
Rainer von Holst hat sich in die USA abgesetzt. Seine dubiosen Geschäfte in Deutschland hat er mithilfe seiner erwachsenen Kinder fortgesetzt. Er soll vor allem Tochter Anne und Sohn Alexander von den USA aus instruiert haben, Anleger abzuzocken. Er wird seit Jahren von der deutschen Justiz gesucht. © Composing Finanztest
Laut Landgericht Augsburg gibt es für den in die USA geflüchteten Anlagehai Rainer von Holst ein Auslieferungsgesuch aus Deutschland. Trotzdem wurde der Mann bisher nicht festgenommen, obwohl ein Journalist der Staatsanwaltschaft die Adresse Mitte März 2020 mitgeteilt hat. Von Holst hat Tausende von Anlegern geschädigt und mit seinem Onlinedienst Gerlachreport Firmen unter Druck gesetzt. Fragen von test.de, warum von Holst bisher nicht festgenommen wurde, will die Staatsanwaltschaft Augsburg nicht beantworten, um ihre Ermittlungen nicht zu gefährden.
Betroffene bezweifeln ernsthafte Bemühungen der Justiz
Rainer von Holst hat sich bereits vor einigen Jahren nach Princeton im US-Bundesstaat New Jersey abgesetzt. Vor seiner Haustür in Princeton stehen zwei Luxusautos, davon eins mit deutschem Kennzeichen. Seine Adresse hat ein Journalist, der ihn dort besucht hat, am 12. März 2020 an die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft Augsburg gegeben, ebenso ein Foto von Rainer von Holst, das ihn zeigt, als er dem Journalisten die Haustür öffnet. Trotzdem wurde von Holst, dessen Geldanlageangebote seit Anfang 2018 auf der Finanztest-Warnliste stehen, bisher nicht ausgeliefert. Das nährt den Verdacht von Betroffenen und Journalisten, dass die Justiz nicht ernsthaft an einer Auslieferung Rainer von Holst interessiert ist. Ob vielleicht die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden dem Fall wenig Priorität zumessen oder ob deutsche Ermittler den Fall mit wenig Dringlichkeit behandeln oder beides, lässt sich von außen schwer beurteilen.
Seine Kinder kamen mit milden Strafen davon ...
Dabei hat die Staatsanwaltschaft im Strafprozess gegen drei erwachsende Kinder des Rainer von Holst umfassende Informationen zu den dubiosen Geschäften des Mannes gesammelt. Vor allem Sohn Alexander und Tochter Anne hatten ihren Vater im Rahmen einer gerichtlichen Verständigung schwer belastet und als Spiritus Rector der vor Gericht behandelten zahllosen Betrügereien bezeichnet. Sie hätten Firmen aus dem Von-Holst-Imperium zwar formal geleitet, dabei aber lediglich die telefonisch aus den USA übermittelten Anweisungen ihres Vaters befolgt. Wie mehrfach berichtet, sammelten die Firmen von Anlegern unter anderem Geld für Investitionen ein, die nie getätigt wurden. Wegen ihrer Geständnisse waren Alexander und Anne mit milderen Haftstrafen als erwartet davongekommen: Alexander erhielt 2 Jahre und 10 Monate und Anne 3 Jahre und 10 Monaten.
... belasteten von Holst aber stark
Für Rainer von Holst bedeutet die gerichtliche Verständigung, dass die belastenden Aussagen seiner Kinder in einem Strafprozess gegen ihn verwendet werden können. Weitere Vorwürfe gegen von Holst stammen von Unternehmen, die er mit seinem Onlinedienst Gerlachreport geschädigt hat. Sie geben an, viel Geld an von Holst gezahlt zu haben, um keine geschäftsschädigenden Berichte über sich im Gerlachreport lesen zu müssen. Wehren konnten sie sich gegen das von einem amerikanischen Server kommenden Onlineportal nicht, weil es keine ladungsfähige Adresse nannte.
Duisburg stellt Ermittlungsverfahren wegen Aufenthaltsorts ein
Vor dem Hintergrund der gegen von Holst vom Gericht gesammelten Beweise sowie der inzwischen an die Staatsanwaltschaft Augsburg übermittelten Adresse ist ein eine Aussage der Duisburger Staatsanwaltschaft vom 9. April 2020 unverständlich. In einem Schreiben an einen Anzeigeerstatter erklärte sie: „Das Verfahren kann nicht fortgeführt werden, weil der Aufenthalt des Beschuldigten nicht ermittelt werden konnte.“ Weiter heißt es in dem Schreiben: „Ich habe die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen veranlasst.“ Sodann bittet der Staatsanwalt den Anzeigeerstatter darum, ihm mögliche Kenntnisse über den Aufenthaltsort Rainer von Holst mitzuteilen. Dabei liegt diese Information ja bereits der Staatsanwaltschaft Augsburg seit Mitte März vor. Offenbar hat hier der Austausch zwischen den Staatsanwaltschaften nicht funktioniert.
Das Hick-Hack der Staatsanwaltschaften
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Rainer von Holst wegen Abwesenheit des Beschuldigten eingestellt wird. Auch andere Staatsanwaltschaften haben das schon getan. Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, Zentralstelle Cybercrime Bayern, die gegen von Holst ermittelt, gibt sich gegenüber Journalisten zugeknöpft. Nachfragen zum Stand des Verfahrens beantwortete sie binnen weniger Tage unterschiedlich. So hieß es am 28. August 2019, dass die Ermittlungen andauerten und „der genannte Rainer von Holst als Beschuldigter geführt“ werde. Nur zwei Wochen später am 11. September 2019 war das Ermittlungsverfahren „gegen den genannten Beschuldigten (...) zwischenzeitlich vorläufig eingestellt worden, da derzeit nach dem Beschuldigten gefahndet wird.“ Wieder wenige Tage später, ebenfalls im September 2019, teilte die Bamberger Generalstaatsanwalt Journalisten dann mit, dass Verfahren sei wieder aufgenommen worden. Das passierte offenbar, weil von Holst in Verdacht geriet, das Duisburger Theater am Marientor erpresst zu haben.
Ermittlungen und Einstellungen
Derweil will die Staatsanwaltschaft Augsburg Fragen nach dem Stand des Auslieferungsbegehren nicht beantworten, weil dies ihre Bemühungen behindern könnte. „Sie dürfen davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg, auch in Zeiten der Corona-Krise, entsprechend ihren Handlungsmöglichkeiten alles unternimmt, um auch diesen Teil des umfangreichen Verfahrenskomplexes ihrer Aufgabe, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, entsprechend abzuschließen“, teilte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai Finanztest am 6. April 2020 mit. Drei Tage nach dieser Mitteilung wurde ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Duisburg erneut wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten eingestellt.
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