Radfahrer gehören auf die Straße. Studien belegen, dass sie dort sicherer unterwegs sind, weil sie von Autofahrern besser gesehen werden als auf separaten Radwegen. Deshalb gilt in Deutschland bereits seit 1997, dass blaue Radwegschilder – die Fahrräder auf den Radweg „zwingen“ – nur da aufgestellt werden dürfen, wo es zu gefährlich ist, die Straße zu benutzen. In Berlin hat die zuständige Senatsabteilung allerdings große Schwierigkeiten, das umzusetzen.
Seit sechzehn Jahren passiert nichts
„Vor 1997 gehörte zu jedem Radweg ein Radwegschild“, erklärt Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung wurde das grundlegend geändert. Seitdem ist das Radfahren auf der Fahrbahn die Regel, und Radwegschilder dürfen nur noch dort stehen, wo es wegen besonderer örtlicher Gefahren zwingend geboten ist.“
Man gab den Behörden damals ein Jahr Zeit, um die Schilder zu überprüfen und falls nötig abzubauen. „Das war vielleicht etwas wenig Zeit“, räumt Huhn ein. „Aber mittlerweile sind fast 16 Jahre vergangen – und viel passiert ist in manchen Städten immer noch nicht.“
Zahlreiche Widersprüche gegen Radwegschilder

Verkehrszeichen: Hier ist der Radweg Pflicht.

Zeichen 240 (mitte): Ein gemeinsamer Weg für Radler und Fußgänger.
Zeichen 241 (rechts): Fuß- und Radweg müssen getrennt benutzt werden. Download
Besonders in Berlin hat die zuständige Abteilung der Senatsverwaltung, die Verkehrslenkung Berlin (VLB), große Schwierigkeiten das geltende Recht in die Realität umzusetzen. Andreas Volkmann, Radfahrer und Anwalt, will das nicht so einfach hinnehmen. Seit einigen Jahren legt er erfolgreich Widerspruch gegen Radwegschilder ein – meist auf Strecken, die er selbst regelmäßig befährt. Mit Eingang des Widerspruchs gegen ein Schild, hat die VLB normalerweise maximal drei Monate Zeit, um zu reagieren. Entweder gibt sie dem Widersprechenden Recht und teilt ihm mit, dass das Schild abmontiert wird oder sie lehnt den Widerspruch ab. „Die Verkehrslenkung Berlin hat mir – wenn auch jedes Mal mit etlicher Verspätung – mitgeteilt, dass die jeweiligen Schilder innerhalb von 20 Wochen entfernt werden. Nur: Seitdem sind mehr als zwei Jahre vergangen“, sagt Volkmann. „In diesem Jahr habe ich nun gerichtlich die Demontage von 73 Schildern verlangt, weil die VLB meinen Widersprüchen zwar stattgegeben, aber immer noch nicht alle Schilder entfernt hat.“
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Verkehrslenkung Berlin setzt eigene Entscheidungen nicht um
Volkmann hat aktuell in acht Verfahren Allgemeine Leistungsklage gegen die Senatsverwaltung erhoben. Pro Klage geht es dabei um drei bis 18 Schilder. Er muss für jedes Verfahren zwischen 363 und 588 Euro vorschießen. Die tatsächliche Höhe der Kosten hängt davon ab, ob das Gericht den Streitwert auf 5 000 oder 10 000 Euro festsetzt. Ist das Verfahren zu seinen Gunsten beendet, werden ihm sowohl die Gerichtskosten als auch sein Anwaltshonorar erstattet. Und zwar aus der Kasse der Senatsverwaltung – und damit auf Kosten der Steuerzahler. Aktuell muss das Gericht noch in insgesamt neun Fällen klären, warum die Verkehrslenkung Berlin (VLB) ihre eigenen Entscheidungen nicht umsetzt.
VLB: „Wir haben andere Prioritäten“
Wie eine VLB-Sprecherin test.de sagte, nimmt die Behörde diese gerichtlichen Verfahren aber bewusst in Kauf . „Es ist ja kein Geheimnis, dass wir unter Personalmangel leiden. Wir arbeiten deshalb nach einer Prioritätenliste und da steht das Entfernen der Radwegschilder nicht an erster Stelle.“ Priorität habe unter anderem das Überwachen und Sichern von Baustellen, so die Sprecherin weiter. „Außerdem ist es mit dem einfachen Abschrauben der Schilder ja nicht getan. Teilweise müssen auch ganze Ampelanlagen umprogrammiert werden.“
Verkehrsverhältnisse ändern sich – und die Verwaltung muss reagieren
Für Roland Huhn ist das Verhalten der Berliner Senatsverwaltung befremdlich – auch wenn er weiß, dass es nicht immer reicht, nur die Radwegschilder abzubauen. „Es ist richtig, dass teilweise Ampelschaltungen umprogrammiert werden müssen, weil die unterschiedliche Räumgeschwindigkeit von Autos und Radfahrern an großen Kreuzungen zum Problem werden kann. Aber wenn sich ein Bürger an die Behörde wendet und den Hinweis auf ein unnötiges Schild gibt, sollten die zuständigen Mitarbeiter das als Grund nehmen, um den Sachverhalt schnellstmöglich zu prüfen und auch umzusetzen“, sagt der ADFC-Rechtsreferent. „Es gibt ohnehin das Gebot, dass die Behörden alle zwei Jahre eine Verkehrsschau durchführen sollen, um die Verkehrszeichen und die Verkehrsverhältnisse zu überprüfen. Denn die können sich im Laufe der Jahre verändern. Wenn zum Beispiel eine Umgehungsstraße gebaut wird, kann das dazu führen, dass andere Straßen entlastet werden und damit auch für Radfahrer geeignet sind.“
Verkehrsschau eigentlich vorgeschrieben
Bei einer Verkehrsschau überprüfen Fachleute aus der Straßenverkehrsbehörde mit Hilfe von Polizei und Straßenmeisterei unter anderem den Zustand der Straßen und die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen. Es werden Knotenpunkte, freie Strecken, Fahrbahnränder und Bahnübergänge geprüft, um festzustellen, ob die jeweiligen Vorfahrtregeln, Ampeln, Schilder und Markierungen notwendig und richtig platziert sind. Die Verkehrsschau ist durch die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vorgeschrieben und für die Verwaltung eigentlich bindend – wird aber in manchen Städten nur lückenhaft durchgeführt.
Andere Städte machen vor, wie es geht

Dass es aber anders geht als in Berlin, zeigen Städte wie München, Köln, Oldenburg, Paderborn oder Mainz. In Mainz wird beispielsweise aktuell das gesamte Radwegenetz auf den Prüfstand gestellt. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Untersuchungsprogrammes und Fragenkatalogs überprüft die Mainzer Verkehrsverwaltung, welche Radwege aus der Benutzungspflicht entlassen werden können. Entwickelt wurde der Leitfaden im Juni 2011 – Ende 2013 soll die Überprüfung abgeschlossen und 2014 sollen auch die letzten überflüssigen Radwegschilder entfernt sein.
In Oldenburg ist die Reduzierung der Radwegschilder auf ein Mindestmaß ebenfalls ein wichtiges Ziel. Hier finden regelmäßig Verkehrsschauen statt. Unter Berücksichtigung aktueller Erfahrungen der Städte München, Köln und Paderborn hat die Stadt Oldenburg ein eigenes Hinweisschild erstellt (siehe Bild), mit dessen Hilfe auch den Autofahrern klar signalisiert werden soll, dass Radfahren auf der Straße erlaubt ist.
Übrigens: Auch wenn die Benutzungspflicht für einen Radweg aufgehoben ist, können Radfahrer weiterhin auf einem vorhandenen Radweg fahren. Sie müssen nicht auf die Straße – aber sie dürfen endlich!
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Sie fragen, warum keine Radfahrbereiche in Planungen miteinbezogen werden. An vielen Stellen geschieht dies schon seit langem. Das nennt sich Radweg und wird durch das allgemeine Steueraufkommen (und nicht durch fahrzeugspezifische Steuern) bezahlt.
Wer einmal im z. B. europäischen Ausland aufmerksam verfolgt hat, wie sich dort der Verkehr regelt, darf nicht verwundert sein, über die hier konstruierten Verkehrsprobleme sowohl im Radfahr- als auch Autobereich. Was hier lang und breit "fachlich" auseinandergenommen wird, ist woanders selbstverständlich. Egal ob Dänemark, Frankreich, Spanien und anderswo bedarf es dieser Kunstwerke an Beschilderungen und Auslegungen nicht, dort ist es ein Gebot der Fairness und der Selbstverständlichkeit, auf andere Verkehrsteilnehmer, insbes. die Schwächeren, zu achten. Warum werden bei uns keine Radfahrbereiche vonvornherein in die Planungen einbezogen, zu teuer. Auf Schnellstraßen kann sogar dem Radfahrer Platz eingeräumt werden s. Spanien u. a. Länder. Hier schlagen wir uns mit akademischen fachidiotischen Streiterein herum, durch die kein normaler Radfahrer mehr durchblickt oder auch durchblicken soll - armes Deutschland.
Wirkliche Verkehrsteilnehmer beklagen, dass es nur wenige verlässliche - und das sind immer "ausnahmslose"! - Regeln, Zeichen und Verhaltensweisen gäbe. Und kaum einheitliche Rechtsprechung bzw. von den Kommunen realisiertes "Richterrecht" dazu. Ist von den Likern & Dislikern mit nur gelegentlicher Radverkehrsteilnahme hier wirklich jemand überzeugt, dass er die (sichtlich nur teilweise offenbarten) Zweifel von z.B. @Klausklaus am 29.8. selbst nie hatte und die StiWa-Antwort daher generell "problemlösend" wirkt? Ist jemand anderer Grundmeinung als @AutoFußRadler bzw. @Testling u.a.? Was nützt es also, wenn Verkehrsdisziplin als heilsam erkannt, praktisch aber nicht anerkannt (befolgt) wird. Solange wir alle einen Oberlehrer-Besserwisser-Polizeistaat ablehnen, werden wir Kritik zu unserem eigenen Verkehrsverhalten aushalten müssen, sollten uns dann aber auch großstädtisch-kommunal, regional (in Feld und Flur) und saisonal (auch bei Schnee) rechtssicher rechtfertigen können.
@Klausklaus: Einen Fahrradweg, der noch optional genutzt werden kann, aber nicht mehr als solcher gekennzeichnet ist, erkennt man bspw. an einer anderen Pflasterung, einem Strich in der Mitte oder an Rand-/Mittelsteinbegrenzungen. Bei alten Wegen können die ehemaligen Markierungen durchaus auch mal verwittert sein, so dass es schwierig sein kann den Weg zu erkennen. (MK)
Erstaunlich ist doch folgendes:
1. Die weitaus meisten von uns, die wir hier diskutieren, sind:
sowohl Fußgänger, als auch Fahrradfahrer und sicherlich auch Autofahrer.
2. Daher sollte man eigentlich ein gewisses Mindestverständnis für das entsprechend andere Fortbewegungsmittel übrig haben.
Leider scheint das Gegenteil der Fall zu sein, im Auto sitzend schimpft man auf die Fahrradfahrer und Fußgänger. Sitzt man dagegen auf dem Rad sind´s die bösen Autofahrer (obwohl man selber einer ist). Sind wir nicht alle ein wenig schizophren?
Mit ein klein wenig mehr Verständnis und Rücksichtnahme für den anderen wär das Leben so viel leichter, stressfreier und spassiger!
Schade, dass es uns deutschen „Oberlehrern“ immer so schwer fällt uns ein klein wenig zurückzunehmen!
Freundliche Autofahrer-, Fahrradfahrer- und Fußgängergrüße,