Qualitäts­management in der Weiterbildung Stehen Siegel für Qualität?

5
Qualitäts­management in der Weiterbildung - Stehen Siegel für Qualität?

© Fotolia / stockpics

DIN EN ISO 9001, LQW oder EFQM – wer eine Weiterbildung sucht, stößt bei der Recherche häufig auf Qualitäts­siegel, mit denen Bildungs­anbieter für ihre Angebote werben. Die kryptischen Kürzel stehen für bestimmte Qualitäts­management­systeme. Diese helfen Bildungs­trägern, ihre Angebote zu verbessern – und zeigen Weiterbildungs­willigen, dass der Anbieter sich um Qualität bemüht. test.de gibt Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen zum Thema.

Qualitäts­management in der Weiterbildung Alle Testergebnisse für Qualitätsmanagementsysteme in der Weiterbildung

Liste der 11 getesteten Produkte
Qualitätsmanagementsysteme in der Weiterbildung
  • ArtSet Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung
  • Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben QVB-Branchenmodell
  • Dachverband der Weiterbildungsorganisationen Geprüfte und ausgezeichnete Fach-Qualität in der Weiterbildung
  • Deutsches Institut für Normung DIN EN ISO 9001:2008
  • Deutsches Institut für Normung DIN ISO 29990:2010
  • European Foundation for Quality Management EFQM-Excellence-Modell
  • Gütesiegelverbund Weiterbildung Qualitätsmanagement-System nach Gütesiegelverbund
  • Qualität in Bildung und Beratung QESplus
  • Qualitätsgemeinschaft Berufliche Bildung Mitglied der Qualitätsgemeinschaft
  • Weiterbildung Hamburg Geprüfte Weiterbildungseinrichtung Weiterbildung Hamburg
  • Weiterbildung Hessen Geprüfte Weiterbildungseinrichtung Weiterbildung Hessen

1. Was bedeutet Qualitäts­management in der Weiterbildung?

Das bedeutet, dass ein Bildungs­institut seine Prozesse, also alle Arbeits­abläufe und Aufgaben systematisch plant und steuert, um gute Weiterbildungen zu gewähr­leisten. Im Vordergrund steht dabei der Gedanke, die Qualität der Produkte und Leistungen kontinuierlich zu verbessern und an den Erwartungen der Kunden auszurichten – das Grund­prinzip von Qualitäts­management. Das Bildungs­institut beschreibt also seine Ziele, plant seine Prozesse, setzt sie um, über­prüft und bewertet sie kritisch, auch mithilfe des Feedbacks der Kunden. Die Logik dahinter: Wer seine Prozesse kontinuierlich optimiert, verbessert auch seine Produkte oder Dienst­leistungen. Und das sorgt für zufriedene Kunden. Qualitäts­management ist also ein stetiger Verbesserungs­kreis­lauf.

2. Was sind Qualitäts­management­systeme?

Bildungs­anbieter, die Qualitäts­management betreiben möchten, können dafür auf stan­dardisierte Verfahren zurück­greifen, so genannte Qualitäts­management­systeme. Im Grunde ist ein solches System eine Art Vorlage oder Schablone. Es benennt die Bereiche, Abläufe und Aufgaben, die es zu definieren und zu planen gilt, um gute Qualität bieten zu können. Jedes Bildungs­institut muss diese dann anhand eigener Ziele individuell ausgestalten. Eine Sprach­schule für Business Englisch zum Beispiel könnte für sich fest­legen, dass als Lehrer nur eng­lische Mutter­sprachler mit pädagogischer Qualifikation infrage kommen oder dass die verwendeten Lehr­bücher nicht älter als zwei Jahre sein dürfen. Ist alles geregelt und dokumentiert, die „Schablone“ also gefüllt, kann sich das Bildungs­institut durch externe Gutachter, die vom Heraus­geber des Qualitäts­management­systems oder von einer Zertifizierungs­stelle beauftragt sind, über­prüfen lassen.

3. Wie läuft die Über­prüfung durch externe Gutachter ab?

Bei der Über­prüfung, auch Audit genannt, schauen die Gutachter, ob das Bildungs­institut die Anforderungen des Qualitäts­management­systems umsetzt. Die zentrale Frage lautet: Ist das Bildungs­institut so organisiert, dass gute Weiterbildungen theoretisch möglich sind? Im positiven Fall vergeben die Gutachter ein Qualitäts- oder Gütesiegel oder ein so genanntes Zertifikat, das dann vom Bildungs­anbieter öffent­lich genutzt werden kann, etwa für Werbe­zwecke. „Wir sind seit 2013 nach LQW (Lerner­orientierte Qualitäts­testierung in der Weiterbildung) zertifiziert“, heißt es dann zum Beispiel auf der Webseite. In regel­mäßigen Abständen muss das Bildungs­institut die externe Über­prüfung wieder­holen lassen, sonst darf es das Siegel nicht weiter verwenden (siehe Tabelle).

Qualitäts­management in der Weiterbildung - Stehen Siegel für Qualität?

Viele Bildungs­institute werben mit Qualitäts­siegeln wie diesen. Das Siegel bescheinigt dem Bildungs­träger, dass es ein Qualitäts­management­system etabliert hat - in unseren Beispielen sind das (v.l.n.r.): LQW, Geprüfte Weiterbildungs­einrichtung Weiterbildung Hessen und DIN EN ISO 9001. Das Qualitäts­siegel bestätigt zudem, dass der Heraus­geber des Siegels - hier Artset und Weiterbildung Hessen - oder eine befugte unabhängige Stelle - hier EQ Zert - das Bildungs­institut über­prüft haben.

4. Welche Qualitäts­management­systeme gibt es? Und warum sind es so viele?

Es gibt etwas mehr als ein Dutzend Qualitäts­management­systeme, die in der Weiterbildung zum Einsatz kommen. Die wichtigsten listet unsere Tabelle auf. Darunter sind Systeme, die in jeder Branche, jeder Organisation und jedem Unternehmen anwend­bar sind, zum Beispiel die ursprüng­lich für die Industrie entwickelte DIN EN ISO 9001. Nutzt ein Bildungs­institut ein branchen­über­greifendes System, muss es die dort formulierten Anforderungen für den Bereich Weiterbildung „über­setzen“, also verständlich machen und auf die eigenen Unter­nehmens­schwer­punkte – hier Bildung – über­tragen und anwenden. Deshalb sind in den vergangenen Jahren zunehmend Systeme speziell für Weiterbildungs­institute entwickelt worden, die sprach­lich leichter zugängig sein können. Häufig sind das Varianten branchen­über­greifender Systeme.

Unsere Tabelle zeigt unter anderem, wo die aufgeführten Qualitäts­management­systeme verbreitet sind und ob sie unabhängig von der Branche oder nur in der Weiterbildung einge­setzt werden können. Außerdem erfahren Sie, an welche Voraus­setzungen die Vergabe von Qualitäts­siegeln geknüpft ist, und was auf Bildungs­institute bei Erst- und Wieder­holungs­prüfungen zukommt.

5. Sind branchenspezi­fische besser als über­greifende Systeme?

Nein. Kein System ist besser als ein anderes. Im Grunde ist es auch nicht entscheidend, welches System ein Bildungs­institut nutzt. Es kommt vielmehr darauf an, wie sehr es das einge­setzte System „lebt“, also wie ernst­haft und konsequent es sein Qualitäts­management in der täglichen Praxis umsetzt. Für Verbraucher auf der Suche nach einem Weiterbildungs­kurs ist das allerdings nicht so leicht zu erkennen. Indizien für „gelebtes“ Qualitäts­management lassen sich zum Beispiel auf der Webseite oder in Broschüren aufspüren: Formuliert der Bildungs­träger dort ein Leit­bild? Gibt er ein Leistungs­versprechen? Beschreibt er Lernziele und Lern­ergeb­nisse? Stellt er die Dozenten mit ihren Qualifikationen vor? Trifft er Aussagen zu Lehr­methoden und Lehr­materialien? Gibt er Erfolgs­quoten bekannt? Kommen frühere Teilnehmer zu Wort?

6. Kann ich bei Bildungs­instituten, die mit Qualitäts­siegeln werben, auto­matisch mit guten Kursen rechnen?

Nein. Denn ein Qualitäts­siegel zeichnet in der Regel nicht einzelne Kurse aus, sondern das Bildungs­institut an sich. Das Siegel bestätigt:

  • dass das Bildungs­institut ein Qualitäts­management­system etabliert hat,
  • dass es seine Arbeits­abläufe, Produkte und Dienst­leistungen systematisch plant, steuert und regel­mäßig über­prüft und damit theoretisch in der Lage ist, gute Kurse anzu­bieten,
  • dass es vom Heraus­geber des Systems oder von einer befugten unabhängigen Stelle über­prüft wurde.

Ein Qualitäts­siegel ist damit ein Indiz dafür, dass sich ein Bildungs­institut um Qualität bemüht und die Interessen seiner Kunden berück­sichtigt.

7. Sind Bildungs­institute ohne ein Qualitäts­management­system unseriös?

Nein. Bildungs­institute ohne ein solches System arbeiten weder unpro­fessionell, noch bieten sie schlechtere Kurse. Das zeigt auch eine Analyse der Stiftung Warentest: Weiterbildungen von Anbietern mit einem Qualitäts­management­system schnitten in unseren Tests nicht besser ab als Kurse von Bildungs­instituten ohne. Fakt ist: Ein Qualitäts­management­system zu etablieren, ist aufwendig und teuer. Je nach System und Unter­nehmens­größe fallen allein für die Einführung bis zu 10 000 Euro an. Die Über­prüfungen oder Audits durch externe Gutachter, die dann je nach System alle zwei bis vier Jahre anstehen (siehe Tabelle), kosten immer wieder extra. Vor allem kleinere Anbieter können sich das oft nicht leisten. Aus Kostengründen gehen deshalb manche Bildungs­institute einen Kompromiss ein: Sie etablieren zwar ein Qualitäts­management­system, verzichten aber auf eine unabhängige Bewertung von außen und auf das Qualitäts­siegel.

8. Lässt sich Qualitäts­management auch ohne eines der in der Tabelle aufgeführten Systeme betreiben?

Ja, das ist möglich. Dafür formulieren Bildungs­institute eigene Qualitäts­stan­dards und über­prüfen regel­mäßig, ob sie ihnen gerecht werden, zum Beispiel indem sie Erfolgs- und Durch­fall­quoten ihrer Kurs­besucher bei externen Prüfungen ermitteln oder Teilnehmer und Dozenten regel­mäßig befragen.

9. Wie viele Bildungs­institute in Deutsch­land verfügen über ein Qualitäts­management­system?

Rund 80 Prozent der Weiterbildungs­anbieter in Deutsch­land haben ein Qualitäts­management­system etabliert, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung und des Bundesinstituts für Berufsbildung. Am weitesten verbreitet ist die DIN EN ISO 9001, die rund 36 Prozent der Bildungs­träger nutzen. Jeder zehnte Weiterbildungs­anbieter wendet eines der speziell für die Weiterbildung entwickelten Systeme an.

10. Sollte ich meine Weiterbildung nur bei einem Bildungs­institut buchen, das ein Qualitäts­management­system etabliert hat?

Nein. Es ist zwar zweifellos gut, wenn der Bildungs­anbieter ein solches System – ob mit oder ohne Siegel – etabliert hat. Denn das zeigt, dass sich das Bildungs­institut um Qualität bemüht. Was für die Auswahl eines Kurses aber vor allem wichtig ist: Verschaffen Sie sich selbst ein Bild von den Bildungs­trägern, die Sie in Betracht ziehen. Das gilt insbesondere dann, wenn es um eine lange und teure Weiterbildung geht. Lassen Sie sich vor der Buchung unbe­dingt beim Anbieter beraten, am besten vor Ort, also dort, wo der Kurs statt­findet. Unsere Checkliste zeigt, welche Fragen Sie in der Beratung stellen sollten. Auch der kostenlose Leitfaden Kurse finden listet Kriterien auf, die gute Kurse erfüllen sollten. Im Übrigen sollten Sie eines bedenken: Ob Lernen erfolg­reich ist, hängt von vielen Faktoren ab – von dem Dozenten, der Gruppen­konstellation, der Teilnehmerzahl. Doch nicht zuletzt hängt es auch von Ihnen selbst ab – von Ihrem Lernziel, Ihrer Motivation und Ihrem Engagement.

Diese Unter­suchung wurde vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

5

Mehr zum Thema

5 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Profilbild Stiftung_Warentest am 04.05.2016 um 15:17 Uhr
Qualitätsmanagementsystem

@nutzer-4711: Wie Sie richtig schreiben, ist die AZAV eine Verordnung. Sie ist aber kein Qualitätsmanagementsystem – daher haben wir sie auch nicht in die Liste dieser Systeme mit aufgenommen. Die AZAV bildet die rechtliche Grundlage, auf der Bildungsmaßnahmen nach SGBIII zugelassen werden. Laut SGBIII §178 erfordert diese Zulassung, dass der Bildungsträger ein Qualitätsmanagementsystem besitzt. In der AZAV selbst sind lediglich Anforderungen an ein solches System formuliert. (AK)

Nutzer-4711 am 04.05.2016 um 10:21 Uhr
Warum Systeme nach AZAV nicht untersucht?

Die weitaus meisten Systeme bei Bildungsanbietern sind nach AZAV (unabhängig) zertifiziert. Ich kann nicht verstehen, warum Sie diese "Norm" außer acht lassen? Obwohl die AZAV zwar eher eine Verordnung als eine Norm ist, so fordert sie von den Bildungsanbietern ein "System zur Sicherung der Qualität ... liegt vor, wenn ...zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen angewendet werden und dadurch die Qualität ... jederzeit gewährleistet u. kontinuierlich verbessert wird."
Auch hier werden Managementreviews, Ziele, Audits, Verfahren und ziemlich strenge Anforderungen an die Dozenten und Schulungsräume gestellt.
Eine Zertifizierung ist teuer, aber wenn Sie mit den kleinen Anbietern argumentieren, sollten Sie die Kosten nicht mit "bis zu 10000,-€ angeben, hier entstehen auch abhängig von der Unternehmensgröße weitaus geringere Kosten die bei ca. 3.000,- starten. Außerdem fallen diese Kosten auch nicht sofort oder jährlich an, sondern verteilen sich auf 3-5 J.
Karin

Lupusabwesend am 22.03.2016 um 12:26 Uhr
nur gelebtes QM macht Unternehmen wettbewerbsfähig

Ihr Kommentar (Daniel-2) ist nachvollziehbar. Leider betrachten viele Unternehmen die Zertifizierung lediglich als Wettbewerbsvorteil zur besseren Akquise von Aufträgen. Wenn das Zertifikat erteilt ist, fällt man wieder in den alten Trott zurück. Langfristig überleben allerdings nur die Anbieter am Markt, die auch tatsächlich effektive Prozesse nach innen und außen leben. Unzufriedene Kunden kommen nicht wieder. Letztlich bedeutet QM ja nichts anderes als sein Unternehmen effektiv aufzustellen und durch gute Dienstleistungsqualität die Kunden von der Leistungsfähigkeit und letztlich vom Produkt zu überzeugen. Auch die Mitarbeiter werden gelebtes QM als Arbeitserleichterung und Motivation empfinden. Fehlt allerdings das Commitment der Geschäftsführung zum QM dann sollten die Auditoren wirklich genauer hinschauen und das Zertifikat eben auch mal nicht vergeben.

HWFranz am 23.10.2015 um 13:22 Uhr
So'n Quatsch

Wie kann man nur so einen Quatsch verzapfen? Sie denken offensichtlich nicht weiter als Ihre Geschäftsführung. Sonst könnten Sie nicht solch eine Schlussfolgerung aus einem Einzelfallerlebnis ziehen. Dass es Geschäftsführungen gibt, die diese Bezeichnung nur zu Showzwecken tragen, ist ja nicht Neues.
QM, das ernst genommen und gelebt wird, ist eine riesige Arbeitserleichterung, motiviert und hebt die berufliche Kompetenz, mit der alle Beteiligten ihrer Arbeit nachgehen.

Daniel-2 am 13.10.2015 um 14:06 Uhr
QM bringt nichts – das ist eine Farce

Vor einige Jahren habe ich als Angestellter eines Bildungsträgers selbst an dem Audit mitgearbeitet. Die ganze Zeit ging es eigentlich nur darum, die Formulare voll zu bekommen und die Dokumentation zusammenzukopieren. Ein ganzheitliches Verständnis für das QM habe ich auf keiner Ebene zu keine Zeit erkennen können. Eher im Gegenteil: es hatte für mich den Anschein, dass die GF das ganze nur als unliebsame Pflichtaufgabe sah und so auch an die Mitarbeiter kommuniziert hat.
Auf dem Papier ist dann alles schön nach QM-Richtlinien manifestiert. Leider nur in einer Parallel-Struktur. In der Realität hat der Prozess keine Entsprechung. Letztlich profitiert nur die Zertifizierungs-Industrie.