Hier nennen wir wichtige Urteile zur Rechtsschutzversicherung und ordnen sie ein. Die Urteile sind nach dem Datum der Verkündung sortiert.
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Da nicht jede Entscheidung in der juristischen Fachliteratur veröffentlicht wird, würden sich die Rechtsexperten der Stiftung Warentest freuen, wenn Versicherungskunden und Anwälte, die an Rechtsschutz-Klagen beteiligt waren, eine Kopie der Entscheidung an sie schicken würden. Auch an Schlichtungsentscheidungen des Versicherungsombudsmanns sind sie interessiert. Senden Sie die Entscheidung bitte per E-Mail an Michael Sittig oder Christoph Herrmann. Die Namen der Versicherungskunden werden selbstverständlich vertraulich behandelt.
Rechtsschutz für Schadenersatz-Klagen gegen Autohersteller wegen illegaler Motorsteuerung
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 12. Juli 2019
Aktenzeichen: 3 O 381/18
Rechtsschutzversicherer: ADAC-Rechtsschutz Versicherungs-AG
Anwalt des Rechtsschutzkunden: KAP Rechtsanwaltsgesellschaft, München
Gewinner: Versicherter
Versicherungsbedingungen: Verkehrsrechtsschutz, unbekannter Stand der Bedingungen, entscheidende Regelung: Leistung nur bei Erfolgsaussicht
Streitpunkt: Der Besitzer eines Mercedes GLK 220 CDI 4Matic Blue Efficiency fordert von Daimler Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat etliche Autos des Typs wegen illegaler Motorsteuerung zurückgerufen. Der Wagen des Klägers gehört allerdings nicht dazu. Der ADAC berichtete: Die Behörde prüft jetzt, ob weitere Autos des Typs betroffen sind. Die Anwälte des Klägers behaupten: Auch seinen Wagen habe Daimler mit Absicht mit einer Motorsteuerung versehen, die das Abgas nur bei den Prüfstandversuchen für die Typzulassung so reinigt, dass die Grenzwerte insbesondere für den Stickoxidausstoß eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb stoße der Motor viel mehr Stickoxid aus als zulässig. Der ADAC Rechtsschutz verweigerte die Leistung, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Es gebe keine konkreten Beleg für illegale Mechanismen in der Motorsteuerung.
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht verurteilte: Der ADAC Rechtsschutz muss zahlen. Aussicht auf Erfolg habe eine Rechtsverfolgung schon dann, wenn Tatsachen vorgetragen sind, die die Forderung des Klägers rechtfertigen würden. Ob der Beweis dieser Tatsachen später gelingt, spielt keine Rolle. Der Kläger muss auch nicht zu Einzelheiten wie dem Zeitpunkt der Manipulation der Motorsteuerung vortragen, über die er nichts wissen kann.
test.de-Kommentar: Im Zuge des Abgasskandals klagen Tausende Autobesitzer auf Kosten der Rechtsschutzversicherer auf Schadenersatz. Viele Rechtsschutzversicherer verweigern Autobesitzern, deren Wagen das Kraftfahrt-Bundesamt nicht offiziell zurückgerufen hat, die Übernahme der Kosten. Für berechtigt halten die Juristen bei test.de die Verweigerung der Leistung nur, wenn feststeht, dass das Kraftfahrt-Bundesamt alle Einzelheiten der fraglichen Motorsteuerung kannte und die Beamten sie für zulässig hielten. So ist es jedoch allenfalls in wenigen Einzelfällen, in denen der Autohersteller die Motorsteuerung erst nach Bekanntwerden des VW-Skandals im September 2015 entwickelt hat. Ansonsten behandeln Autohersteller die Motorsteuerung als Betriebsgeheimnis und teilen der Typzulassungsbehörde nur die Ergebnisse der Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes mit.
Landgericht München, Urteil vom 30. Dezember 2019
Aktenzeichen: 26 O 827/19
Rechtsschutzversicherer: Rechtsschutz Union (ehemalige Marke der Alte Leipziger Versicherung), 2018 übernommen von der Itzehoer Versicherung.
Anwalt des Rechtsschutzkunden: KAP Rechtsanwaltsgesellschaft, München
Gewinner: Versicherter
Versicherungsbedingungen: Verkehrsrechtsschutz, ARB-RU 2013, entscheidende Regelung: § 3a Abs. 1 a) Mangelnde Erfolgsaussicht und § 3a Abs. 2 Stichentscheid
Streitpunkt: Der Besitzer eines Mercedes C 250 CDI Blue Efficiency, erworben im März 2015 direkt vom Hersteller, will Sachmangelrechte geltend machen und Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung fordern. Die Anwälte des Klägers behaupten: Daimler habe den Wagen mit Absicht mit einer Motorsteuerung versehen, die das Abgas nur bei den Prüfstandversuchen für die Typzulassung so reinigt, dass die Grenzwerte insbesondere für den Stickoxidausstoß eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb stoße der Motor viel mehr Stickoxid aus als zulässig. Der Versicherer verweigerte die Leistung. Seiner Meinung nach habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Die Forderung sei verjährt und es gebe keine Belege für eine illegale Motorsteuerung. Er verwies auf den so genannten Stichentscheid. Die Anwälte des Versicherten können auf Kosten des Versicherers dazu Stellung nehmen, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und dies begründen. Wenn sie es tun, dann bindet die Entscheidung den Versicherer, sofern sie nicht offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht. Die Klägeranwälte nahmen Stellung und sahen ausreichende Aussicht auf Erfolg. Trotzdem blieb der Versicherer bei seiner Ablehnung. Die Stellungnahme genüge nicht den Anforderungen an einen Stichentscheid.
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht urteilte: Die Rechtsschutz Union muss zahlen. Der Stichentscheid der Kläger-Anwälte binde den Versicherer. Eine erhebliche Abweichung des Stichentscheids von der wirklichen Sach- und Rechtslage liege vor, wenn die gutachterliche Stellungnahme die Sach- und Rechtslage „gröblich oder erheblich“ verkennt. „Offenbar“ ist eine solche Abweichung aber nur, wenn sie sich dem Sachkundigen, wenn auch erst nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit aufdrängt. Vertritt ein Rechtsanwalt hingegen von mehreren Rechtsansichten diejenige, die zwar nicht der herrschenden Ansicht entspricht, aber doch nicht ganz abwegig erscheint, dann weicht seine Meinung noch nicht „offenbar“ von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. Nach diesem Maßstab sei der Stichentscheid der Kläger-Anwälte nicht zu beanstanden.
test.de-Kommentar: In Abgasskandal-Fällen kommt es oft auf den so genannten Stichentscheid des Kläger-Anwalts zur Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage an. Dabei stellen die Versicherer immer wieder wie hier die Rechtsschutz Union höhere Anforderungen als die Gerichte.
Rechtsschutz für Klage gegen Ex-Partner („Heiratsschwindler“)
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 15. April 2020 (nicht rechtskräftig)
Aktenzeichen: 3 O 252/19
Rechtsschutzversicherer: DEVK
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: DEVK
Versicherungsbedingungen: ARB 2014 (Stand: 01.01.2016), entscheidende ARB-Klausel: Ziffer 3.2.21
Streitpunkt: Eine junge Frau will ihren ehemaligen Lebensgefährten auf Schadensersatz wegen dessen krimineller Machenschaften verklagen. Der Mann, den die Frau zu Anfang auch heiraten wollte, hatte während der Beziehung unter anderem Kreditverträge auf ihren Namen abgeschlossen und sie dadurch um 20 000 Euro geprellt. Schadenersatzklagen fallen unter die Leistungsart „Schadenersatz-Rechtsschutz“ und sind eigentlich über jede Rechtsschutzpolice versichert – es sei denn, es greift eine Ausschlussklausel. Genau um eine solche ging es in diesem Fall. Der Rechtsschutzversicherer, die DEVK, verweigerte Kostenschutz unter Hinweis auf eine Ausschlussklausel, die sich in allen Rechtsschutzversicherungen befindet. Danach sind nicht versichert: „Streitigkeiten in ursächlichem Zusammenhang mit nicht ehelichen oder nicht eingetragenen Lebenspartnerschaften. Dies gilt auch, wenn die Partnerschaft beendet ist.“
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht wies die Deckungsklage der Frau ab. Streitigkeiten unter Eheleuten sowie unter nichtverheirateten Paaren sind über eine Rechtsschutzversicherung nicht versichert. Das gilt auch für Rechtsärger nach dem Ende einer Beziehung. Das Landgericht Frankenthal sieht auch den für den Risikoausschluss erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Partnerschaft und der Schadenersatzforderung der Frau wegen der rechtswidrig auf ihren Namen abgeschlossenen Kreditverträge.
Der Heiratsschwindler hatte bei der Bank die Auszahlung der Kreditbeträge auf das Konto seiner Freundin veranlasst und diese dann angelogen: das Geld habe er selbst auf ihr Konto überwiesen. Die arglose Frau zahlte die Beträge daher an ihn aus. Nach Ansicht des Landgerichts nutzte der Mann damit das Vertrauensverhältnis aus, um an das Geld zu kommen. Die Partnerschaft stehe, so das Gericht, daher in ursächlichem Zusammenhang zu dem anschließend Streit um die Kreditverträge. Somit seien alle Voraussetzungen geben, damit der Risikoausschluss greife.
test.de-Kommentar: Die betroffene Frau hat Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt.
Rechtsschutz bei Abwehr einer Kündigung durch den Vermieter
Oberlandgericht Köln, Urteil vom 14. Januar 2020
Aktenzeichen: 9 U 54/19
Rechtsschutzversicherer: Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Teils der Rechtsschutzkunde, teils der Rechtsschutzversicherer
Versicherungsbedingungen: ARB 2010 (Stand 1. Oktober 2010), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 4
Streitpunkt: Ein rechtsschutzversicherter Mieter führt mit seinem Vermieter drei Mietrechtsprozesse. Für diese drei Prozesse begehrt er von seinem Rechtsschutzversicherer Kostenschutz, den dieser jedoch weitgehend ablehnt. Um folgende Prozesse ging es:
- Erster Streit: der Vermieter verklagt den Mieter auf Räumung des Mietobjekts wegen nicht bezahlter Mieten und auf Zahlung dieser Mieten. Der Mieter behauptet, dass er die Mieten mit anderen noch offener Forderungen gegen den Vermieter verrechnet habe und diesem deshalb auch nichts mehr schulde. Die Kündigung wegen der Mietschulden sei folglich auch rechtswidrig.
- Zweiter Streit: Mieter verklagt seinen Vermieter auf Schadenersatz wegen eines Wasserschadens in den Mieträumen. Er wirft dem Vermieter vor, dass er diesen früh auf Mängel in der Dachabdeckung hingewiesen habe, dieser aber nichts unternommen habe und dadurch am Ende der Wasserschaden entstanden sei.
- Dritter Streit: Schadenersatzklage des Mieters wegen eines zweiten Wasserschadens. Der rechtsschutzversicherte Mieter begründet seine Klage wie bei der ersten Wasserschaden-Klage.
Die drei genannten Mietrechtsstreitigkeiten sind an sich über jede Rechtsschutz-Police, die Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz mit einschließt, abgedeckt. Allerdings hat ein Rechtsschutzkunde nur dann Kostenschutz, wenn der Rechtsstreit nach Abschluss und vor Ende der Rechtsschutzversicherung eingetreten ist. Das war in hier allen drei Mietrechtsstreitigkeiten problematisch.
Bei Streit 1 (Räumungs- und Zahlungsklage des Vermieters) hatte der Vermieter die Kündigung des Mietvertrages zum Teil auf Mietrückstände gestützt, die in der dreimonatigen Wartezeit der Rechtsschutzversicherung entstanden waren. In der Wartezeit sind Rechtsschutzkunden nicht versichert. Das Oberlandesgericht Köln hatte zu entscheiden, ob der Rechtsstreit nun schon mit der Entstehung der Mietschulden in der Wartezeit entstanden war, und damit nicht versichert war.
Bei Streit 2 und 3 (Schadenersatzklage wegen Wasserschaden) hatte der Mieter seine Klage damit begründet, dass der Vermieter trotz früher Mängelanzeige nichts gegen die Mängel in den Mieträumen getan habe und durch seine Untätigkeit der Wasserschaden entstanden sei. Die Anzeige der Mängel hatte der Mieter zu einem Zeitpunkt vorgenommen, an dem er noch nicht rechtsschutzversichert war. Der Wasserschaden selbst war hingegen nach Abschluss der Rechtsschutzversicherung entstanden.
Entscheidung des Gerichts: Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass der Paragraf 4 der Roland-ARB 2010 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa Az. IV ZR 214/14 und Az. IV ZR 195/18) so auszulegen ist: Der Rechtsschutzfall bestimmt sich allein nach den Vorwürfen, die der Rechtsschutzkunde (hier der Mieter) seinem Gegner (hier der Vermieter) macht. Die Vorwürfe des Gegners (hier der Vermieter) bleiben bei der zeitlichen Einordnungen des Versicherungsfalls unberücksichtigt. Das bedeutet für die drei Fälle:
- Fristlose Kündigung wegen angeblicher Mietschulden (Streit 1): Nach Ansicht des Gerichts genießen Mieter bei einer fristlosen Kündigung wegen angeblicher Mietschulden dann Rechtsschutz, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung rechtsschutzversichert sind. Sie müssen nicht schon zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Kündigungsgründe (Entstehung der Mietschulden) eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Im konkreten Fall fielen einige der vom Mieter nicht gezahlten Mieten, mit denen der Vermieter später seine Kündigung begründete, in die (nicht versicherte) Wartezeit der Rechtsschutzversicherung des Mieters. Das ist nach Ansicht des Gerichts aber unerheblich.
- Schadenersatz wegen Wasserschaden durch untätigen Vermieter (Streit 2 und 3): Hier kommt es für die zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls nicht auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts (zu diesem Zeitpunkt war der Mieter rechtsschutzversichert), sondern auf den Moment, in dem der Vermieter trotz Mängelanzeige (Aufforderung zur Behebung des Dachschadens) untätig geblieben war. Da der Mieter noch ohne Rechtsschutzversicherung war, als er den Vermieter auf den Dachschaden aufmerksam gemacht hatte, erklärte das Oberlandesgericht die Deckungsablehnungen der Roland für die beiden Wasserschaden-Prozesse der Roland für rechtmäßig.
test.de-Kommentar:
Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG arbeitet in neueren Versicherungsbedingungen mit einer anderen Klausel. Was in den ARB von 2010 in Paragraf 4 geregelt war, steht jetzt in Paragraf 9.2 (ARB 2020, Stand: 29. Januar 2020). Der Wortlaut der Klausel hat sich nach Ansicht der Stiftung Warentest verschlechtert. Kunden, die neue Roland-Verträge mit den ARB 2020 abschließen, hätten für einen Streit wie im obigen Fall 1 (fristlose Kündigung wegen angeblicher Mietschulden) wohl keinen Rechtsschutz mehr. Denn die neue Roland-Klausel sieht vor, dass für die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalls stets auch die Vorwürfe des Gegners berücksichtigt werden.
Es gibt zwar Juristen, die Zweifel an der Wirksamkeit solcher Klauseln haben. Gerichtsurteile dazu sind uns aber noch nicht bekannt. In unserem aktuellen Vergleich Rechtsschutzversicherung haben wir Rechtsschutzangebote mit solchen nachteilhaften Klauseln abgewertet. Angebote, die in unserem Test Rechtsschutzversicherungen mit Gut abgeschnitten haben, beinhalten verbraucherfreundliche Klauseln zur Bestimmung des Rechtsschutzfall.
Wichtig: Verschlechtert ein Anbieter die Versicherungsbedingungen in neuen Verträgen, betrifft das die Bestandskunden mit alten Verträgen nicht.
Rechtsschutz für Honorarstreit mit Rechtsanwalt
Amtsgericht Siegburg, Urteil vom 8. Januar 2020
Aktenzeichen: 104 C 12/19
Rechtsschutzversicherer: Rechtsschutz Union (ehemalige Marke der Alte Leipziger Versicherung), 2018 übernommen von der Itzehoer Versicherung
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Rechtsschutzkunde
Versicherungsbedingungen: ARB 2005, entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 4 Absatz 1 und 2 (zeitliche Definition des Versicherungsfalls) sowie Paragraf 3 Absatz 2 g (Leistungssausschluss für familienrechtliche Streitigkeiten)
Streitpunkt: Ein Rechtsschutzkunde hat Ärger mit einem Anwalt, der ihn in einem Scheidungsverfahren vertreten hat. Er findet das Anwaltshonorar zu hoch. Als der Anwalt wegen des Honorars gerichtlich gegen ihn vorgehen will, nimmt er sich einen zweiten Anwalt, der ihn im Honorarstreit vertreten soll. Diese Anwaltskosten soll seine Rechtsschutzversicherung übernehmen. Doch die lehnt eine Kostenübername ab. Der Rechtsschutzkunde verklagt seinen Rechtsschutzversicherer vor dem Amtsgericht Siegburg. Entscheidende Rechtsfragen:
- Leistungsausschluss Familienrecht: Gehört der Streit um das Anwaltshonorar auch zum Bereich des Familienrechts, für den nach den Versicherungsbedingungen der Rechtsschutz Union keine Anwalts- und Prozesskosten übernommen werden (Paragraf 3 Absatz 2 g)?
- Zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls: Liegt der Honorarstreit noch in versicherter Zeit, wenn die Rechtsschutzversicherung zwar zum Zeitpunkt der mutmaßlich falschen Anwaltsrechnung abgeschlossen war, aber vom Rechtsschutzkunden gekündigt war, als der Anwalt das Honorar gerichtlich gegen ihn geltend machte?
Entscheidung des Gerichts: Der Scheidungsstreit (eindeutig Familienrecht; vom Rechtsschutzversicherer ausgeschlossen) und der Honorarstreit sind unterschiedliche Dinge. Der Rechtsschutzkunde begehrt nicht für eine familienrechtliche Auseinandersetzung Rechtsschutz, sondern für einen Streit um einen privaten Vertrag, den Anwaltsvertrag. Streitigkeiten rund um private Verträge sind über die Leistungsart Vertrags-Rechtsschutz versichert. Die Rechtsschutz-Police des Kunde beinhaltete Vertrags-Rechtsschutz, weswegen das Gericht den Rechtsschutzversicherer zur Kostenübernahme verurteilte.
Nach Ansicht des beklagten Rechtsschutzversicherers lag der Honorarstreit außerdem in nicht mehr versicherter Zeit. Doch auch das sah das Amtsgericht Siegburg anders: Als der Anwalt das umstrittene Honorar gerichtlich gegen seinen ehemaligen Mandanten geltend machen wollte, war der Mandant zwar nicht mehr rechtsschutzversichert. Dieser Zeitpunkt ist nach Ansicht des Gerichts für die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls aber nicht entscheidend. Maßgeblich sei der Moment, in dem der Anwalt die mutmaßlich falsche Rechnung erstmals erstellt hat. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Rechtsschutzversicherung noch.
test.de-Kommentar:
Merkwürdig, dass es in dem Fall zu einem Prozess gekommen ist. Gestritten wurde um lediglich 215,15 Euro. Bevor Verbraucher Klage erheben, sollten sie immer erst einmal die Schlichtungsstelle der privaten Versicherungswirtschaft einschalten: den Versicherungsombudsmann. Dieser beurteilt den Fall auf Basis der Rechtslage und kann den Rechtsschutzversicherer zur Kostenübernahme verpflichten. Der Verbraucher trägt bei dieser Schlichtung kein Kostenrisiko. Er benötigt für das Schlichtungsverfahren auch keinen Anwalt. Geht die Schlichtung zugunsten des Rechtsschutzversicherers aus, kann er immer noch Klage erheben.
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Kein Rechtsschutz bei Jobkündigung wegen Erpressungsversuch
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 14. Oktober 2019
Aktenzeichen: 4 W 818/19
Rechtsschutzversicherer: Arag
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Arag
Versicherungsbedingungen: ARB 2005 (Stand: Januar 2008), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 3 Absatz 5
Streitpunkt: Ein Arbeitnehmer erhält die außerordentliche Kündigung im Job, weil er eine Straftat begangen haben soll (versuchte Erpressung des Arbeitgebers). Der Arbeitnehmer wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage, für die er von seinem Rechtsschutzversicherer Kostendeckung verlangt (Arbeitsrechtsschutz).
Zunächst sagt der Versicherer die Deckung auch zu und übernimmt die Anwalts- und Prozesskosten der Kündigungsschutzklage. Den Kündigungsschutzprozess verliert der Arbeitnehmer in zwei Instanzen, weil sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitgericht der Überzeugung sind, dass er versucht habe, seinen Arbeitgeber zu erpressen. Nach diesem arbeitsrechtlichen Prozess verlangt der Rechtsschutzversicherer die von ihm gezahlten Anwalts- und Prozesskosten von seinem Kunden zurück.
Entscheidung des Gerichts: Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden kann sich der Rechtsschutzversicherer auf die Ausschlussklausel Paragraf 3 Absatz 5 in den Arag-Versicherungsbedingungen ARB 2005 berufen. Das heißt: Die Arag darf von ihrem Kunden die für den Kündigungsprozess gezahlten Anwalts- und Prozesskosten zurückverlangen. Eigentlich sind Kündigungsschutzklagen über eine Rechtsschutz-Police versichert. Die ARB-Klausel sieht jedoch vor, dass der Versicherer den Rechtsschutz verweigern kann, wenn der Versicherte den Rechtsstreit „vorsätzlich oder rechtswidrig herbeigeführt“ hat.
Nach Ansicht des Gerichts hat der Arbeitnehmer durch seinen Versuch, mit Drohungen Geld von seinem Arbeitgeber zu erpressen, seine Kündigung selbst verursacht und damit auch den Versicherungsfall ausgelöst. Da der Erpressungsversuch mit Wissen und Wollen erfolgte, liege auch Vorsatz vor. Im vorliegenden Fall hatte die Arag zunächst Kostenschutz gewährt und erst im Nachhinein von der vorsätzlichen Straftat erfahren. In einem solchen Fall muss der Kunden nach der genannten ARB-Klausel die gezahlten Anwalts- und Prozesskosten erstatten.
test.de-Kommentar:
Die Gerichtsentscheidung hat praktische Bedeutung, denn verhaltensbedingte Kündigungen werden von Arbeitgebern nicht selten damit begründet, dass der Mitarbeiter vorsätzlich Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben soll. Die ARB-Klausel kann vom Rechtsschutzversicherer so weit ausgelegt werden, dass nicht nur Straftaten im Job, sondern auch weniger gravierende Arbeitspflichtverletzungen zur Versagung des Rechtsschutzes führen.
Beispiel „Heimliche Nebentätigkeit“: Der Mitarbeiter arbeitet nebenher ohne Genehmigung des Hauptarbeitgebers, obwohl der Arbeitsvertrag die Einholung einer Genehmigung für den Nebenjob verlangt. Der Arbeitgeber erfährt davon und kündigt dem Arbeitnehmer. Der Mitarbeiter erhebt Kündigungsschutzklage, seine Rechtsschutzversicherung zahlt wegen des Rechtsverstoßes unter Berufung auf die Ausschlussklausel nicht.
Die Sichtweise des Oberlandesgerichts Dresden ist derzeit herrschende Meinung, aber nicht unumstritten. Es gibt Juristen, die der Ansicht sind, dass die Ausschlussklausel des Paragraf 3 Absatz 5 nur dann greift, wenn zweimal Vorsatz vorliegt: Wenn der Versicherte erstens das Fehlverhalten im Job vorsätzlich begangen hat und ihm zweitens in diesem Moment auch bewusst war (Vorsatz), dass sich ein kostenträchtiger Rechtsstreit anschließen könnte, den der Rechtsschutzversicherer zu bezahlen hat.
Gerade die zweite Voraussetzung wird in der Praxis oft fehlen. Denn in der Regel werden sich Mitarbeiter, die Rechtspflichten im Job verletzten, in diesem Moment überhaupt keine Gedanken über ihre Rechtsschutzversicherung machen. Womöglich bewegt sich die Rechtsprechung künftig in diese Richtung. Wer eine Deckungsverweigerung erhalten hat, kann sich an den Versicherungsombudsmann wenden.
Wichtig: Hat der Rechtsschutzversicherer zunächst Kostenschutz gewährt, obwohl er von der Straftat des Versicherten wusste, kann er im Nachhinein keine Erstattung der Kosten mehr von seinem Kunden verlangen.
Kein Schutz für Streit mit Lebensversicherung nach Widerspruch
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. April 2019
Aktenzeichen: IV ZR 59/18
Rechtsschutzversicherer: Örag
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Örag
Versicherungsbedingungen: ARB 2015 (Stand: 1. Oktober 2015), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 3 Absatz 2 Buchstabe g (Risikoausschluss für Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art)
Streitpunkt: Ein Mann schließt 2004 eine fondsgebundene Rentenversicherung ab. Eine solche Rentenversicherung zeichnet sich dadurch aus, dass die Einzahlungen zum Teil in Investmentfonds fließen, und die Höhe der späteren Rente damit auch von der Entwicklung am Kapitalmarkt abhängt.
Viele Jahre später erfährt der Mann, dass der Versicherer ihn bei Abschluss der Rentenversicherung nicht korrekt über sein Widerspruchsrecht informiert hat. Im Februar 2016 erklärt er den Widerspruch und verlangt vom Rentenversicherer alle seine Einzahlungen zurück (rund 9 600 Euro). Weil der Rentenversicherer sich weigert, will er ihn verklagen. Dafür möchte er seine im Januar 2016 beim Versicherer Örag abgeschlossene Rechtsschutz-Police in Anspruch nehmen.
Doch die Örag lehnt die Deckung unter Hinweis auf den Risikoausschuss in Paragraf 3 Absatz 2 Buchstabe g ab. Danach sind „Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art“ vom Rechtsschutz ausgenommen. Versicherungskunde und Örag streiten darum, ob die fondsgebundene Rentenversicherung ein Kapitalanlagegeschäft im Sinne dieser Ausschlussklausel ist.
Entscheidung des Gerichts: Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet, dass die Örag keinen Kostenschutz für den Streit mit dem Rentenversicherer gewähren muss. Nach Ansicht der Richter ist die fondsgebundene Rentenversicherung ein „Kapitalanlagegeschäft“ im Sinne der Örag-Ausschluss, weil der Versicherungsnehmer über die Investmentfonds an den Chancen des Kapitalmarktes teilhaben will.
test.de-Kommentar: Steht bei einer Lebensversicherung der Aspekt der Geldanlage nicht im Vordergrund, ist sie auch kein „Kapitalanlagegeschäft“. Bei einer normalen Risikolebensversicherung etwa steht der Aspekt der Absicherung im Vordergrund (Absicherung des Partners etwa für den Fall des eigenen Todes). Daher dürften Örag-Kunden für Streitigkeiten mit ihrem Lebensversicherer Rechtsschutz haben.
Kunden anderer Rechtsschutzversicherer, die eine Absage in vergleichbarer Situation bekommen haben, sollten die Entscheidung ihres Rechtsschutzversicherers nicht hinnehmen, sondern Beschwerde beim Versicherungsombudsmann einlegen. Lautet der Kapitalanlage-Ausschluss nur ein bisschen anders als bei der Örag, besteht womöglich doch Rechtsschutz.
So vertritt der Versicherungsombudsmann die Ansicht, dass die fondsgebundene Lebensversicherung nicht unter einen Ausschluss fällt, der so formuliert ist: [Nicht versichert sind Streitigkeiten] „...in ursächlichem Zusammenhang mit...dem Ankauf...von Beteiligungen (z.B. an Kapitalanlagemodellen, stille Gesellschaften, Genossenschaften)“.
Eine solche Klausel hat in der Vergangenheit zum Beispiel der Rechtsschutzversicherer BGV verwendet. Kunden, denen unter Berufung auf diese Klausel Rechtsschutz für den Streit um eine fondsgebundene Lebensversicherungs verweigert wurde, konnte der Versicherungsombudsmann laut Jahresbericht 2019 (Seite 29) zu Rechtsschutz verhelfen.
Wichtig: Der Risikoausschluss, über den der BGH entschieden hat, befindet sich auch noch in aktuellen Örag-Policen. Er ist einer der Gründe, weswegen die Rechtsschutzversicherung der Örag im Vergleich Rechtsschutzversicherungen (Stand: 1. Januar 2020) nicht gut abgeschnitten hat. Einige der mit Gut bewerteten Rechtsschutzversicherungen bezahlen Rechtsärger im Zusammenhang mit Kapitalanlagen wenigstens teilweise.
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- Das Internetportal Mieterengel.de vermittelt Anwälte zur Rechtsberatung und bietet Rechtsschutz. Die Stiftung Warentest hat das Angebot unter die Lupe genommen.
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- Das Internetportal Conny.de bietet außer Rechtsdurchsetzung auch Mieterschutz mit Beratung und Prozesskostenschutz. test.de hat das Angebot unter die Lupe genommen.
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- Das Internetportal Mineko.de bietet die Prüfung von Nebenkostenabrechnungen, Mustertexte und Tipps für den Streit mit dem Vermieter an.
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@Grummelbär: Ohne konkret zu wissen, aus welchem Grund es zum Rechtsstreit mit dem Haftpflichtversicherer / Hausratversicherer kommt, kann man natürlich auch nicht sagen, ob es für diesen Rechtsstreit einen Deckungsschutz gibt. Wenn sie einen Vertrag, der beim Kriterium „Schutz, wenn Streit vor Abschluss der Police durch den Kunden ausgelöst wurde“ ein grünes Häkchen hat, haben Sie ausreichend genug vorgesorgt. Beim Thema „Vorvertraglichkeit“ ist es immer wichtig, dass der Vertragsabschluss noch bevor sich der Rechtsstreit anbahnt, abgeschlossen wurde. Ist z.B. der Schaden schon eingetreten, aber hat man noch keine rechtlichen Schritte eingeleitet, ist es in der Regel zu spät, um über einen neuen Vertrag den Rechtsstreit mit abzudecken.
@Klippenland: Auch wenn es sehr ärgerlich ist, dass Sie HUK telefonisch so schlecht erreichen spielen gute Versicherungsbedingungen eine wichtige Rolle. Kommt es zum Streit mit dem Versicherer über die Verpflichtung zur Kostenübernahme zu einem Streit, stärkt ein Vertrag mit verbraucherfreundliche Klauseln Ihre Rechtsposition. Klar möchte man zusätzlich auch einen guten Service.
Die Gründe für die Ablehnung der Kostenübernahme durch die HUK würden uns interessieren. Wenn Sie möchten, dann können Sie uns das Schreiben per Post zu senden:
finanztest@stiftung-warentest.de
Hallo,
ich finde im aktuellen Test nichts zu dem, was mit "Einjahresregel" und "Verzicht auf die Einrede der Vorvertraglichkeit" bezeichnet wird. Oder ist damit der Prüfpunkt "Schutz,
wenn Streit vor Abschluss der Police durch Kunde ausgelöst wurde" gemeint?
Ich möchte eine Rechtschutzversicherung auch für den Fall haben, dass meine Privathaftpflicht oder Hausratversicherung in einem Versicherungsfall nicht würde zahlen wollen und sich dabei auf irgendetwas beziehen würde, was bei Vertragsabschluss bereits vorlag.
Auf welchen Prüfpunkt in ihrem Test muss ich dabei achten?
Falls es hier bei einer Versicherung keinen Schutz gibt, bliebe ansonsten ja nur noch, alle genannten Versicherungen nach Abschluss der Rechtschutzversicherung ebenfalls neu abzuschließen, oder?
Nicht nur meine Erfahrungen mit der HUK sind negativ. Auch zeigen die Rezensionen vieler anderer Kunden das gleiche Bild. Eine gute Note nur für die Papierform? Erreichbarkeit im Schadensfall = Null. Kostenübernahme trotz eingehaltener Vertragsbedingungen= Zweifelhaft. Was soll so eine Versicherung nutzen? Natürlich kann man direkt zu einem Anwalt gehen, der sich mit der HUK auseinandersetzt. Doch nach meiner Erfahrung verlangen die eine sofortige Kostenübernahme durch den Klienten, da der Weg über die HUK oft ins Leere führt.
@Bernd.NRW: Der Tarif der Huk, Huk Coburg PBV Pus wurde mit 2,2 bewertet. Kann es sein, dass Sie ihn mit dem Tarif PBV (3,1) verwechseln?