
Rechts vor links. Versierte Betrüger provozieren Unfälle dort, wo die Umstände für sie sprechen.
Wer bei einem Autounfall die Schuld bekommt, hat manchmal einfach Pech gehabt. Mitunter fahren Betrüger ihren Opfern nur ins Auto, um die Versicherung abzukassieren. Oft bleiben diese Betrüger über Jahre unentdeckt und treiben ihr Unwesen. test.de sagt, welche Indizien für einen vorsätzlich provozierten Unfall sprechen und gibt Tipps.
23 vorsätzliche Unfälle nachgewiesen
Vorsichtig tastet sich die 18-Jährige in die Kreuzung hinein. Sieht nach rechts. Sieht nach links. Dann kracht ein Mercedes in ihren Wagen. Auf den ersten Blick ein klarer Fall: Der Mann hatte Vorfahrt. Wenige Tage später erwischt derselbe Mercedes ein Auto, das gerade ausparkt. Kurz darauf nimmt er auf einem Parkplatz einen weiteren Pkw ins Visier. Doch diesmal konnte ein Zeuge rechtzeitig eingreifen. Er hatte gesehen, dass der Mercedes schon geraume Zeit auf dem Parkplatz spazieren fuhr. Warum, wurde klar, als der Fall vor Gericht ging. „Der Fahrer war darauf aus, Blechschäden zu provozieren“, erzählt Markus Fillinger, Richter am Landgericht Weiden. 23 vorsätzliche Unfälle wies das Gericht dem Täter nach. Innerhalb von drei Jahren hatte er 100 000 Euro von Versicherungen kassiert. Das Urteil: fünfeinhalb Jahre Haft.
Perfide Masche
Provozierte Unfälle gibt es täglich, berichten Versicherer wie Allianz, Generali oder VHV. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt, dass jeder zehnte Blechschaden geplant ist. Lukrativ ist das, weil die Täter fiktiv abrechnen: Sie legen ein Gutachten vor, das die Reparaturkosten beziffert und lassen sich den Betrag vom Versicherer auszahlen. Das ist legal. Statt das Auto in die Werkstatt zu geben, dürfen sie auch das Geld einstecken. Mit dem Wagen bauen sie dann den nächsten Unfall. Versierte Täter wählen Stellen, an denen alles für sie spricht: Rechts-vor-links-Ecken, Parkplätze. Unfallgutachter Professor Hans Bäumler: „Mitunter lauern sie hinter dem Häuschen für Einkaufswagen.“ Oder sie geben dem Opfer Handzeichen vorbeizufahren und drücken dann aufs Gaspedal. Geschätzter Jahresschaden laut GDV: rund zwei Milliarden Euro.
Indizien für einen vorsätzlichen Crash
Typisch ist, dass die Opfer sich nicht erklären können, woher das andere Auto so plötzlich kam. Da der andere Vorfahrt hatte, suchen sie den Fehler meist bei sich – an Betrug denken die wenigsten. Dabei gibt es eine Reihe von Indizien:
- Die Unfallsituation ist eindeutig, der Unfall selbst aber unerklärlich. Beim Ausparken, einem Spurwechsel oder Linksabbiegen fahren die Betrüger so langsam, dass dem Opfer Zeit zum Abbiegen bleibt. Dann geben sie Gas.
- Der Unfall passiert an einer Ampel: Springt sie auf Gelb, legt der Täter abrupt eine Vollbremsung hin. Ähnlich läuft es an Zebrastreifen, den ein Komplize als Fußgänger unvermittelt überquert.
- Der Unfallgegner fährt ein teures Auto, etwa einen S-Klasse-Mercedes. Das hat zwar schon diverse Buckel und Dellen, dennoch ergeben Gutachten hohe Reparaturkosten.
- Das Opfer sitzt allein am Steuer. Täter suchen auch gern junge, unerfahrene Fahrer aus oder ältere. Einige Betrüger verfolgen systematisch ortsfremde Fahrer.
- Der Gegner wirkt nach dem Zusammenstoß ruhig und routiniert, wie jemand, der das nicht zum ersten Mal erlebt.
- Aus dem Nichts tauchen Zeugen auf, die den Unfallgegner zu kennen scheinen.
Versicherer steuern gegen
Wer glaubt, Opfer eines Unfallbetrügers geworden zu sein, sollte das dem Versicherer melden. „Unsere Betrugsprävention geht solchen Hinweisen nach, unter anderem mit Ortsterminen und Rekonstruktionsgutachten“, sagt Christian Krause, Sprecher der Generali-Versicherungen. VHV-Sprecher Lutter betont: „Auch wenn der Kunde keinen Verdacht hegt, prüfen wir Ungereimtheiten in Unfallberichten.“ Allianz-Sprecherin Susanne Seemann berichtet von einem Kunden, den der Unfallgegner massiv zu einem Schuldeingeständnis drängte. Die Polizei ermittelte später, dass der Täter 30 Unfälle in vier Jahren hatte. Er bekam zwei Jahre Haft.
Jahrelang unentdeckt
Dass es den Betrügern oft gelingt, jahrelang unentdeckt ihr Unwesen zu treiben, hat einen simplen Grund: Die Opfer sind meist bei verschiedenen Gesellschaften versichert. So fällt die Häufung der Schäden zunächst nicht auf. Auch das Hinweis- und Informationssystem (HIS) des GDV ändert daran wenig: Es sammelt zwar seit 2011 alle Fälle von fiktiven Abrechnungen. Erfasst wird aber nur das Auto, bei dem die Reparatur fällig war. Angaben zum Halter bleiben hingegen meist geheim. Datenschutz.
Absicht lässt sich nachweisen
Viele Betrüger sind in Banden organisiert, doch es gibt auch Einzeltäter. Ein Essener Taxifahrer etwa baute in neun Monaten sieben Unfälle. Erst beim letzten konnte das Landgericht Essen Vorsatz nachweisen (Az. 12 O 141/11). Gutachter Professor Karl-Heinz Schimmelpfennig errechnete, dass der Mann 2,3 Sekunden Zeit hatte, um einen Crash zu vermeiden. Doch er lenkte auf den anderen Pkw zu. Das zeigte der Kollisionswinkel. „Absicht lässt sich in der Regel nachweisen“, so der Experte.
Höhenunterschiede bei Beulen belegen etwa, dass der Täter entgegen eigener Aussage eine Vollbremsung hinlegte. In solchen Fällen hebt sich das Heck. Bei Streifkollisionen zeigen Kratzer und die Position der Autos, dass ein Wagen langsamer fuhr als angegeben. Meist, um zielen zu können. Auch das Reaktionsverhalten verrät viel. Normale Fahrer weichen aus – Betrüger nicht. Schimmelpfennig weiß: „Täter, die mehrere Unfälle gebaut haben, sind bald so von sich überzeugt, dass sie übermütig werden. Irgendwann haben wir sie dann.“
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