So erging es Sandra Schmidt*: Youtuber Nahim Sky probierte Anmachsprüche aus und ließ sich dabei versteckt filmen. Dabei sprach er auch die 24-jährige Jurastudentin an. Skys Spruch ist so deutlich unter der Gürtellinie, dass wir ihn hier nicht wiedergeben. Aufnahmen von der Szene erschienen auf dem Videokanal Tiktok.
Rund 381 000 Abonnenten hat Nahim Sky auf Youtube. Auf bis zu 3,8 Millionen Aufrufe kommen seine Filme. Freunde, Bekannte, Nachbarinnen, Professoren und potenzielle Chefs: Alle könnten auf Youtube zuschauen, wie sich Sandra Schmidt* in der hochnotpeinlichen Situation dreht und windet.
Gericht stoppt Tiktok-Video
Die Jurastudentin schreibt sofort an Nahim Sky, nachdem sie den Tiktok-Film gesehen hat. Er soll die Aufnahmen mit ihr löschen. Doch nichts passiert. Sandra Schmidt* schaltet Rechtsanwalt Lucas Brost von der Kölner Medienkanzlei Brost Claßen ein. Immer noch bleibt das Video online. Brost beantragt daraufhin beim Landgericht Düsseldorf ein sofortiges Verbot, die Szene weiter zu zeigen. Einstweilige Anordnung nennen Juristen solche Eilentscheidungen. Das Landgericht erlässt sie, ohne auch nur zur mündlichen Verhandlung zu laden. Jetzt endlich verschwindet die Anmache von Sandra Schmidt*.
Laut Gericht hat Sky acht Wochen nach dem Beschluss noch keine Rechtsmittel eingelegt. Kommt vielleicht noch, erklärt Sky gegenüber test.de. Der Gerichtsbeschluss sei ein „Irrtum“. Sandra Schmidt sei „mehr als einverstanden“ gewesen und habe sich über die Aufnahmen sogar „gefreut“. Außerdem sei der Kameramann – und nicht er – verantwortlich. „Wir werden gegen falsche Behauptungen vorgehen“, kündigt Sky an.
Suche nach Verantwortlichen
Glück im Unglück für Sandra Schmidt*: Nahim Sky hatte damals ein Impressum in seinem Youtube-Channel. Er nannte darin seinen richtigen Namen und seine Adresse. Das machte es leicht für Rechtsanwalt Lucas Brost, die Rechte der jungen Frau gegen den Youtuber durchzusetzen. Inzwischen ist Skys Impressum verschwunden. Ohne Namen und ladungsfähige Anschrift lassen sich Rechte gegen den Videoproduzenten nicht durchsetzen. Immerhin: „Oft lassen sich zumindest bekannte Youtuber indirekt identifizieren“, berichtet Anwalt Brost. Erfahrene Rechtsanwälte wie er wissen, wie sie anonymen Filmemachern vielleicht doch noch auf die Schliche kommen.
Löschung auch über Youtube
Sind Name und Anschrift des Verantwortlichen nicht herauszufinden, bleibt nur, sich bei der Videoplattform zu beschweren. Allerdings verlangen ihre Vertreter Belege für die Rechtsverletzung und prüfen sie. Und das kann dauern.
Wenn es schnell gehen soll, hilft nur, einen Rechtsanwalt mit Social-Media-Erfahrung einzuschalten. Der geht dann gegen die Plattform vor und beantragt zur Not auch ein gerichtliches Verbot im Eilverfahren. Allerdings: Die Kosten dafür trägt in der Regel zunächst das Opfer des Youtubers selbst. Im Fall Nahim Sky summierten sich Gerichts- und Anwaltskosten bis jetzt auf fast 2 800 Euro.
Risiko Anwalts- und Gerichtskosten
Selbst wenn eigentlich der Täter die Kosten zu tragen hat, gehen Opfer oft leer aus. Kann der Gerichtsvollzieher beim Täter kein pfändbares Vermögen ausfindig machen und übersteigt das Einkommen die Freigrenzen nicht, bleibt das Opfer auf Gerichts- und Anwaltskosten sitzen.
Eine normale Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten nur, wenn der Urheber bekannt ist. Einzig Policen mit sogenanntem Cyberrechtsschutz zahlen auch, wenn ein Rechtsanwalt bei Youtube die Löschung eines Videos durchsetzen soll.
Menschen mit geringem Einkommen können Prozesskostenhilfe beantragen. Doch die Freibeträge sind gering. Arbeitnehmer ohne Unterhaltsverpflichtung dürfen höchstens 744 Euro monatlich verdienen. Liegt das Einkommen höher, müssen sie zumindest Raten zahlen.
* Name von der Redaktion geändert.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@dr.daniele: Grundsätzlich gilt: "Kein Foto ohne vorherige Erlaubnis".
https://www.gesetze-im-internet.de/kunsturhg/__22.html
Fotografieren zwecks Beweisicherungs- oder Ermittlungszwecken ist Sache von Behörden.
Es kann aber gerechtfertigt sein, zu Beweiszwecken Fotos anzufertigen. Das ist u. E. auf jeden Fall dann der Fall, wenn jemand im Sinne von § 127 Abs. 1 StPO https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__127.html
auf frischer Straftat betroffen ist. Bei Ordnungswidrigkeiten allerdings ist das nach Ansicht des Amtsgerichts Bonn nicht der Fall, siehe:
www.ra-kotz.de/heimliche-fotoaufnahmen-von-ordnungswidrigkeiten-dritter-zulaessig.htm. Zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ausdrücklich zugelassen sind nur behördliche Aufnahmen
www.gesetze-im-internet.de/kunsturhg/__24.html .
Wenn es darum geht, eigene Rechte durchzusetzen, kann u. E. auch eine Situation mit Recht zur Selbsthilfe
www.gesetze-im-internet.de/bgb/__229.html
Beweisfotos von Personen ohne Einwilligung rechtfertigen.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Wie im Absatz "Was gilt als Zeitgeschichte?" kurz erwähnt: Polizeibeamte sind bei Einsätzen im öffentlichen Raum oft Personen der Zeitgeschichte und müssen es sich gefallen lassen, bei der Arbeit beobachtet, fotografiert und gefilmt zu werden. Genauer wollten wir auf diesen Aspekt eigentlich nicht eingehen.
Leider wurde ein wichtiges Thema im Artikel vergessen. Da heutzutage nahezu jeder immer sein Smartphone dabei hat, werden auch Polizeieinsätze sehr häufig gefilmt. Hier hätte ich im Artikel Ausführungen dazu erwartet, wann Polizeieinsätze oder Polizisten bei ihrer Arbeit gefilmt werden dürfen und wann und ob gegebenfalls diese Videos auch veröffentlicht werden dürfen.