
Der Nichtsommer 2011 hatte auch etwas Gutes: Die Züge fuhren deutlich pünktlicher als vor einem Jahr. An einzelnen Hitzetagen war damals zeitweise die Hälfte der Fernzüge verspätet unterwegs. Im Juli und August 2011 sieht die Pünktlichkeitsstatistik der Deutsche Bahn (DB) deutlich kundenfreundlicher aus. Die Stiftung Warentest hat mehr als 300 000 Zugankünfte ausgewertet.
Mehr als 300 000 Zugankünfte ausgewertet
Basis: Auf www.bahn.de erfasste Ankunftszeiten von Fernzügen an 20 Bahnhöfen. Streiks wirkten sich zum Beispiel am 26.10.2010, am 22. und 25.02.2011 aus. Ausgefallene Züge blieben unberücksichtigt. In der zweiten Aprilhälfte gibt es aus technischen Gründen eine Datenlücke.
Wer am 23. Juli oder am 10. August 2011 eine Bahnreise unternommen hat, kann von Glück reden. Es waren die Tage des Sommers 2011 mit den besten Pünktlichkeitswerten: 87 beziehungsweise 86 Prozent der ICE und anderen Fernzüge erreichten die 20 Testbahnhöfe mit einer Verspätung von weniger als 6 Minuten. Rund zwei Drittel kamen sogar pünktlich an – exakt nach Fahrplan oder maximal eine Minute danach. Bei Zugläufen, die sich oft über viele hundert Kilometer quer durch Deutschland erstrecken, sind dies recht gute Werte. Eine derartige Zuverlässigkeit kann an stark frequentierten Verkehrsknotenpunkten kein anderes Verkehrsmittel bieten. Basis der Auswertung sind die Ankunftszeiten von monatlich mehr als 150 000 Zügen. Exakt waren es 322 849. Deren Daten hat die Stiftung Warentest über das Kundeninformationssystem der DB („Ist mein Zug pünktlich?) erfasst.
Tendenziell besser
Die Stiftung Warentest hatte bereits die Pünktlichkeit im Zeitraum von Juli 2010 bis Juni 2011 untersucht (test 09/2011). Der aktuelle Schnelltest ermöglicht den Vergleich der Pünktlichkeitswerte von Juli 2010 mit Juli 2011. Hier zeigt sich eine erfreuliche Verbesserung. Der Anteil der verspäteten Fernzüge (ab 6 Minuten) reduzierte sich um mehr als ein Drittel: Von 34 auf 21 Prozent. An praktisch allen untersuchten Bahnhöfen profitierten die Reisenden davon. Die Chance, bei knappen Umsteigezeiten einen Anschlusszug zu erreichen, verbesserte sich dadurch erheblich. Verantwortlich für die positive Entwicklung ist nicht nur das Wetter: Die Deutsche Bahn hatte nach dem Klimaanlagen-Chaos im Vorjahr Konsequenzen gezogen. Zum Beispiel wurden auch Mitarbeiter geschult, um die sensible Technik besser zu beherrschen.
Vierte Augustwoche verhagelt die Bilanz
Dass die Bahnwelt jedoch alles andere als heil ist, zeigen die überdurchschnittlich häufigen Verspätungen während der vierten Augustwoche. Negative Ausreißer hier: Der 25. und 26. August. An diesen Tagen erreichten etwa 40 Prozent der Fernzüge die Bahnsteige mit Verspätungen von 6 Minuten oder mehr. Grund waren nicht nur Unwetter, sondern auch zahlreiche andere Ursachen. Das grundsätzliche Problem: Engpässe an Knotenpunkten, eingleisige Streckenabschnitte, Langsamfahrstellen und vielfältige technische Störungen bremsen ganzjährig immer wieder den Zugverkehr. Relativ häufig verspäteten sich die Fernzüge an Verkehrsknotenpunkten wie den Hauptbahnhöfen Hamburg und Berlin.
ICE top, Nachtzug Flop
Interessant für Bahnkunden sind die aktuellen Pünktlichkeitswerte des ICE. Das DB-Flaggschiff fuhr an den Sommertagen im Schnitt pünktlicher als alle anderen Fernzüge. Vier von fünf ICE erreichten die Bahnhöfe pünktlich oder mit nur wenigen Minuten Verspätung. In der Vergangenheit sah das noch anders aus: Im Winterchaos musste die Bahn ihren Hochgeschwindigkeitszügen notgedrungen ein Tempolimit verordnen. Damals erwiesen sich die – meist älteren – mit Lokomotiven bespannten IC-Züge als vergleichsweise zuverlässig. Auch aktuell schneiden die IC-Züge nur wenig schlechter ab als der ICE und deutlich besser als EC-Züge. Schlusslichter sind nach wie vor die Nachtzüge.
Nahverkehr: Die pünktlichsten Züge im Test
Im Vergleich aller Zugarten halten die Regionalbahnen (RB) ihre Fahrpläne am besten ein. In den beiden Sommermonaten kamen immerhin 93 Prozent von ihnen pünktlich an oder verspäteten sich allenfalls um wenige Minuten. Nur 7 Prozent waren 6 Minuten oder mehr verspätet. Bei den Regionalexpresszügen (RE) lag diese Quote bei 14 Prozent. Durchschnittswert für alle Nahverkehrszüge an den 20 Bahnhöfen: 11 Prozent mit Verspätungen ab 6 Minuten. Relativ pünktlich war der Nahverkehr vor allem im Südwesten, in Mannheim, Freiburg und Stuttgart. Bestwerte erzielten die in Saarbrücken ankommenden Züge.
Gutes Signal: Mehr Transparenz
Die DB hat angekündigt, ab 20. September monatlich über die Pünktlichkeitswerte zu informieren – aufgeschlüsselt nach Nah- und Fernverkehr. Die Bahnmanager verweisen darauf, dass im Jahr 2011 immerhin 6 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert werden. Dies stärke auch die Pünktlichkeit.