
Gegen Geld können Raser ihre Punkte bei Internet-Agenturen loswerden. Hier lesen sie, was dort genau abläuft. Ob die fragwürdigen Geschäfte legal sind oder sich Punkte-Trickser strafbar machen, ist unklar. Wahrscheinlich fehlen für solche Tricks einschlägige Strafregeln.
So funktioniert die Punkte-Trickserei
„Wir übernehmen Ihre Punkte und Fahrverbote“ – solche Angebote finden sich zahlreich im Internet. Das Geschäft läuft dann so: Da Blitzerfotos oft nicht eindeutig sind, übernimmt ein anderer Führerscheinbesitzer als Strohmann für einen Autoraser die Punkte im Flensburger Fahreignungsregister. Der Strohmann füllt den Anhörungsbogen der Bußgeldstelle aus und sendet ihn im eigenen Namen zurück. Er übernimmt Strafe und Punkte. Ist die Abweichung zwischen Pass- und Blitzerfoto gering und stimmen Geschlecht und ungefähr das Geburtsjahr, läuft der Vorgang offenbar glatt durch die Verwaltungsroutinen. „Für die Bußgeldbehörden ist es bei der Plausibilitätsprüfung schwer, so einen Schwindel aufzudecken“, sagt Christian Demuth, Fachanwalt für Strafrecht und spezialisiert auf Verkehrsstrafrecht. „Mir ist kein Fall einer Verurteilung bekannt.“ Ein Grund könnte sein, dass die Bußgeldstellen oft knapp besetzt sind und deshalb die Angaben des Strohmanns meist ungeprüft übernehmen.
Das zahlen Verkehrssünder für den “Service“
Sich von einem anderem die Punkte abnehmen zu lassen, ist nicht billig. Neben Bußgeld und Gebühren zahlt ein Betroffener für einen Geschwindigkeitsverstoß über 31 Stundenkilometer zum Beispiel 400 Euro an die Agentur. Ein Monat Fahrverbot kann 300 Euro kosten. Plus Bearbeitungsgebühr von etwa 100 Euro sind es dann insgesamt gut 1 000 Euro, die ein Verkehrssünder zahlen muss, wenn er der amtlichen Ahndung entgehen will.
Punkteregeln sind härter geworden
Das Angebot dürfte vor allem für jene Fahrer interessant sein, die sich in einer Notlage befinden und durch ihren Punktestand den Job verlieren könnten, „etwa weil sie als Außendienst– oder Kurierfahrer unterwegs sind“, sagt Fachanwalt Demuth. Für Autofahrer hat sich seit der Punktereform im Jahr 2014 die Situation verschärft. Bereits bei acht Punkten ist der Führerschein weg. Und: Fahrer haben nur ein Mal innerhalb von fünf Jahren die Chance, einen Punkt abzubauen, solange sie höchstens fünf Punkte haben.
Punkteübernahme – erlaubt oder nicht?
„Punktehandel im Internet ist kein Kavaliersdelikt“. Das erklärt das Kraftfahrtbundesamt. „Es ist im öffentlichen Interesse, dass die in einem Bußgeldbescheid festgesetzten Sanktionen die wahren Täter treffen“. Zur Strafbarkeit der Beteiligten hat sich die Behörde auf Anfrage aber nicht geäußert und an die Staatsanwaltschaften verwiesen, die für die Verfolgung von Straftaten zuständig sind. Auf Nachfrage von test.de sagt Oberstaatsanwalt Horst Nothbaum von der Staatsanwaltschaft Cottbus und ihrer Zentralstelle zur Bekämpfung der Computer und Datennetzkriminalität: „Wir haben zum Thema Punktehandel kein Urteil vorliegen“. Ein Sprecher des Automobilclubs ADAC warnt: „Beim Punktehandel läuft man Gefahr, sich beispielsweise wegen falscher Verdächtigung strafbar zu machen.“ Der Automobilclub rät dringend davon ab, selbst oder durch eine andere Person falsche Angaben zum Fahrzeugführer zu machen. Wegen falscher Verdächtigung nach Paragraf 164 Strafgesetzbuch macht sich derjenige schuldig, der einen anderen bei einer Behörde fälschlicherweise einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigt.
Wahrscheinlich liegt eine Gesetzeslücke vor
Aber passt das auf das Modell der Punktetrickserei? „Beim richtig ausgeführten Punktehandel bezichtigt der tatsächliche Fahrer keinen Anderen eines Verkehrsverstoßes, sondern der Strohmann nur sich selbst,“ erklärt Anwalt Demuth. „Die Selbstbezichtigung einer Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht strafbar.“ Danach wäre die Punkteübernahme kein Fall für den Strafrichter. Diskutiert wird aber auch der Vorwurf der „mittelbaren Falschbeurkundung“ nach Paragraf 271 Strafgesetzbuch, weil der Strohmann ja eine unwahre Angabe abgibt, die im Fahreignungsregister gespeichert wird. Auch hier sieht Fachanwalt Demuth aber keine Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit: „Das Verhalten ist meiner Auffassung nach nicht strafrechtlich relevant. Die Daten und Aufzeichnungen, die das Kraftfahrtbundesamt und die Bußgeldbehörden erstellen und speichern, sind keine Urkunden im Sinne des Strafgesetzbuchs, auch das Fahreignungsregister ist keine öffentliche Urkunde. Es liegt also hinsichtlich der Strafbarkeit eine Gesetzeslücke vor.“
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