Psycho­therapie Wie Sie mit Neben­wirkungen richtig umgehen

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Psycho­therapie - Wie Sie mit Neben­wirkungen richtig umgehen

Passt es? Patient und Psycho­therapeut müssen harmonieren. Sonst wirkt die Behand­lung nicht effektiv. ©  Fotolia / Photographee.eu

Wie Arznei­mittel haben auch Therapien oft unerwünschte Neben­wirkungen – emotionale, aber auch körperliche. Wer mit ihnen umgehen kann, hat gute Chancen auf einen erfolg­reichen Abschluss seiner Therapie. test.de ordnet übliche Neben­wirkungen einer Psycho­therapie ein und gibt Tipps, wie Patienten damit am besten umgehen.

Psycho­therapie wirkt

Sieben von zehn Patienten geht es nach einer Psycho­therapie und sogar noch ein Jahr später deutlich besser als zuvor. Das berichtete bereits 2011 zum Beispiel die Techniker Krankenkasse in einer groß­angelegten Unter­suchung mit mehr als 900 Teilnehmern. Oft sind die Sitzungen sogar wirk­samer als manch medizi­nisches Verfahren gegen körperliche Erkrankungen, wie etwa eine Bypass-Operation bei verstopften Arterien oder Medikamente gegen Arthritis.

Mit unangenehmen Dingen auseinander­setzen

Den positiven Aspekten steht aber auch ein gewisses Risiko gegen­über. Ähnlich wie Tabletten, Spritzen und OPs haben auch Behand­lungen durch den Therapeuten oft unerwünschte Neben­wirkungen – emotionale und auch körperliche. „Die Psycho­therapie greift in die Leben der Patienten ein und zwingt sie, sich auch mit unangenehmen Dingen auseinander­zusetzen“, sagt Bernhard Strauß, Direktor des Instituts für Psycho­soziale Medizin und Psycho­therapie am Universitäts­klinikum Jena. Neben­wirkungen gehörten deshalb dazu. „Noch ist darauf aber nicht jeder Patient ausreichend vorbereitet“, so der Experte.

Trauriger als vor der Behand­lung

Mit welchen Problemen die Teilnehmer ambulanter Therapien zu kämpfen haben, zeigt eine Studie der Universitäten Marburg und Hamburg. Danach berichteten 183 von 195 Patienten, sie hätten zumindest vorüber­gehend unter unerwünschten Neben­effekten ihrer Therapie gelitten. Gut ein Drittel der Befragten fühlten sich weniger belast­bar, gut 17 Prozent waren trauriger als vor Beginn der Behand­lung; einige hatten sogar erst­mals Suizid­gedanken oder beklagten Konzentrations­schwächen. Jedem zehnten setzte die Angst zu, dass Arbeits­kollegen von der Behand­lung erfahren könnten. Nach einer Erhebung der Tech­nischen Universität Dresden und der Psycho­logischen Hoch­schule Berlin klagen zudem rund 3 Prozent der Patienten nach Therapieende über mehr psychische Beschwerden als vorher. Bei mehr als einem Viertel schlug die Behand­lung gar nicht an. Die Symptome blieben.

Beipack­zettel für Psycho­therapie

Wer mehr und wer weniger von Psycho­therapien profitiert – und warum –, ist noch unklar. „Das ist wie bei Arznei: Nicht bei jedem Patienten hilft dieselbe Pille und nicht jeder verträgt sie gleich gut“, sagt Michael Märtens, Leiter des Master­studiengangs Psycho­soziale Beratung und Recht an der Frank­furt University of Applied Sciences. Bei psychischen Leiden sei das nicht anders: Auch da passe nicht jedes Verfahren zu jedem Patienten. Dem Psycho­logen ist es wichtig, über diese Risiken aufzuklären. Märtens hat in einem Projekt der österrei­chischen Donau-Universität Krems einen Beipackzettel für Psychotherapie mitentwickelt, der dort in Psycho­therapiepraxen ausliegt. Explizit weist der Bogen etwa auf die Gefahr von Beziehungs­problemen hin. Zur Sprache kommt auch, dass manche Patienten den Therapeuten irgend­wann als eine Art Freund ansehen und dessen Arbeit nicht mehr als professionelle Unterstüt­zung begreifen.

Vor Neben­wirkungen sind Patienten auch bei einer Koryphäe nicht gefeit

Nicht jeder Therapeut kann alle Störungen gleich gut behandeln. Manche verstehen ihr Hand­werk besser als andere. Wie in der Medizin gibt es auch unter Psycho­therapeuten Spezialisten für die verschiedenen Krank­heits­bilder. Vor Neben­wirkungen sind Patienten aber selbst dann nicht gefeit, wenn sie bei einer Koryphäe landen. Beruhigend: Weniger erfahrene Therapeuten verursachen in der Regel keine schwereren Neben­wirkungen als Kollegen mit jahr­zehnte­langer Praxis.

Begleit­erscheinungen müssen nicht gegen die Therapie sprechen

Patienten sollten sich klarmachen: Die unangenehmen Begleit­erscheinungen müssen kein Zeichen dafür sein, dass etwas schiefläuft. Sie treten auch auf, wenn der Therapeut alles korrekt macht – oder gerade weil er das tut. Denn: In einer Psycho­therapie liegt der Fokus auf den unerfreulichen Seiten des Lebens. Schwächen und Probleme des Patienten kommen zur Sprache. Das kann nach­denk­lich stimmen, manche Menschen aber auch über­fordern, depressive Symptome auslösen oder verstärken – „natürliche Reaktionen, wenn man sich gezielt mit problematischen Lebens­inhalten beschäftigt“, sagt Strauß.

Wie ein psychischer Muskelkater

Forscher vergleichen solche Neben­wirkungen oft mit dem Muskelkater nach einem ausgedehnten Training – denn auch in der Psycho­therapie trainieren die Patienten: Sie üben neue Denk- und Verhaltens­weisen, hinterfragen alte Muster, arbeiten Erleb­nisse aus der Vergangenheit auf. In einer Verhaltens­therapie zum Beispiel müssen sich Angst­patienten ihren Sorgen stellen und die über­bordenden Gefühle aushalten lernen, bis sie abebben und irgend­wann ausbleiben. Das tut weh. Doch wie die Muskeln beim Training wird der Patient bei der Therapie stärker. Am Ende ist er belast­barer als zuvor.

Konflikte mit der Familie sind häufig

Nicht nur die Patienten selbst müssen mit Neben­wirkungen zurecht­kommen. Auch ihre Angehörigen werden durch die Therapie oft in Mitleidenschaft gezogen. „Viele Paare oder Familien haben jahre­lang mit den Symptomen der psychischen Erkrankung gelebt, sich mit ihnen arrangiert“, sagt Strauß. „Veränderungen durch eine Therapie bringen dieses Gefüge dann aus dem Gleichgewicht und sorgen für Konflikte.“ Ein Beispiel: Der Patient lernt in der Therapie, seine eigenen Bedürf­nisse durch­zusetzen – eine Eigenschaft, die die Familie bislang nicht an ihm kannte. Reibereien sind dann nicht ungewöhnlich und sogar Trennungen keine Seltenheit.

Aufklärung beugt Risiken vor

Neben­wirkungen lassen sich zwar nicht verhindern, aber eingrenzen oder auffangen. Die Aufklärung durch den Psycho­therapeuten ist dabei ein wichtiger Schritt – und seine gesetzliche Pflicht. Oft brechen Patienten die Behand­lung ab, weil sie falsche Erwartungen haben und nicht mit Begleit­effekten rechnen. Das lässt sich vermeiden – gemäß der Devise: Zu Risiken und Neben­wirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Therapeuten.

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Antefix am 30.10.2015 um 11:53 Uhr
Erkenntnis, Anerkennung und Qualität...

der Psychoanalyse und ihrer Therapien sind m.E. die Grundvoraussetzungen für mehr oder weniger Erfolge bei weiß Gott sehr unterschiedlichen Patienten. Diese wurden i.d.R. zuvor von mehreren Schulmedizinern bloß medikamentös, nur selten ganzheitlich behandelt; denn dazu sind die Approbationen, die Zeit und reziprok das Honorar selten ausreichend. Per Überweisung gefundene gute Therapeuten, besser noch Psycho-Neurologen werden zunächst die Persönlichkeit und ihre Verhaltensweisen in vergangenen alltäglichen Handlungen der Patienten zu ergründen suchen, um seelische Auslöser für Fehlhaltungen zu erkennen, die dann - oft ohne Arzneien, und leider etwas langwierig - zu allererst korrigiert werden müssen. Dazu bedarf es bewusster, ehrlicher Eingeständnisse des Patienten, die nicht jedem liegen. Das Volksleiden Rückenschmerz liefert dafür mittlerweile viele Erfolgsbeispiele und hat zur Bildung von orthopädischen Leitlinien mit inzwischen zurückgehenden Wirbelsäulen-Operationen geführt.