutragen. Beim sogenannten Upcycling entsteht aus alten Klamotten oder Stoffresten neue Kleidung. Die Idee ist nicht neu. Doch was früher oft in Heimarbeit geschah, erobert sich eine wachsende Nische auf dem Massenmarkt.
Nichts für den Massenmarkt
Um an Material zu kommen, arbeiten einige Upcycler mit gemeinnützigen Sammlern zusammen. Das Berliner Label Water To Wine zum Beispiel erhält von der Stadtmission Altkleider, die von Bedürftigen nicht gebraucht werden. Die Wienerin Cloed Baumgartner und ihre Firma Milch kooperiert mit der lokalen Volkshilfe. Die sortiert aus Spenden jährlich etwa zwei Tonnen Hemden und Anzughosen aus. Zwei Nähereien vor Ort gestalten sie zu Damenmode um. Den Designern setzen solche Geschäftsmodelle enge Grenzen. „Altkleidung ist ein riesiges Business“, sagt Baumgartner, „es ist zum Teil schwierig, an gute Rohware zu kommen.“ Das so Gesammelte lässt sich oft nur zu Unikaten verarbeiten, Kollektionen für den Massenmarkt sind kaum möglich.
Günstiges Material, teure Produktion
Dieses Problem umgeht Aluc. Das Berliner Label kauft Herstellern in Österreich und der Schweiz übriggebliebene Stoffbahnen ab. Waschen und Auftrennen von Altkleidern entfällt. Zudem besitzen die Reste Neuwaren-Qualität. Daraus entstehen vor allem Hemden und Blusenkleider. Wie die meisten hiesigen Upcycling-Firmen produziert Aluc in Europa. Transportwege sollen kurz, die Produktion transparent sein. Viele der Mode-Idealisten wollen sich von Großkonzernen abgrenzen und nehmen hohe Lohnkosten für regional und fair produzierte Kleidung in Kauf.
Am ökologischsten: Nicht jedes Jahr eine neue Jeans kaufen
Auch das ist ein Grund, warum es Upcycling schwer hat, aus dem Nischendasein zu treten und der Vorherrschaft billiger Ketten mit monatlich wechselnden Kollektionen etwas entgegenzusetzen. Für echte Nachhaltigkeit sieht Textilforscher Nebel Produzenten und Verbraucher in der Pflicht: „Die Modebranche müsste weniger, zu höheren Preisen produzieren, und Käufer sollten die Kleidung so lange wie möglich tragen.“ Ökologischer als jedes Up- oder Recyceln ist es, eine Jeans nicht jedes Jahr durch eine neue zu ersetzen.
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Ich fand den Artikel sehr spannend, da Nachhaltigkeit gerade ein großes Thema ist. Hat sich seit 2015 etwas getan? Gesamtwirtschaftlich und bei den einzelnen Firmen?