Diagnostizieren Ärzte durch einen Bluttest (PSA-Test) bei Männern Prostatakrebs, entfernen sie den Tumor oft in einer Operation. Nach einer aktuellen amerikanischen Studie ist es jedoch fraglich, ob die Betroffenen durch den Eingriff länger leben. Die Studie bestätigt die Bewertung der Stiftung Warentest: der PSA-Test ist zur Früherkennung von Prostatakrebs nicht geeignet.
Mit Prostatakrebs kann man alt werden
An der im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie der US-Veteranenbehörde haben 731 Männer mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren teilgenommen. Bei ihnen war durch eine Blutuntersuchung auf das prostataspezifische Antigen (PSA) eine Frühform von Prostatakrebs entdeckt worden. Nach dem Zufallsprinzip entfernten die Ärzte um Timothy Wilt bei rund der Hälfte der Patienten die Prostata, bei der anderen Hälfte warteten sie ab und führten keine Therapie durch. Im ersten Jahrzehnt nach der Operation war kein signifikanter Vorteil für die operierten Patienten erkennbar: In dieser Gruppe starben kaum weniger Männer als in der Vergleichsgruppe.
Meist andere Todesursachen
Interessant: Der Tod war in beiden Gruppen überwiegend auf andere Ursachen als das Krebsleiden zurückzuführen. An Prostatakrebs starben nur rund 7 Prozent der Patienten, wobei es keinen statistisch gesicherten Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab. Um sicher nachweisen zu können, dass eine Operation definitiv keinen Vorteil bringt, wären mehr Studienteilnehmer nötig gewesen. Doch es waren nicht mehr Männer bereit, sich nach dem Zufallsprinzip einer Operation oder dem Abwarten zuordnen zu lassen.
Eine frühe Diagnose ist unter Umständen problematisch
Die Anzahl der Untersuchungen – auch PSA-Test genannt – hat seit Ende der 1980er Jahre bei Männern über 50 Jahren stark zugenommen. Ziel ist es, Prostatakrebs möglichst früh zu erkennen und durch geeignete nachfolgende Maßnahmen sein Voranschreiten zu unterbinden. Ein routinemäßiges PSA-Screening gesunder Männer ist jedoch umstritten und daher in Deutschland bei symptomfreien Männern auch keine Kassenleistung zur Krebsfrüherkennung. Zwar können Ärzte damit Prostatakrebs in einem Frühstadium erkennen, aber in diesem frühen Zustand lassen sich aggressive Tumorformen derzeit noch nicht von harmlosen Formen unterscheiden. Der Test erkennt nämlich auch langsam wachsende Tumore, die zu Lebzeiten der Betroffenen wahrscheinlich niemals zu Beschwerden, geschweige denn zum Tod führen werden.
PSA-Test beschäftigt die Forscher
Ob der PSA-Test Leben rettet, beschäftigt die Forschung schon länger. So haben europäische und US-amerikanische Forscher 2009 ihre Studien im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Sie kamen damals zu unterschiedlichen Ergebnissen: In der Studie der Washington University School of Medicine waren nach sieben bis zehn Studienjahren in der Screening-Gruppe nicht weniger Männer an Prostatakrebs gestorben als in der Gruppe, die sich nicht hatte testen lassen. Die Studie des Erasmus Medical Center in Rotterdam fand dagegen nach 9 Studienjahren heraus, dass der PSA-Test die Sterberate an Prostatakrebs signifikant verringert. Damals konnten aber noch keine Aussagen dazu gemacht werden, ob sich die Anzahl der Männer, die insgesamt – unabhängig von der Todesursache – sterben, unterscheidet.
Weiterer Beleg durch europäische Studie
Jetzt – nach Auswertung von zwei zusätzlichen Beobachtungsjahren – zeigte die europäische Wissenschaftlergruppe aus Rotterdam: Der PSA-Test hat keinen Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit. Egal, ob die Männer sich hatten testen lassen oder nicht – 11 Jahre später unterschied sich die Gesamtsterberate nicht signifikant. An der Studie nahmen über 162 000 Männer in acht europäischen Ländern teil.
Operation birgt viele Risiken
Bei einem positiven PSA-Test wird die Prostata oft durch eine Operation entfernt. Das sollten sich Betroffene aber gut überlegen – auch wegen der zum Teil als gravierend empfundenen Neben- und Folgewirkungen. Wie Befragungsergebnisse des aktuellen Barmer GEK Reports Krankenhaus 2012 zeigen, ist die Lebensqualität nach einer Prostataoperation oft eingeschränkt: Rund 16 Prozent der Betroffenen klagen über Inkontinenz, 70 Prozent über Erektionsprobleme und 53 Prozent über sexuelles Desinteresse. Außerdem bestehen die üblichen Risiken von Operationen wie Infektionen, Blutungen und Verletzungen angrenzender Organe wie dem Darm.
Bei Diagnose Prostatakrebs nicht gleich operieren lassen
Die Stiftung Warentest rät:
- Test. Verzichten sie auf einen PSA-Test, wenn Sie keine Prostatabeschwerden haben. Möchten Sie den Test dennoch durchführen, müssen Sie ihn als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) aus eigener Tasche bezahlen. Die gesetzliche Krankenversicherung kommt dann nicht dafür auf.
- Folgen. Seien Sie sich im Klaren, dass bei einem positiven PSA-Test in drei von vier Fällen gar kein oder kein akut behandlungsbedürftiger Krebs vorliegt. Ein positiver Test kann aber psychisch sehr belastend sein und eine diagnostisch-therapeutische Lawine lostreten.
- Beratung. Nehmen Sie sich die Zeit, um über Alternativen zu einer Operation nachzudenken, wenn bei Ihnen eine Frühform von Prostatakrebs festgestellt wurde. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt die Möglichkeit einer aktiven Überwachung und langfristigen Beobachtung. Holen Sie gegebenenfalls bei einem anderen Arzt eine Zweitmeinung ein.
Tipp: Bei der Entscheidung für oder gegen eine Untersuchung Ihres PSA-Wertes als Früherkennungsuntersuchung kann auch der Besuch der Prostata-Infoplattform www.psa-entscheidungshilfe.de des Deutschen Krebsforschungszentrums, des AOK-Bundesverbands und der Uni Bremen helfen.