
Einige Rechtsschutzversicherer stellen ihren Kunden eine Belohnung in Aussicht, wenn sie im Rechtsschutzfall den Anwalt nicht selbst auswählen. Die Kunden sollen so zu einem empfohlenen Anwalt gelotst werden, was für die Versicherer günstiger ist. Diese Praxis war umstritten. Kritiker befürchteten, dass das Recht auf freie Anwaltswahl verletzt werde. Nun hat der Bundesgerichtshof die Frage geklärt und entschieden: Die Lockangebote sind zulässig.
Versicherer arbeiten mit Anwalts-Netzwerk
Rechtsschutzversicherer wie die Huk-Coburg versuchen, ihren Kunden den Gang zu einem von ihnen empfohlenen Anwalt schmackhaft zu machen. Das Partnernetzwerk der Huk-Coburg etwa besteht aus 1 200 Kanzleien mit deutschlandweit insgesamt 4 300 Rechtsanwälten. Ruft ein Kunde beim Versicherer an, weil er Rechtsrat benötigt, bekommt er auf Wunsch einen Anwalt aus diesem Netzwerk vermittelt. Mit vielen dieser Anwälte hat die Huk-Coburg feste Honorare vereinbart, wenn der Kunde außergerichtlich Hilfe benötigt. Die Kalkulation des Versicherers: Auf lange Sicht kosten die Partneranwälte weniger als frei vom Kunden ausgesuchte Anwälte.
Rechtsanwaltskammer gegen Versicherung
Viele Rechtsschutzversicherte haben einen Tarif mit Selbstbehalt abgeschlossen. Im Rechtsschutzfall müssen sie dann zum Beispiel 150 Euro der Anwalts- und Gerichtskosen selbst zahlen. Bei der Huk-Coburg gilt: Nimmt der Kunde mehrere Jahre die Versicherung nicht in Anspruch, sinkt der Selbstbehalt – auf bis zu Null Euro. Benötigt er anschließend einen Anwalt und sucht sich diesen selbst aus, wird der Kunde beim Selbstbehalt ähnlich wie nach einem Autounfall bei der Autoversicherung „zurückgestuft“. Beim nächsten Rechtsschutzfall hat er also wieder einen Selbstbehalt zu zahlen. Zu dieser Rückstufung kommt es aber dann nicht, wenn der Kunde zu einem von der Huk-Coburg empfohlenen Anwalt geht. Dies hatte die Rechtsanwaltskammer München bemängelt und gegen die Huk-Coburg geklagt. Die Kritik der Kammer: Es werde der Versicherungskunde bestraft, der sich seinen Anwalt selbst aussuche. Dies sei eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf eine freie Anwaltswahl. Der Bundesgerichtshof sah es nun aber anders (Az. IV ZR 215/12).
Nicht jedes Locksystem ist erlaubt
Die Urteilsgründe der Entscheidung sind noch nicht veröffentlicht. Doch aus der Pressemitteilung des Gerichts lässt sich entnehmen, dass die Versicherer nicht jedes Lockmittel einsetzen dürfen, um ihre Kunden zu den Partneranwälten zu lotsen. Das Recht auf eine freie Anwaltswahl werde dann verletzt, „wenn die Vertragsgestaltung einen unzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt“, heißt es in der Pressemitteilung. Ob die Anreizsysteme anderer Rechtsschutzversicherer auch zulässig sind oder unzulässig Druck auf die Auswahlentscheidung des Kunden ausüben, ist noch offen. Der Anbieter Roland Rechtsschutzversicherung etwa verzichtet in den aktuellen Versicherungsbedingungen bei Erstberatungen bis zum Preis von 250 Euro auf den Selbstbehalt – wenn der Kunde zum Roland-Partner-Rechtsanwalt geht und sich der Fall mit der Erstberatung erledigt. Anders als bei der Huk-Coburg spürt der Roland-Kunde es also sofort im Portemonnaie, wenn er sich für oder gegen den Partneranwalt entscheidet.
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