
Therapieplatz finden. Eine ziemlich hohe Hürde, aber nicht unmöglich, sie zu nehmen, und ein erster wichtiger Schritt zur Genesung. © Getty Images / Irina Strelnikova
Therapieplätze für psychisch kranke Menschen in Deutschland haben lange Wartelisten. Gezieltes Vorgehen kann helfen. Ein Leitfaden.
Sprechstunde nutzen. Wer sich seelisch belastet fühlt, kann die Psychotherapie-Sprechstunde in Anspruch nehmen. Sie kann mehrere Sitzungen umfassen, maximal 150 Minuten. Darin wird abgeklärt, welche Hilfe jemand konkret benötigt. Das muss nicht immer eine Psychotherapie sein.
Hilfe bei Terminfindung. Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung vermitteln innerhalb von zwei Wochen Termine für eine Akutbehandlung, innerhalb von vier für die Sprechstunde oder die Probesitzungen vor einer Psychotherapie (Probatorik), nicht aber für eine Psychotherapie selbst.
Selbst suchen. Versicherte können sich für einen Termin direkt an eine Praxis wenden. Die Krankenkassen versenden auf Anfrage Listen mit Adressen von Behandlern in der Region. In den Onlinesuchhilfen der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) können Sie zusätzlich nach Geschlecht, Therapierichtung oder Behandlungsschwerpunkten des Therapeuten filtern unter: bptk.de/service/therapeutensuche und dptv.de
Gruppe finden. Statt Einzeltherapie kann es auch eine Gruppentherapie sein. Nicht jede Praxis bietet sie an. Auf der Webseite einer Praxis finden Sie Informationen. Gruppenpsychotherapeuten können Sie online über die Bundespsychotherapeutenkammer suchen: bptk.de/service/therapeutensuche und dptv.de
Psychotherapie beantragen. Wird eine Psychotherapie angeraten, muss sie bei der Krankenkasse beantragt werden. Therapeutin oder Therapeut helfen dabei. Zusätzlich muss ein Arzt klären, dass die psychischen Beschwerden keine körperlichen Ursachen haben.
Probesitzungen. Bevor eine Psychotherapie beginnt, müssen Patienten die sogenannte Probatorik absolvieren. Diese zwei bis vier Probesitzungen dienen dazu, dass Patient und Therapeut sich kennenlernen und prüfen, ob sie einander mögen und vertrauen. Das ist für den Erfolg der Behandlung unerlässlich.
Therapierichtung und Dauer. Die gesetzlichen Kassen zahlen vier wissenschaftlich anerkannte Verfahren: Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte und Analytische Psychotherapie sowie Systemische Therapie. Sie genehmigen dafür unterschiedliche Stundensätze je nach Verfahren und je nachdem, ob es sich um Einzel- oder Gruppentherapie handelt. Eine Kurzzeittherapie ist unabhängig vom Verfahren zwölf Sitzungen lang.
Junge Patienten. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten haben eine gesonderte Ausbildung für den Umgang mit jungen Patienten. Sie sind die richtigen Ansprechpartner für alle unter 21 Jahren. Ab 18 Jahren können Versicherte aber auch zu einem Erwachsenentherapeuten gehen.
Wer privat krankenversichert ist und eine Psychotherapie beginnen möchte, sollte vorher in seinem Vertrag nachsehen, ob und in welchem Umfang diese bezahlt wird. Das variiert je nach Anbieter und Tarif.
Therapieformen in der Gruppe
Es kann leichter sein, einen Platz in einer Gruppentherapie zu bekommen als eine Einzeltherapie. Mehrere Therapievarianten in der Gruppe werden von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannt.
1. Psychodynamische Gruppentherapien:
Ursprung. Die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Psychotherapie haben ihre Wurzeln in der Psychoanalyse und werden auch als „psychodynamisch“ zusammengefasst.
Menschenbild. Die Ursache einer psychischen Erkrankung liegt in früheren, ungünstigen Erfahrungen, vor allem in der Kindheit. Dadurch entstehen innere Konflikte, die verdrängt werden, unbewusst sind. Sie beeinflussen Denken, Verhalten und begünstigen ungute Beziehungsmuster – die auch in der Gruppe sichtbar werden können.
Therapie. Rückmeldungen von Gruppe und Therapeuten ermöglichen ein tieferes Verständnis für die eigenen inneren Konflikte und regen Veränderung an, etwa ein neues Verhalten in der Gruppe.
2. Verhaltenstherapie in der Gruppe:
Menschenbild. In der Verhaltenstherapie geht man davon aus, dass ein Großteil der psychischen Eigenschaften eines Menschen, sein Denken, Fühlen und Verhalten, erlernt sind, unter anderem im menschlichen Miteinander.
Therapie. Ungünstige Erfahrungen werden aufgearbeitet. Rückmeldung aus der Gruppe ermöglicht, die Wirkung auf andere zu erkennen. Gemeinsam mit der Gruppe werden neue Verhaltensmuster alltagsnah eingeübt. Verhaltenstherapeutische Gruppen folgen oftmals einem strukturierten Vorgehen. In den Sitzungen machen Patienten und Patientinnen nicht nur lehrreiche Erfahrungen im Austausch mit den anderen Teilnehmenden, sondern ihnen wird durch die Psychotherapeutin auch hilfreiches Wissen über die Erkrankung vermittelt.
3. Systemische Gruppentherapie:
Ursprung. In der Systemischen Therapie wird ursprünglich hauptsächlich mit Gruppen gearbeitet, nämlich mit Mitgliedern einer Familie oder Paaren. Sie ist deshalb auch als Familientherapie bekannt.
Menschenbild. Die Annahme ist, dass eine psychische Erkrankung ihre Ursache unter anderem in der alltäglichen Interaktion mit der Familie hat. Der Mensch wird als Teil eines sozialen Systems gesehen.
Therapie. Gruppensitzungen können eine Familie umfassen, oder auch mehrere Familien. Zugespitzte Fragen und aktive Methoden sollen festgefahrene Beziehungen verändern, und damit auch die psychische Problematik. Die Patienten sind Experten für ihre Situation, Gruppe und Therapeut geben lediglich Anstöße für Änderungen.
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@alle: Unsere Berichterstattung zum Problem des Rechts auf eine Leistungsverweigerung seitens des Versicherers, wenn Antragsstellende die Gesundheitsfragen absichtlich oder versehentlich falsch beantwortet haben, finden Sie unter dem folgenden Link:
www.test.de/Versicherungsantrag-Mit-Gesundheitsfragen-optimal-umgehen-4648167-0
Die Stiftung Warentest rät, die Gesundheitsfragen sorgfältig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Versicherten können nicht davon ausgehen, dass ein Versicherer im Leistungsfall auf keinen Fall etwas über eine verschwiegene Behandlung / Erkrankung erfährt. Versicherte riskieren mit einer Falschauskunft ihren Schutz, was z.B. beim Eintritt einer Berufsunfähigkeit sehr gravierende Folgen haben kann.
Ich wünsche jedem, dass er schnelle Hilfe für die Seele findet, seine Probleme löst und beruflich mit seinem Leben durchstarten kann. Wer aber dann einen Kredit für den Kauf einer (Arzt-)Praxis oder für eine andere Existenzgründung aufnehmen will, bekommt massive Probleme. Für einen solchen Kredit verlangt die Bank zur Absicherung immer den Abschluss einer Lebensversicherung. Oft ist zur Absicherung auch noch eine Berufsunfähigkeits- oder eine Krankentagegeldversicherung nötig oder sinnvoll. Diese Versicherungen kann man nach einer Psychotherapie nur mit sehr schwer finanzierbaren Risikoaufschlägen oder gar nicht mehr abschließen. Denn in der vorgeschalteten Gesundheitsprüfung wird von jeder Versicherung gefragt: „Haben Sie (in den letzten 5 Jahren) eine Psychotherapie gemacht?“ Auch vor einer Verbeamtung steht eine solche Gesundheitsprüfung. Das alles wurde verschwiegen, mein Leserbrief nicht gedruckt. Weitere Infos unter https://www.meg-frankfurt.de/fuer-klientencoachees/
Hallo,
die Seiten haben kein Impressum, und bei der ersten Suche keine Referenzen.
Bitte mal überprüfen.
Zeitschrift PSYCHOTHERAPIE : Was ist das?
Viele Leute brauchen einfach einen Ansprechpartner und nicht die psychiatrische Chemiekeule, die auf Dauer ohnehin nichts bringt.
Sprechstunden und Videokonferenz sind hier brauchbare Optionen.
Richtig wird festgestellt, dass "die Pandemie eine positive Veränderung" brachte. Dies war jedoch nicht nur die Videobehandlung, denn die gab es auch schon vorher. Die echte Psychotherapie-Innovation war die TOP-Verhaltenstherapie, die von der Zeitschrift PSYCHOTHERAPIE (https://psychotherapie.de) als "Beste Psychotherapie 2022" bezeichnet wird. Das Erstaunliche an dieser Psychotherapie ist, dass es sie nach Aussage der Zeitschrift noch ohne Wartezeiten gibt. Das liegt aber wohl daran, dass die TOP-Verhaltenstherapie nicht video-basiert, sondern text-basiert ist. "Tatsächlich nutzte ein Großteil der Psychotherapeuten während der Corona-Zeit Videoschalten für Therapiesitzungen", schreibt test.de. Das ist natürlich einfacher, denn wer mag heute noch schreiben, wo selbst Autoren, die früher Bücher schrieben, auf Youtube-Videos umsteigen. Erstaunlich, dass den Autoren von test.de diese Entwicklung der Krisen- bzw. Pandemie-Psychotherapie unbekannt geblieben ist.