
Finanzgericht im Hamburger Haus der Gerichte im Stadtteil St. Georg.
Haben Sie Ärger mit dem Finanzamt, weil es Ihre Kosten nicht anerkennen will? Wurde Ihr Einspruch bereits abgelehnt? Dann können Sie sich kostenlos Hilfe holen. Die Rechtsantragsstellen an den Finanzgerichten helfen beim Formulieren der Klage und berechnen vorab auch die möglichen Kosten. Finanztest hat einen Tag dem Beamten in der Rechtsantragstelle am Finanzgericht Hamburg über die Schulter geschaut.
Ab acht Uhr klingelt das Telefon
Gleich der erste Anrufer brüllt. Dabei ist es noch nicht einmal acht Uhr, als das Telefon an diesem sonnigen Mittwoch klingelt. In dem kleinen Büro, geschmückt mit Kinderzeichnungen, greift Amtsinspektor Mike Bubolz zum Hörer. Sein frisch aufgebrühter Kaffee dampft noch. Der Anrufer macht seinem Ärger Luft. Bubolz bleibt ruhig und hört aufmerksam zu. Er erfährt: Das Finanzamt hat Gewinn und Umsätze des Hamburger Taxifahrers geschätzt, weil er keine Steuererklärung gemacht hat. Der Mann ist verzweifelt. Sein Umsatz sei viel zu hoch angesetzt. „Das ist ungerecht“, schimpft er.
Offenes Ohr für Steuerzahler

Hilft kostenlos bei Zwistigkeiten mit dem Finanzamt in Hamburg: Steuerbeamte und Amtsinspektor Mike Bubolz.
„Das Finanzamt darf Steuerschätzungen vornehmen, wenn keine Bücher geführt und Belege nicht eingereicht werden“, erklärt Bubolz behutsam. Der 37-Jährige ist der richtige Mann am Hamburger Finanzgericht bei Ärger mit Steuerbehörden. Wer ihn nicht anrufen, sondern in Zimmer 6.45 aufsuchen will, wird vom Empfang in den sechsten Stock des Hochhauses geschickt. Hier in Hamburg hat der Steuersachbearbeiter täglich zwischen neun und fünfzehn Uhr ein offenes Ohr für verärgerte Steuerzahler.
18 Anlaufstellen in Deutschland
Solche Rechtsantragstellen gibt es bundesweit an allen 18 Finanzgerichten. Auch wenn der Begriff sperrig ist, versteckt sich dahinter eine Topadresse für Steuerzahler. Hier kann jeder, der gegen das Finanzamt klagen will, seinen Fall vorlegen, sich kostenlos informieren und sogar seine Klage von Profis wie Bubolz formulieren lassen. „Viele fühlen sich vom Finanzamt ungerecht behandelt“, sagt der gelernte Steuerbeamte. Er hat acht Jahre lang bei einem Hamburger Finanzamt gearbeitet und kennt die Gegenseite genau.
Kostenlos am Telefon informieren
Nachdem Bubolz den Anrufer beruhigt hat, fragt er nach: „Steht der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung?“ In diesem Fall könnte sich der Taxifahrer eine Klage sparen. Der Bescheid wäre innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist gegen Vorlage entsprechender Umsatzbelege noch änderbar. Der Taxifahrer verneint. „Dann bleibt Ihnen nur die Klage. Sie können herkommen und sie aufnehmen lassen“, bietet Bubolz an. „Bringen Sie Ihre Einspruchsentscheidung, den Steuerbescheid und Ihre Aufzeichnungen mit.“ Der Mann wird still. Er habe keine vollständigen Umsatzbücher, gesteht er. Die brauche er aber, um den Richter in einer Verhandlung zu überzeugen, erklärt ihm Bubolz. Der Anrufer legt auf.
Keine Rechts- und Steuerberatung
„Ein Erfolg ohne Belege und Aufzeichnungen ist eher unrealistisch. Ob der Taxifahrer trotzdem klagt, muss er selbst entscheiden“, kommentiert Bubolz. Die meisten Anrufer wollen wissen, ob ihre Klage Erfolg haben wird. Aber als Mitarbeiter der Rechtsantragstelle darf der Beamte keine Rechts- und Steuerberatung erteilen. Dafür schüttelt er Antworten zu Fragen rund um einen Prozess vor dem Finanzgericht aus dem Ärmel. Etwa, bis wann die Klage am Gericht eingereicht werden muss, welche Unterlagen man braucht oder was ein Verfahren kostet.
Klagefrist noch schaffen
Bubolz’ Kaffee ist in der Zwischenzeit kalt. Zeit, einen neuen zu holen, hat er nicht. Es klingelt erneut. Der nächste Anrufer berichtet von Unterhaltszahlungen an seine Mutter, die in der Türkei lebt. Das Amt hat die Zahlungen nicht als Sonderausgaben anerkannt. „Dabei gibt es häufig Probleme. Denn Beträge sind nur absetzbar, wenn die Zahlungen durch Bankbelege nachgewiesen werden, manchmal muss auch die Bedürftigkeit des Empfängers bescheinigt werden“, erklärt der Amtsinspektor. „Gegen den Bescheid können Sie klagen“, sagt er. Das weiß der Anrufer schon, er hat aber ein anderes Problem: Die Klagefrist läuft an diesem Tag ab. „Kommen Sie vorbei, wir nehmen die Klage hier vor Ort auf“, schlägt Bubolz vor.
Mitarbeiter formulieren die Klage
Die Formulierung einer Klage ist für den Beamten eine Sache von Minuten. Die Niederschrift in der Rechtsantragstelle hat neben der juristisch sauberen Formulierung noch einen Vorteil: Die Klage ist damit eingereicht. Sie muss spätestens bis 24 Uhr des letzten Tages der Monatsfrist bei Gericht eingegangen sein.* „Später kann man die Klage immer noch begründen und Beweise nachliefern.“
Kostenrisiko durchrechnen lassen
Vorher will der Anrufer noch wissen, welche Kosten auf ihn zukommen. „Als Faustformel gilt: Wer verliert, trägt alle Kosten“, erklärt Bubolz und fragt nach: „Wie hoch waren die Unterhaltszahlungen?“ Etwa 12 000 Euro, gibt der Anrufer an. „Bei einem Steuersatz von angenommenen 35 Prozent macht das eine Steuerersparnis von 4 200 Euro. Die Ersparnis entspricht dem Streitwert, nach dem sich die Gebühren berechnen. Für ein Verfahren vor dem Finanzgericht würden 584 Euro Gerichtskosten anfallen“, errechnet Bubolz. Dankend legt der Anrufer auf. „Manchmal“, sagt Bubolz, „erledigt sich der Streit von allein.“ Das Finanzamt bekommt vom Gericht die Klageschrift. Erkennt es, dass sich der zuständige Beamte geirrt hat, ändert es seine Entscheidung ohne Gerichtsverhandlung.
* Korrigiert am 28. Januar 2016.