Das leistet die Rechtsschutzversicherung

Rechtsschutzversicherungen im Vergleich: Die Leistungsunterschiede sind enorm. Empfehlenswerte Angebote bieten Rechtsschutz in möglichst vielen Lebenslagen und arbeiten nicht mit nachteiligen Klauseln.
Keine Rechtsschutzversicherung zahlt in allen Lebenslagen. Die Stiftung Warentest hat daher jene Rechtsschutzpolicen positiv bewertet, die möglichst viel Kostenschutz für die Lebensbereiche Privat, Beruf und Verkehr gewähren und auf verbraucherunfreundliche Versicherungsbedingungen verzichten. Hier lesen Sie, welchen Grundstandard alle untersuchten Policen bieten und wo schwerwiegende Tücken im Kleingedruckten stecken können.
Verträge
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Ärger mit Handwerkern über mangelhafte Arbeit.
- Streit mit Reiseveranstaltern über Mängel im Urlaubshotel oder mit Airlines um Entschädigung für Verspätung oder Flugannullierung.
- Hilfe, wenn Berufsunfähigkeitsversicherung oder private Krankenversicherung nicht zahlen.
- Streit mit dem Verkäufer einer mangelhaften Eigentumswohnung (bei Selbstnutzung).
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Einfordern von Gewinnzusagen (etwa von dubiosen Kaffeefahrtenanbietern).
- Ärger nach Kauf oder Verkauf von Bauland, Planung und Errichtung von Bauvorhaben oder Finanzierung Hausbau.
- Streit um Kapitalanlagen und Kredite.
Unser Testfazit
Der Rechtsschutz-Vergleich der Stiftung Warentest zeigt, dass einige Tarife Rechtsschutz für Kapitalanleger gewähren. Einer der Testsieger etwa gewährt Schutz bei Rechtsärger im Zusammenhang mit Kauf und Verkauf von Aktien und Investmentfonds bis zu einer Anlagesumme von 100 000 Euro.
Beruf
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Ärger um Einstufung in Besoldungsgruppe.
- Hilfe, wenn der Arbeitgeber Urlaub nicht gewährt, Lohn nicht zahlt oder ein unfaires Arbeitszeugnis ausstellt.
- Hilfe für Beamte oder Soldaten, wenn gegen sie ein Disziplinarverfahren läuft.
- Hilfe für Arbeitnehmer bei Abmahnung oder Kündigung, wenn eine Kündigung droht oder der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag anbietet.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Streit wegen einer selbstständigen Tätigkeit.
- Bei Kündigung wegen einer vorsätzlichen Straftat, etwa Diebstahl von Firmeneigentum oder Spesenbetrug.
Wichtig bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen
Einige Rechtsschutzversicherer gewähren in solchen Fällen zunächst Rechtsschutz, damit sich der Versicherte für den Kündigungsschutzprozess einen Anwalt nehmen kann. Im frühen Stadium des Streits steht in der Regel noch gar nicht fest, ob der Beschuldigte die Straftat begangen hat. Allerdings verbinden Rechtsschutzversicherer ihre Deckungszusage dann mit dem Vorbehalt, bezahlte Anwalts- und Gerichtskosten zurückzufordern, sofern später eine strafrechtliche Schuld festgestellt wird. Sieht der Rechtsschutzversicherer eine Straftat als verwirklicht an und verklagt den Versicherten, muss er im Rückzahlungsprozess beweisen, dass der Versicherte eine Straftat begangen hat.
Streit mit dem Finanzamt
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Gerichtlicher Streit um die Anerkennung von Werbungskosten oder Sonderausgaben.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Ärger um die steuerliche Bewertung von Grundstücken und Gebäuden.
- Streit um Erschließungsabgaben.
- Bei vorgerichtlichem Einspruch etwa gegen die Nichtanerkennung von Werbungskosten oder Sonderausgaben.
Unser Testfazit
Viele der im Test mit Gut oder Befriedigend bewerteten Rechtsschutzversicherungen bezahlen anwaltliche Hilfe bereits im vorgerichtlichen Einspruchsverfahren.
Verkehrsrecht
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Autokauf: Streit mit dem Verkäufer über verschwiegene Mängel am Auto (Beispiel: Unfallwagen).
- Streit um Entzug der Fahrerlaubnis.
- Fahrtenbuchauflage oder psychologischen Test (MPU) verhindern.
- Hilfe beim Durchsetzen von Ansprüchen auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld gegenüber Unfallverursacher.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Bei Knöllchen wegen Falschparkens. Allerdings gibt es einige wenige Verkehrsrechtsschutzversicherungen, die einen Streit rund ums Bußgeld übernehmen, wenn dem Fahrer zusätzlich auch ein Punkt in Flensburg droht.
- Abwehr von Schadenersatzansprüchen eines Unfallopfer. Das übernimmt die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers.
- Bei schweren Straftaten im Straßenverkehr, etwa bei einem Mordvorwurf nach einem illegalen Autorennen.
- Vertragsärger etwa mit Reiseveranstaltern oder Airlines, zum Beispiel wegen Annullierungen oder Verspätungen. Solche Vertragsstreitigkeiten sind nur dann versichert, wenn Kunden auch den Baustein „Privat“ gebucht haben. Nicht aber, wenn jemand nur die Verkehrsrechtsschutzversicherung als Einzelpolice abgeschlossen hat.
Unser Testfazit
Verkehrsrechtsschutz bekommen Sie als Teil des Rechtsschutz-Pakets PBV (Privat, Beruf, Verkehr) oder als Einzelpolice. Die Stiftung Warentest hat die Leistungen und Preise von 15 Verkehrsrechtsschutzversicherungen verglichen und empfehlenswerte Angebote gefunden.
Sozialrecht
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Hilfe bei gerichtlichem Streit um eine Kur auf Kosten der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung.
- Hilfe bei gerichtlichem Streit um eine bessere Pflegestufe.
- Bei Prozess um Anerkennung einer Erwerbsminderung oder eines Arbeitsunfalls (Wegeunfall).
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Im vorgerichtlichen Widerspruchsverfahren, etwa wenn eine Kur von der Kasse abgelehnt wird.
- Bei Ärger rund ums Bafög.
Unser Testfazit
Einige der Rechtsschutzversicherungen, die im Test mit Gut oder Befriedigend abgeschnitten haben, bieten allgemeinen Verwaltungs-Rechtsschutz, der auch Streit rund ums Bafög abdeckt. Bafög gehört zwar zum Sozialrecht, Streitigkeiten werden aber vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen.
Viele der gut bewerteten Rechtsschutzversicherungen im Test heben sich zudem positiv ab, indem sie bei Streit mit einer Sozialbehörde Anwaltskosten schon für Hilfe im vorgerichtlichen Widerspruchsverfahren übernehmen.
Schadenersatzforderungen
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Hilfe beim Einfordern von Schadenersatz, etwa, wenn der Rechtsschutzkunde von einem Hund gebissen oder sein Eigentum beschädigt wird.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Wenn Hundebesitzer sich gegen Ansprüche von Personen wehren wollen, die vom Hund gebissen wurden. Hier bekommen Tierhalter Unterstützung von ihrer Tierhalterhaftpflichtversicherung.
- Sonstige Abwehr von Schadenersatzansprüchen. Bei Ärger rund um das Urheberrecht gibt es in der Regel keinen Rechtsschutz, etwa nach einer Abmahnung wegen illegalem Download von Musik oder Filmen. Inzwischen gibt es einige Rechtsschutzversicherungen, die in diesen Fällen doch eine anwaltliche Erstberatung oder sogar darüber hinaus zahlen.
Familie und Erbe
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Einmalige Beratung bei akuten Fragen zu Unterhalt, Versorgungsausgleich, Sorgerecht oder Annahme einer Erbschaft.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Anwaltliche Hilfe, die über die Erstberatung hinausgeht – etwa Schriftverkehr oder gerichtliche Vertretung in allen Fragen des Familien- und Erbrechts.
Unser Testfazit
Viele Rechtsschutz-Policen, die im Test mit der Note Gut abgeschnitten haben, bezahlen über die Erstberatung hinaus Anwaltskosten von bis zu 1 000 Euro bei Fragen rund um Erbschaft und (teilweise) Scheidung.
Strafrecht
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung
- Streit um ein Verkehrsdelikt wie Unfallflucht oder Alkohol am Steuer.
- Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit (Fahren ohne Gurt, Lärmbelästigung).
- Verteidigung gegen den Vorwurf, ein Vergehen fahrlässig begangen zu haben (leichtfertige Steuerverkürzung, einfache Körperverletzung). Wird dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Vergehen vorgeworfen, hat er zunächst keinen Rechtsschutz. Er bekommt ihn aber rückwirkend, wenn das Gericht ihn freispricht oder nur wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens verurteilt – oder das Verfahren ganz einstellt.
Hier zahlt die Rechtsschutzversicherung nicht
- Strafverfahren bei reinen „Vorsatzdelikten“ wie Diebstahl, Betrug, Beleidigung und Nötigung.
- Verbrechen wie Mord und Raub. Diese Strafverfahren sind nicht rechtsschutzversichert, selbst wenn sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft später als unberechtigt herausstellt oder das Gericht den Angeklagten freispricht. Ein Freigesprochener bekommt notwendige Auslagen wie Verteidigerkosten von der Staatskasse erstattet.
- Verteidigung gegen den Vorwurf einer fahrlässig begangenen Straftat, wenn ein Gericht am Ende rechtskräftig feststellt, dass der Versicherte die Tat vorsätzlich begangen hat. Dieser hat nach Aufnahme der Ermittlungen zunächst Rechtsschutz, verliert ihn aber, sobald die Ermittlungsbehörden ihm vorsätzliches Handeln vorwerfen.
Beispiel: Dem Versicherungsnehmer wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Nach einer Zeugenaussage stellt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf auf vorsätzliche Körperverletzung um. Ab diesem Zeitpunkt entfällt der Rechtsschutz.
Zwei Klauseln im Detail
Jede Rechtsschutzversicherung muss in den Versicherungsbedingungen definieren, was als versicherter Fall gilt und was nicht. Die Versicherungsunternehmen haben hier Gestaltungspielraum, weil der Versicherungsfall nicht gesetzlich definiert ist.
Der „verstoßunabhängige Rechtsschutzfall“
Für Kunden, die erstmals eine Rechtsschutzversicherung abschließen, spielt die Definition des sogenannten „verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls“ eine große Rolle. Ist diese nachteilig formuliert, kann der Versicherer etwa bei wichtigen Vertragsstreitigkeiten Kostenschutz verweigern.
Faire Regelung des Versicherungsfalls. Die Definition des Versicherungsfalls ist in den Vertragsbedingungen oftmals unter einer Überschrift wie „Voraussetzungen für den Anspruch auf Versicherungsschutz“ zu finden. Eine faire Definition des „verstoßabhängigen“ Versicherungsfalls ist in etwa so formuliert (die entscheidende Stelle kursiv):
„Sie haben Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn ein Rechtsschutzfall eingetreten ist. Diesen Anspruch haben Sie aber nur, wenn der Rechtsschutzfall nach Beginn und vor Ende des Versicherungsschutzes für den betroffenen Bereich eingetreten ist. Der Rechtsschutzfall ist: Im Schadenersatz-Rechtsschutz..., im Beratungsrechts-Rechtsschutz... In allen anderen Fällen der Zeitpunkt, in dem Sie oder ein anderer gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen haben oder verstoßen haben sollen.“
Nachteilige Regelung des verstoßabhängigen Versicherungsfalls: Eine nachteilige Definition des verstoßabhängigen beginnt in der Regel wie die oben zitierte Formulierung, erweitert diese aber um Erläuterungen zur Frage, was gilt, wenn im Rahmen des Streits mehrere mutmaßliche Rechtsverstöße im Raum stehen (also nicht nur der Versicherte seinem Streitgegner Vorwürfe macht, sondern auch der Streitgegner dem Versicherten). Eine nachteilige Klausel ist etwa so formuliert: „Sollen Rechtsverstöße wechselseitig (das heißt von Ihnen und vom Gegner) begangen worden sein, werden die Verstöße beider Parteien berücksichtigt.“
Wie sich die faire und die nachteilige Klausel in einem konkreten Fall auswirken, sei an folgendem Beispiel dargestellt:
Beispiel Mietkaution: Ein Mieter schließt im Januar 2018 eine Rechtsschutzversicherung ab. 2020 kündigt er die Wohnung und verlangt die Mietkaution von der Vermieterin zurück. Doch diese zahlt nicht. Sie behauptet, dass dem Mieter keine Mietkaution zustehe, weil dieser eine Nebenkostennachzahlung aus dem Herbst 2017 noch nicht überwiesen habe.
Ist der Mieter bei einem Anbieter mit einer nachteiligen Regelung des Versicherungsfalls rechtsschutzversichert, kann das Unternehmen dem Mieter Rechtsschutz für Ärger um die Kaution verweigern. Nachteilige Klauseln erlauben es Versicherern, für die zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls auch die Behauptungen des Streitgegners zu berücksichtigen. Danach zählt für die Entscheidung über den Rechtsschutz im Beispielsfall also auch, was die Vermieterin dem Mieter vorwirft: angeblich nicht bezahlte Nebenkostennachzahlungen aus 2017.
Im Jahr 2017 hatte der Mieter noch keine Versicherung. Also erhält er beim Anbieter mit nachteiliger Klausel keinen Rechtsschutz.
Wohlgemerkt: Auf Basis von Behauptungen des Gegners kann der Versicherer seinem Kunden Rechtsschutz verweigern. Betroffene überrascht es teilweise sehr, wenn sich ihr eigener Rechtsschutzversicherer auf die womöglich falschen Vorwürfe der Gegenseite bezieht, um dann den Kostenschutz abzulehnen.
Wenn Sie das Thema vertiefen wollen: Der Bundesgerichtshof hat zum “verstoßunabhängigen Rechtsschutzfall“ Entscheidungen getroffen: BGH, Az. IV ZR 23/12 und BGH, Az. IV ZR 195/18).
Unser Testergebnis: In unser Qualitätsurteil ist eingeflossen, ob Anbieter solche nachteiligen Klauseln anwenden. Bei einigen Unternehmen hat das im Vergleich zu früheren Tests zu einer Verschlechterung der Note geführt. Andere Vergleichsportale im Internet bewerten den Punkt „Regelung des Versicherungsfalls“ nicht. So kann es dazu kommt, dass Angebote, die bei uns nicht so gut abschneiden, dort eine bessere Note haben.
Verbraucherfreundliche „Einjahresregel“
Zu überraschenden Leistungsablehnungen kann es auch kommen, wenn sich in den Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung als Ergänzung der Definition des verstoßabhängigen Versicherungsfalls keine sogenannte Einjahresregel befindet. Das kann sich negativ für Kunden auswirken, wenn sie Kostenschutz für einen Rechtsstreit wünschen, der über einen längeren Zeitraum entstanden ist durch aufeinander aufbauende mutmaßliche Rechtsverstöße und dessen erste Streitursache länger als ein Jahr vor der Abschluss der Rechtsschutzversicherung zurückliegt.
Wenn eine Rechtsschutz-Police eine Einjahresregel enthält, finden Kunden diese in der Regel hinter der Definition des „verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls“ unter dem Punkt „mehrere Rechtsverstöße“. Sie lautet in etwa so: „Unberücksichtigt [zur Bestimmung des Rechtsschutzfalls; Ergänzung von test.de] bleiben dabei zu Ihren Gunsten tatsächliche oder behauptete Verstöße, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes zurückliegen.“
Die meisten Anbieter arbeiten mit einer solchen Einjahresregel. Welche Nachteile es haben kann, wenn Kunden bei einem Rechtsschutzversicherer ohne Einjahresregel abgeschlossen haben, zeigt dieses Beispiel:
Beispiel Führerscheinentzug. Im Jahr 2018 begeht ein Autofahrer ein Verkehrsdelikt und bekommt Punkte in Flensburg. Im Januar 2020 schließt er eine Police mit Verkehrsrechtsschutz ab. In den folgenden zwei Jahren kommt es zu weiteren sechs mutmaßlichen Verkehrsverstößen. Die sieben Verstöße ergeben acht Punkte in Flensburg. Dem Fahrer wird der Führerschein entzogen. Dagegen will er sich auf Kosten der Rechtsschutzversicherung wehren.
Hat der Fahrer einen Versicherungsvertrag mit einer nachteiligen Definition des verstoßabhängigen Versicherungsfalls und ohne Einjahresregel, kann der Versicherer Kostenschutz ablehnen, da der Streit um den Führerschein auf ein Ereignis aus dem Jahr 2018 zurückgeht, dass weit vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung liegt („Einwand der Vorvertraglichkeit“). Wer zu einer Versicherung mit Einjahresregel geht, steht besser da. Hier bleiben die mehr als ein Jahr vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung liegenden Ereignisse für die Leistungsfrage außer Betracht.
Unser Testergebnis: Unser Test zeigt, welche Versicherungen mit einer verbraucherfreundlichen Definition des Versicherungsfalls und mit der Einjahresregel arbeiten.
Tipp: Für alle, die sich in weitere Feinheiten der Rechtsschutzversicherung vertiefen wollen: Die Versicherungs-Experten der Stiftung Warentest haben eine Urteils-Datenbank Rechtsschutz aufgebaut, die kontinuierlich weiterentwickelt wird.
Urteile zur Rechtsschutzversicherung
Schicken Sie uns Ihre Urteile!
Da nicht jede Entscheidung in der juristischen Fachliteratur veröffentlicht wird, würden sich die Rechtsexperten der Stiftung Warentest freuen, wenn Versicherungskunden und Anwälte, die an Rechtsschutz-Klagen beteiligt waren, eine Kopie der Entscheidung an sie schicken würden. Auch an Schlichtungsentscheidungen des Versicherungsombudsmanns sind sie interessiert. Senden Sie die Entscheidung bitte per E-Mail an Michael Sittig oder Christoph Herrmann. Die Namen der Versicherungskunden werden selbstverständlich vertraulich behandelt.
Rechtsschutz für Schadenersatz-Klagen gegen Autohersteller wegen illegaler Motorsteuerung
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 12. Juli 2019
Aktenzeichen: 3 O 381/18
Rechtsschutzversicherer: ADAC-Rechtsschutz Versicherungs-AG
Anwalt des Rechtsschutzkunden:KAP Rechtsanwaltsgesellschaft, München
Gewinner: Versicherter
Versicherungsbedingungen: Verkehrsrechtsschutz, unbekannter Stand der Bedingungen, entscheidende Regelung: Leistung nur bei Erfolgsaussicht
Streitpunkt: Der Besitzer eines Mercedes GLK 220 CDI 4Matic Blue Efficiency fordert von Daimler Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Kraftfahrbundesamt hat etliche Autos des Typs wegen illegaler Motorsteuerung zurückgerufen. Der Wagen des Klägers gehört allerdings nicht dazu. Der ADAC berichtete: Die Behörde prüft jetzt, ob weitere Autos des Typs betroffen sind. Die Anwälte des Klägers behaupten: Auch seinen Wagen habe Daimler mit Absicht mit einer Motorsteuerung versehen, die das Abgas nur bei den Prüfstandversuchen für die Typzulassung so reinigt, dass die Grenzwerte insbesondere für den Stickoxidausstoß eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb stoße der Motor viel mehr Stickoxid aus als zulässig. Der ADAC Rechtsschutz verweigerte die Leistung, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Es gebe keine konkreten Beleg für illegale Mechanismen in der Motorsteuerung.
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht verurteilte: Der ADAC Rechtsschutz muss zahlen. Aussicht auf Erfolg habe eine Rechtsverfolgung schon dann, wenn Tatsachen vorgetragen sind, die die Forderung des Klägers rechtfertigen würden. Ob der Beweis dieser Tatsachen später gelingt, spielt keine Rolle. Der Kläger muss auch nicht zu Einzelheiten wie dem Zeitpunkt der Manipulation der Motorsteuerung vortragen, über die er nichts wissen kann.
test.de-Kommentar: Im Zuge des Abgasskandals klagen Tausende Autobesitzer auf Kosten der Rechtsschutzversicherer auf Schadenersatz. Viele Rechtsschutzversicherer verweigern Autobesitzern, deren Wagen das Kraftfahrtbundesamt nicht offiziell zurückgerufen hat, die Übernahme der Kosten. Für berechtigt halten die Juristen bei test.de die Verweigerung der Leistung nur, wenn feststeht, dass das Kraftfahrtbundesamt alle Einzelheiten der fraglichen Motorsteuerung kannte und die Beamten sie für zulässig hielten. So ist es jedoch allenfalls in wenigen Einzelfällen, in denen der Autohersteller die Motorsteuerung erst nach Bekanntwerden des VW-Skandals im September 2015 entwickelt hat. Ansonsten behandeln Autohersteller die Motorsteuerung als Betriebsgeheimnis und teilen der Typzulassungsbehörde nur die Ergebnisse der Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes mit.
Landgericht München, Urteil vom 30. Dezember 2019
Aktenzeichen: 26 O 827/19
Rechtsschutzversicherer: Rechtsschutz Union (ehemalige Marke der Alte Leipziger Versicherung), 2018 übernommen von der Itzehoer Versicherung.
Anwalt des Rechtsschutzkunden:KAP Rechtsanwaltsgesellschaft, München
Gewinner: Versicherter
Versicherungsbedingungen: Verkehrsrechtsschutz, ARB-RU 2013, entscheidende Regelung: § 3a Abs. 1 a) Mangelnde Erfolgsaussicht und § 3a Abs. 2 Stichentscheid
Streitpunkt: Der Besitzer eines Mercedes C 250 CDI Blue Efficiency, erworben im März 2015 direkt vom Hersteller, will Sachmangelrechte geltend machen und Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung fordern. Die Anwälte des Klägers behaupten: Daimler habe den Wagen mit Absicht mit einer Motorsteuerung versehen, die das Abgas nur bei den Prüfstandversuchen für die Typzulassung so reinigt, dass die Grenzwerte insbesondere für den Stickoxidausstoß eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb stoße der Motor viel mehr Stickoxid aus als zulässig. Der Versicherer verweigerte die Leistung. Ihrer Meinung nach habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Die Forderung sei verjährt und es gebe keine Belege für eine illegale Motorsteuerung. Sie verwies auf den so genannten Stichentscheid. Die Anwälte des Versicherten können auf Kosten des Versicherers dazu Stellung nehmen, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und dies begründen. Wenn sie es tun, dann bindet die Entscheidung den Versicherer, sofern sie nicht offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht. Die Klägeranwälte nahmen Stellung und sahen ausreichende Aussicht auf Erfolg. Trotzdem blieb der Versicherer bei seiner Ablehnung. Die Stellungnahme genüge nicht den Anforderungen an einen Stichentscheid.
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht verurteilte: Die Rechtsschutz Union muss zahlen. Der Stichentscheid der Kläger-Anwälte binde den Versicherer. Eine erhebliche Abweichung des Stichentscheids von der wirklichen Sach- und Rechtslage liege vor, wenn die gutachterliche Stellungnahme die Sach- und Rechtslage „gröblich oder erheblich“ verkennt. „Offenbar“ ist eine solche Abweichung aber nur, wenn sie sich dem Sachkundigen, wenn auch erst nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit aufdrängt. Vertritt ein Rechtsanwalt hingegen von mehreren Rechtsansichten diejenige, die zwar nicht der herrschenden Ansicht entspricht, aber doch nicht ganz abwegig erscheint, dann weicht seine Meinung noch nicht „offenbar“ von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. Nach diesem Maßstab sei der Stichentscheid der Kläger-Anwälte nicht zu beanstanden.
test.de-Kommentar: In Abgasskandal-Fällen kommt es oft auf den so genannten Stichentscheid des Kläger-Anwalts zur Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage an. Dabei stellen die Versicherer immer wieder wie hier die Rechtsschutz Union höhere Anforderungen als die Gerichte.
Rechtsschutz für Klage gegen Ex-Partner („Heiratsschwindler“)
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 15. April 2020 (nicht rechtskräftig)
Aktenzeichen: 3 O 252/19
Rechtsschutzversicherer: DEVK
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: DEVK
Versicherungsbedingungen: ARB 2014 (Stand: 01.01.2016), entscheidende ARB-Klausel: Ziffer 3.2.21
Streitpunkt: Eine junge Frau will ihren ehemaligen Lebensgefährten auf Schadensersatz wegen dessen krimineller Machenschaften verklagen. Der Mann, den die Frau zu Anfang auch heiraten wollte, hatte während der Beziehung unter anderem Kreditverträge auf ihren Namen abgeschlossen und sie dadurch um 20 000 Euro geprellt. Schadenersatzklagen unterfallen der Leistungsart „Schadenersatz-Rechtsschutz“ und sind eigentlich über jede Rechtsschutzpolice versichert – es sei denn, es greift eine Ausschlussklausel. Genau um eine solche ging es in diesem Fall. Der Rechtsschutzversicherer, die DEVK, verweigerte Kostenschutz unter Hinweis auf eine Ausschlussklausel, die sich in allen Rechtsschutzversicherungen befindet. Danach sind nicht versichert: „Streitigkeiten in ursächlichem Zusammenhang mit nicht ehelichen oder nicht eingetragenen Lebenspartnerschaften. Dies gilt auch, wenn die Partnerschaft beendet ist.“
Entscheidung des Gerichts: Das Gericht wies die Deckungsklage der Frau ab. Streitigkeiten unter Eheleuten sowie unter nichtverheirateten Paaren sind über eine Rechtsschutzversicherung nicht versichert. Das gilt auch für Rechtsärger nach dem Ende einer Beziehung. Das Landgericht Frankenthal sieht auch den für den Risikoausschluss erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Partnerschaft und der Schadenersatzforderung der Frau wegen der rechtswidrig auf ihren Namen abgeschlossenen Kreditverträge.
Der Heiratsschwindler hatte bei der Bank die Auszahlung der Kreditbeträge auf das Konto seiner Freundin veranlasst und diese dann angelogen: das Geld habe er selbst auf ihr Konto überwiesen. Die arglose Frau zahlte die Beträge daher an ihn aus. Nach Ansicht des Landgerichts nutzte der Mann damit das Vertrauensverhältnis aus, um an das Geld zu kommen. Die Partnerschaft stehe, so das Gericht, daher in ursächlichem Zusammenhang zu dem anschließend Streit um die Kreditverträge. Somit seien alle Voraussetzungen geben, damit der Risikoausschluss greife.
test.de-Kommentar: Die betroffene Frau hat Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt.
Rechtsschutz bei Abwehr einer Kündigung durch den Vermieter
Oberlandgericht Köln, Urteil vom 14. Januar 2020
Aktenzeichen: 9 U 54/19
Rechtsschutzversicherer: Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Teils der Rechtsschutzkunde, teils der Rechtsschutzversicherer
Versicherungsbedingungen:ARB 2010 (Stand 1. Oktober 2010), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 4
Streitpunkt: Ein rechtsschutzversicherter Mieter führt mit seinem Vermieter drei Mietrechtsprozesse. Für diese drei Prozesse begehrt er von seinem Rechtsschutzversicherer Kostenschutz, den dieser jedoch weitgehend ablehnt. Um folgende Prozesse ging es:
- Erster Streit: der Vermieter verklagt den Mieter auf Räumung des Mietobjekts wegen nicht bezahlter Mieten und auf Zahlung dieser Mieten. Der Mieter behauptet, dass er die Mieten mit anderen noch offener Forderungen gegen den Vermieter verrechnet habe und diesem deshalb auch nichts mehr schulde. Die Kündigung wegen der Mietschulden sei folglich auch rechtswidrig.
- Zweiter Streit: Mieter verklagt seinen Vermieter auf Schadenersatz wegen eines Wasserschadens in den Mieträumen. Er wirft dem Vermieter vor, dass er diesen früh auf Mängel in der Dachabdeckung hingewiesen habe, dieser aber nichts unternommen habe und dadurch am Ende der Wasserschaden entstanden sei.
- Dritter Streit: Schadenersatzklage des Mieters wegen eines zweiten Wasserschadens. Der rechtsschutzversicherte Mieter begründet seine Klage wie bei der ersten Wasserschaden-Klage.
Die drei genannten Mietrechtsstreitigkeiten sind an sich über jede Rechtsschutz-Police, die Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz mit einschließt, abgedeckt. Allerdings hat ein Rechtsschutzkunde nur dann Kostenschutz, wenn der Rechtsstreit nach Abschluss und vor Ende der Rechtsschutzversicherung eingetreten ist. Das war in hier allen drei Mietrechtsstreitigkeiten problematisch.
Bei Streit 1 (Räumungs- und Zahlungsklage des Vermieters) hatte der Vermieter die Kündigung des Mietvertrages zum Teil auf Mietrückstände gestützt, die in der dreimonatigen Wartezeit der Rechtsschutzversicherung entstanden waren. In der Wartezeit sind Rechtsschutzkunden nicht versichert. Das Oberlandesgericht Köln hatte zu entscheiden, ob der Rechtsstreit nun schon mit der Entstehung der Mietschulden in der Wartezeit entstanden war, und damit nicht versichert war.
Bei Streit 2 und 3 (Schadenersatzklage wegen Wasserschaden) hatte der Mieter seine Klage damit begründet, dass der Vermieter trotz früher Mängelanzeige nichts gegen die Mängel in den Mieträumen getan habe und durch seine Untätigkeit der Wasserschaden entstanden sei. Die Anzeige der Mängel hatte der Mieter zu einem Zeitpunkt vorgenommen, an dem er noch nicht rechtsschutzversichert war. Der Wasserschaden selbst war hingegen nach Abschluss der Rechtsschutzversicherung entstanden.
Entscheidung des Gerichts: Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass der Paragraf 4 der Roland-ARB 2010 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa Az. IV ZR 214/14 und Az. IV ZR 195/18) so auszulegen ist: Der Rechtsschutzfall bestimmt sich allein nach den Vorwürfen, die der Rechtsschutzkunde (hier der Mieter) seinem Gegner (hier der Vermieter) macht. Die Vorwürfe des Gegners (hier der Vermieter) bleiben bei der zeitlichen Einordnungen des Versicherungsfalls unberücksichtigt. Das bedeutet für die drei Fälle:
- Fristlose Kündigung wegen angeblicher Mietschulden (Streit 1): Nach Ansicht des Gerichts genießen Mieter bei einer fristlosen Kündigung wegen angeblicher Mietschulden dann Rechtsschutz, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung rechtsschutzversichert sind. Sie müssen nicht schon zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Kündigungsgründe (Entstehung der Mietschulden) eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Im konkreten Fall fielen einige der vom Mieter nicht gezahlten Mieten, mit denen der Vermieter später seine Kündigung begründete, in die (nicht versicherte) Wartezeit der Rechtsschutzversicherung des Mieters. Das ist nach Ansicht des Gerichts aber unerheblich.
- Schadenersatz wegen Wasserschaden durch untätigen Vermieter (Streit 2 und 3): Hier kommt es für die zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls nicht auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts (zu diesem Zeitpunkt war der Mieter rechtsschutzversichert), sondern auf den Moment, in dem der Vermieter trotz Mängelanzeige (Aufforderung zur Behebung des Dachschadens) untätig geblieben war. Da der Mieter noch ohne Rechtsschutzversicherung war, als er den Vermieter auf den Dachschaden aufmerksam gemacht hatte, erklärte das Oberlandesgericht die Deckungsablehnungen der Roland für die beiden Wasserschaden-Prozesse der Roland für rechtmäßig.
test.de-Kommentar:
Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG arbeitet in neueren Versicherungsbedingungen mit einer anderen Klausel. Was in den ARB von 2010 in Paragraf 4 geregelt war, steht jetzt in Paragraf 9.2 (ARB 2020, Stand: 29. Januar 2020). Der Wortlaut der Klausel hat sich nach Ansicht der Stiftung Warentest verschlechtert. Kunden, die neue Roland-Verträge mit den ARB 2020 abschließen, hätten für einen Streit wie im obigen Fall 1 (fristlose Kündigung wegen angeblicher Mietschulden) wohl keinen Rechtsschutz mehr. Denn die neue Roland-Klausel sieht vor, dass für die zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalls stets auch die Vorwürfe des Gegners berücksichtigt werden.
Es gibt zwar Juristen, die Zweifel an der Wirksamkeit solcher Klauseln haben. Gerichtsurteile dazu sind uns aber noch nicht bekannt. In unserem aktuellen Vergleich Rechtsschutzversicherung haben wir Rechtsschutzangebote mit solchen nachteilhaften Klauseln abgewertet. Angebote, die in unserem Test Rechtsschutzversicherungen mit Gut abgeschnitten haben, beinhalten verbraucherfreundliche Klauseln zur Bestimmung des Rechtsschutzfall.
Wichtig: Verschlechtert ein Anbieter die Versicherungsbedingungen in neuen Verträgen, betrifft das die Bestandskunden mit alten Verträgen nicht.
Rechtsschutz für Honorarstreit mit Rechtsanwalt
Amtsgericht Siegburg, Urteil vom 8. Januar 2020
Aktenzeichen: 104 C 12/19
Rechtsschutzversicherer: Rechtsschutz Union (ehemalige Marke der Alte Leipziger Versicherung), 2018 übernommen von der Itzehoer Versicherung
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Rechtsschutzkunde
Versicherungsbedingungen: ARB 2005, entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 4 Absatz 1 und 2 (zeitliche Definition des Versicherungsfalls) sowie Paragraf 3 Absatz 2 g (Leistungssausschluss für familienrechtliche Streitigkeiten)
Streitpunkt: Ein Rechtsschutzkunde hat Ärger mit einem Anwalt, der ihn in einem Scheidungsverfahren vertreten hat. Er findet das Anwaltshonorar zu hoch. Als der Anwalt wegen des Honorars gerichtlich gegen ihn vorgehen will, nimmt er sich einen zweiten Anwalt, der ihn im Honorarstreit vertreten soll. Diese Anwaltskosten soll seine Rechtsschutzversicherung übernehmen. Doch die lehnt eine Kostenübername ab. Der Rechtsschutzkunde verklagt seinen Rechtsschutzversicherer vor dem Amtsgericht Siegburg. Entscheidende Rechtsfragen:
- Leistungsausschluss Familienrecht: Gehört der Streit um das Anwaltshonorar auch zum Bereich des Familienrechts, für den nach den Versicherungsbedingungen der Rechtsschutz Union keine Anwalts- und Prozesskosten übernommen werden (Paragraf 3 Absatz 2 g)?
- Zeitliche Einordnung des Versicherungsfalls: Liegt der Honorarstreit noch in versicherter Zeit, wenn die Rechtsschutzversicherung zwar zum Zeitpunkt der mutmaßlich falschen Anwaltsrechnung abgeschlossen war, aber vom Rechtsschutzkunden gekündigt war, als der Anwalt das Honorar gerichtlich gegen ihn geltend machte?
Entscheidung des Gerichts: Der Scheidungsstreit (eindeutig Familienrecht; vom Rechtsschutzversicherer ausgeschlossen) und der Honorarstreit sind unterschiedliche Dinge. Der Rechtsschutzkunde begehrt nicht für eine familienrechtliche Auseinandersetzung Rechtsschutz, sondern für einen Streit um einen privaten Vertrag, den Anwaltsvertrag. Streitigkeiten rund um private Verträge sind über die Leistungsart Vertrags-Rechtsschutz versichert. Die Rechtsschutz-Police des Kunde beinhaltete Vertrags-Rechtsschutz, weswegen das Gericht den Rechtsschutzversicherer zur Kostenübernahme verurteilte.
Nach Ansicht des beklagten Rechtsschutzversicherers lag der Honorarstreit außerdem in nicht mehr versicherter Zeit. Doch auch das sah das Amtsgericht Siegburg anders: Als der Anwalt das umstrittene Honorar gerichtlich gegen seinen ehemaligen Mandanten geltend machen wollte, war der Mandant zwar nicht mehr rechtsschutzversichert. Dieser Zeitpunkt ist nach Ansicht des Gerichts für die zeitliche Einordnung des Rechtsschutzfalls aber nicht entscheidend. Maßgeblich sei der Moment, in dem der Anwalt die mutmaßlich falsche Rechnung erstmals erstellt hat. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Rechtsschutzversicherung noch.
test.de-Kommentar:
Merkwürdig, dass es in dem Fall zu einem Prozess gekommen ist. Gestritten wurde um lediglich 215,15 Euro. Bevor Verbraucher Klage erheben, sollten sie immer erst einmal die Schlichtungsstelle der privaten Versicherungswirtschaft einschalten: den Versicherungsombudsmann. Dieser beurteilt den Fall auf Basis der Rechtslage und kann den Rechtsschutzversicherer zur Kostenübernahme verpflichten. Der Verbraucher trägt bei dieser Schlichtung kein Kostenrisiko. Er benötigt für das Schlichtungsverfahren auch keinen Anwalt. Geht die Schlichtung zugunsten des Rechtsschutzversicherers aus, kann er immer noch Klage erheben.
Kein Rechtsschutz bei Jobkündigung wegen Erpressungsversuch
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 14. Oktober 2019
Aktenzeichen: 4 W 818/19
Rechtsschutzversicherer: Arag
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Arag
Versicherungsbedingungen: ARB 2005(Stand: Januar 2008), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 3 Absatz 5
Streitpunkt: Ein Arbeitnehmer erhält die außerordentliche Kündigung im Job, weil er eine Straftat begangen haben soll (versuchte Erpressung des Arbeitgebers). Der Arbeitnehmer wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage, für die er von seinem Rechtsschutzversicherer Kostendeckung verlangt (Arbeitsrechtsschutz).
Zunächst sagt der Versicherer die Deckung auch zu und übernimmt die Anwalts- und Prozesskosten der Kündigungsschutzklage. Den Kündigungsschutzprozess verliert der Arbeitnehmer in zwei Instanzen, weil sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitgericht der Überzeugung sind, dass er versucht habe, seinen Arbeitgeber zu erpressen. Nach diesem arbeitsrechtlichen Prozess verlangt der Rechtsschutzversicherer die von ihm gezahlten Anwalts- und Prozesskosten von seinem Kunden zurück.
Entscheidung des Gerichts: Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden kann sich der Rechtsschutzversicherer auf die Ausschlussklausel Paragraf 3 Absatz 5 in den Arag-Versicherungsbedingungen ARB 2005 berufen. Das heißt: Die Arag darf von ihrem Kunden die für den Kündigungsprozess gezahlten Anwalts- und Prozesskosten zurückverlangen. Eigentlich sind Kündigungsschutzklagen über eine Rechtsschutz-Police versichert. Die ARB-Klausel sieht jedoch vor, dass der Versicherer den Rechtsschutz verweigern kann, wenn der Versicherte den Rechtsstreit „vorsätzlich oder rechtswidrig herbeigeführt“ hat.
Nach Ansicht des Gerichts hat der Arbeitnehmer durch seinen Versuch, mit Drohungen Geld von seinem Arbeitgeber zu erpressen, seine Kündigung selbst verursacht und damit auch den Versicherungsfall ausgelöst. Da der Erpressungsversuch mit Wissen und Wollen erfolgte, liege auch Vorsatz vor. Im vorliegenden Fall hatte die Arag zunächst Kostenschutz gewährt und erst im Nachhinein von der vorsätzlichen Straftat erfahren. In einem solchen Fall muss der Kunden nach der genannten ARB-Klausel die gezahlten Anwalts- und Prozesskosten erstatten.
test.de-Kommentar:
Die Gerichtsentscheidung hat praktische Bedeutung, denn verhaltensbedingte Kündigungen werden von Arbeitgebern nicht selten damit begründet, dass der Mitarbeiter vorsätzlich Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben soll. Die ARB-Klausel kann vom Rechtsschutzversicherer so weit ausgelegt werden, dass nicht nur Straftaten im Job, sondern auch weniger gravierende Arbeitspflichtverletzungen zur Versagung des Rechtsschutzes führen.
Beispiel „Heimliche Nebentätigkeit“: Der Mitarbeiter arbeitet nebenher ohne Genehmigung des Hauptarbeitgebers, obwohl der Arbeitsvertrag die Einholung einer Genehmigung für den Nebenjob verlangt. Der Arbeitgeber erfährt davon und kündigt dem Arbeitnehmer. Der Mitarbeiter erhebt Kündigungsschutzklage, seine Rechtsschutzversicherung zahlt wegen des Rechtsverstoßes unter Berufung auf die Ausschlussklausel nicht.
Die Sichtweise des Oberlandesgerichts Dresden ist derzeit herrschende Meinung, aber nicht unumstritten. Es gibt Juristen, die der Ansicht sind, dass die Ausschlussklausel des Paragraf 3 Absatz 5 nur dann greift, wenn zweimal Vorsatz vorliegt: Wenn der Versicherte erstens das Fehlverhalten im Job vorsätzlich begangen hat und ihm zweitens in diesem Moment auch bewusst war (Vorsatz), dass sich ein kostenträchtiger Rechtsstreit anschließen könnte, den der Rechtsschutzversicherer zu bezahlen hat.
Gerade die zweite Voraussetzung wird in der Praxis oft fehlen. Denn in der Regel werden sich Mitarbeiter, die Rechtspflichten im Job verletzten, in diesem Moment überhaupt keine Gedanken über ihre Rechtsschutzversicherung machen. Womöglich bewegt sich die Rechtsprechung künftig in diese Richtung. Wer eine Deckungsverweigerung erhalten hat, kann sich an den Versicherungsombudsmann wenden.
Wichtig: Hat der Rechtsschutzversicherer zunächst Kostenschutz gewährt, obwohl er von der Straftat des Versicherten wusste, kann er im Nachhinein keine Erstattung der Kosten mehr von seinem Kunden verlangen.
Kein Schutz für Streit mit Lebensversicherung nach Widerspruch
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. April 2019
Aktenzeichen:IV ZR 59/18
Rechtsschutzversicherer: Örag
Anwalt des Rechtsschutzkunden: unbekannt
Gewinner: Örag
Versicherungsbedingungen:ARB 2015 (Stand: 1. Oktober 2015), entscheidende ARB-Klausel: Paragraf 3 Absatz 2 Buchstabe g (Risikoausschluss für Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art)
Streitpunkt: Ein Mann schließt 2004 eine fondsgebundene Rentenversicherung ab. Eine solche Rentenversicherung zeichnet sich dadurch aus, dass die Einzahlungen zum Teil in Investmentfonds fließen, und die Höhe der späteren Rente damit auch von der Entwicklung am Kapitalmarkt abhängt.
Viele Jahre später erfährt der Mann, dass der Versicherer ihn bei Abschluss der Rentenversicherung nicht korrekt über sein Widerspruchsrecht informiert hat. Im Februar 2016 erklärt er den Widerspruch und verlangt vom Rentenversicherer alle seine Einzahlungen zurück (rund 9 600 Euro). Weil der Rentenversicherer sich weigert, will er ihn verklagen. Dafür möchte er seine im Januar 2016 beim Versicherer Örag abgeschlossene Rechtsschutz-Police in Anspruch nehmen.
Doch die Örag lehnt die Deckung unter Hinweis auf den Risikoausschuss in Paragraf 3 Absatz 2 Buchstabe g ab. Danach sind „Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art“ vom Rechtsschutz ausgenommen. Versicherungskunde und Örag streiten darum, ob die fondsgebundene Rentenversicherung ein Kapitalanlagegeschäft im Sinne dieser Ausschlussklausel ist.
Entscheidung des Gerichts: Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet, dass die Örag keinen Kostenschutz für den Streit mit dem Rentenversicherer gewähren muss. Nach Ansicht der Richter ist die fondsgebundene Rentenversicherung ein „Kapitalanlagegeschäft“ im Sinne der Örag-Ausschluss, weil der Versicherungsnehmer über die Investmentfonds an den Chancen des Kapitalmarktes teilhaben will.
test.de-Kommentar: Steht bei einer Lebensversicherung der Aspekt der Geldanlage nicht im Vordergrund, ist sie auch kein „Kapitalanlagegeschäft“. Bei einer normalen Risikolebensversicherung etwa steht der Aspekt der Absicherung im Vordergrund (Absicherung des Partners etwa für den Fall des eigenen Todes). Daher dürften Örag-Kunden für Streitigkeiten mit ihrem Lebensversicherer Rechtsschutz haben.
Kunden anderer Rechtsschutzversicherer, die eine Absage in vergleichbarer Situation bekommen haben, sollten die Entscheidung ihres Rechtsschutzversicherers nicht hinnehmen, sondern Beschwerde beim Versicherungsombudsmann einlegen. Lautet der Kapitalanlage-Ausschluss nur ein bisschen anders als bei der Örag, besteht womöglich doch Rechtsschutz.
So vertritt der Versicherungsombudsmann die Ansicht, dass die fondsgebundene Lebensversicherung nicht unter einen Ausschluss fällt, der so formuliert ist: [Nicht versichert sind Streitigkeiten] „...in ursächlichem Zusammenhang mit...dem Ankauf...von Beteiligungen (z.B. an Kapitalanlagemodellen, stille Gesellschaften, Genossenschaften)“.
Eine solche Klausel hat in der Vergangenheit zum Beispiel der Rechtsschutzversicherer BGV verwendet. Kunden, denen unter Berufung auf diese Klausel Rechtsschutz für den Streit um eine fondsgebundene Lebensversicherungs verweigert wurde, konnte der Versicherungsombudsmann laut Jahresbericht 2019 (Seite 29) zu Rechtsschutz verhelfen.
Wichtig: Der Risikoausschluss, über den der BGH entschieden hat, befindet sich auch noch in aktuellen Örag-Policen. Er ist einer der Gründe, weswegen die Rechtsschutzversicherung der Örag im Vergleich Rechtsschutzversicherungen (Stand: 1. Januar 2020) nicht gut abgeschnitten hat. Einige der mit Gut bewerteten Rechtsschutzversicherungen bezahlen Rechtsärger im Zusammenhang mit Kapitalanlagen wenigstens teilweise.
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