
Über die Firma Prokon Regenerative Energien ist am 1. Mai das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die gute Nachricht für die 75 000 Anleger, die Genussrechte halten: Ihre Forderungen werden genauso behandelt, wie die anderer Gläubiger. Anleger könnten daher auf Rückzahlung von 30 bis 60 Prozent ihrer Forderungen hoffen. Der Insolvenzverwalter hat zudem festgestellt, dass die Firma keine stillen Reserven habe, wie es die ehemalige Prokon-Führung angegeben hatte. Diese habe auch das Rechnungswesen „wissentlich vernachlässigt“ und ist jetzt fristlos entlassen worden.
Was ist aktuell geschehen?
Am 22. Januar hatte das Unternehmen Prokon Regenerative Energien einen Insolvenzantrag gestellt. Jetzt hat das Amtsgericht in Itzehoe entschieden, das Verfahren zu eröffnen (Aktenzeichen 28 IE 1/14). Es ist das viertgrößte Insolvenzverfahren in Deutschland, gemessen an der Zahl der Gläubiger.
Was müssen Anleger über das Insolvenzverfahren wissen?
Prokon Regenerative Energien ist zahlungsunfähig. Fälligen Zahlungsverpflichtungen von rund 391 Millionen Euro stehen nur 19 Millionen flüssige Mittel gegenüber. Darüber hinaus ist Prokon auch überschuldet: Vermögenswerten von etwa einer Milliarde Euro stehen Verbindlichkeiten über 1,5 Milliarden Euro gegenüber. Klagen von Anlegern gegen das Unternehmen sind nach diesen Feststellungen nun nicht mehr möglich. Informationen über das Verfahren werden unter www.insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin informiert unter www.prokon.net über den aktuellen Stand. Er hat zudem angekündigt, in den kommenden Tagen ein Informationsschreiben an die Gläubiger zu verschicken.
Was müssen Anleger jetzt tun?
Erst einmal gar nichts. Gläubiger müsse nur bis zum 15. September 2014 ihre Forderungen anmelden. Penzlin macht es den Anlegern aber leicht. Er will bis Mitte Juli fertig ausgefüllte Formulare an alle Gläubiger schicken, die diese nur noch unterschreiben und zurückschicken müssen, wenn alle Angaben darauf korrekt erfasst sind. Das ist einfach. Ein Anwalt ist dafür nicht erforderlich. Bis zum 15. Mai möchte der Insolvenzverwalter zudem eine Rückmeldung, wer zur ersten Gläubigerversammlung kommen möchte. Sie ist für den 22. Juli um 11 Uhr in der Hamburg Messe, Halle B6, Eingang Süd, Karolinenstraße 1 in Hamburg angesetzt. Die Prüfung der Forderungen wird dann bis Januar 2015 dauern.
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Müssen Anleger Zahlungsrückforderungen befürchten?
Bei einem Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter unter Umständen Zahlungen zurückfordern, die ein Unternehmen in den Wochen vor der Insolvenzanmeldung an Gläubiger geleistet hat. Anleger von Prokon, die zum Beispiel gekündigte Genussrechte ausgezahlt bekamen, müssen aber wohl nicht befürchten, dass der Insolvenzverwalter das Geld zurückhaben will. „Eine Anfechtung ist nur möglich, wenn der Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte“, erläutert der Rechtsanwalt Stefan Denkhaus, der mit Penzlin im Fall Prokon zusammenarbeitet. „Es hat drei Monate gedauert und dreier Rechtsgutachten bedurft, um festzustellen, dass Prokon zahlungsunfähig ist. Daher kann man wohl eher nicht davon ausgehen, dass Genussrechtsinhaber Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hatten.“
Wie ist die Lage von Anlegern, die ihre Genussrechte gekündigt haben?
„Mit Insolvenzeröffnung gelten alle Verbindlichkeiten als fällig“, erklärt Penzlin. Das bedeutet: Es spielt keine Rolle, ob jemand seine Genussrechte gekündigt hat oder nicht. Alle werden nun gleich behandelt.
Warum ist Prokon jetzt doch zahlungsunfähig?
Lange war unklar, ob Prokon überhaupt zahlungsunfähig ist. Denn die hohen Zahlungsverpflichtungen setzen sich zu einem Großteil aus gekündigten Genussrechten zusammen und Forderungen aus Genussrechten zählen oft nicht mit, wenn es um die Frage geht, ob ein Unternehmen zahlungsunfähig ist oder nicht. Prokon hat die Genussrechtsbedingungen aber unklar formuliert. Daher wurden drei Rechtsgutachter damit beauftragt, den Status zu klären. Alle drei kamen zum Ergebnis, dass die Forderungen der Prokon-Anleger zählen. Das Insolvenzgericht hat nun entschieden, dass die Genussrechtsbedingungen nicht transparent genug waren, die Forderungen daher nicht nachrangig sind und deshalb bei der Berechnung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden müssen.
Warum ist das eine gute Nachricht für die Anleger?
Es stand zu befürchten, dass viele Anleger klagen müssen und es jahrelang dauert, bis alle schwierigen Fragen rund um die Stellung der Anleger geklärt sind. Das hat das Insolvenzgericht den Anlegern und dem Unternehmen nun erspart. Außerdem haben die Genussrechtsinhaber mehr zu sagen, weil sie nun ganz normale Gläubiger sind. Zwei Genussrechtsinhaber sitzen im fünfköpfigen Gläubigerausschuss. Auf der ersten Gläubigerversammlung dürfen sie mit abstimmen.
Warum ist Prokon auch überschuldet?
Die alte Prokon-Führung hatte noch bis kurz vor dem Insolvenzantrag behauptet, das Vermögen der Gesellschaft decke das Genussrechtskapital von 1,4 Milliarden Euro mehr als ab. Das Vermögen laut Bilanz sollte demnach das Genussrechtskapital zu weiten Teilen abdecken. Darüber hinaus gebe es „stille Reserven“, weil der Marktwert der jeweiligen Investments höher sei als der Buchwert, mit dem sie bilanziert werden müssten. Nun hat der Insolvenzverwalter Gutachter mit der Klärung der Frage beauftragt, wie viel die Windparks und die anderen Geschäftsbereiche tatsächlich wert sind. Das für die alte Geschäftsführung wenig schmeichelhafte Ergebnis verkündete Penzlin auf einer Pressekonferenz zur Insolvenzeröffnung: „Es gibt keine stillen Reserven“. Die Windparks haben die Gutachter mit 410 Millionen Euro bewertet, die geplanten Parks mit 98 bis 128 Millionen Euro. Prokon hatte höhere Werte angesetzt. Bei den Darlehen, zum Beispiel für den Holzpalettenhersteller HIT Torgau und dessen rumänische Tochter HIT Timber, die Wald besitzt, befürchtet Penzlin Wertberichtigungen. Vorläufig setzt er für alle Darlehensforderungen und Beteiligungen 450 Millionen Euro an.
Wie viel Geld bekommen Anleger zurück?
Anleger müssen keinen Totalverlust befürchten. Sie dürfen aber auch nicht erwarten, dass sie ihre gesamten Forderungen erfüllt bekommen. Insolvenzverwalter Penzlin schätzt, dass die Quote zwischen 30 und 60 Prozent betragen könnte. Diese Spanne ist aber noch mit vielen Unsicherheiten versehen. Penzlin erwartet, dass das Ergebnis für die Gläubiger besser ausfällt, wenn Prokon nicht zerschlagen werden muss, sondern teilweise erhalten bleiben kann. Er will die Windparks und den Stromhandel fortführen, sich aber von anderen Finanzinvestments und Beteiligungen trennen – etwa im Bereich Pflanzenöl und Holz. Daher soll die erste Gläubigerversammlung darüber entscheiden, ob er einen Insolvenzplan ausarbeiten soll oder nicht. Die zweite Gläubigerversammlung soll dann darüber abstimmen, ob dieser umgesetzt wird oder nicht. Bei dieser Versammlung würden die Gläubiger wohl in Klassen eingeteilt. Die verschiedenen Gläubigerklassen müssten den Plan dann absegnen.
Wie kann ein solcher Insolvenzplan aussehen?
Unternehmensteile und Engagements, die nicht fortgeführt werden, sollen nach Möglichkeit verkauft werden. Den Erlös abzüglich der Kosten für das Insolvenzverfahren würde der Insolvenzverwalter an die Gläubiger ausschütten. Falls schon 2014 erste Verkäufe möglich sein sollten, wäre eine erste Zahlung im Jahr 2015 denkbar. Die Windparks und den Stromhandel will Penzlin fortführen. Der Insolvenzverwalter stellt sich vor, alle Genussrechte in Unternehmensanleihen zu tauschen, die verzinst und in Raten zurückgezahlt werden. Sie sollen auch an der Börse gehandelt werden können und mit den Vermögenswerten in Höhe von 560 Millionen Euro besichert sein. Aus alledem ergibt sich die erhoffte Rückzahlungsquote von bis zu 60 Prozent. „Die Anleger müssen daher Verluste von 40 Prozent oder mehr hinnehmen“, befürchtet Penzlin.
Wie ist die Rolle der alten Geschäftsführung zu beurteilen?
Penzlin hat dem Prokon-Gründer Carsten Rodbertus und dem Vertriebsleiter Rüdiger Gronau wegen Pflichtverstößen am 29. April 2014 fristlos gekündigt. Vor allem dem Rechnungswesen von Prokon Regenerative Energien stellt er ein verheerendes Zeugnis aus: „Das Rechnungswesen und das Controlling von Prokon befinden sich in einem ausgesprochen mangelhaften Zustand.“ Das sei darauf zurückzuführen, dass „die Geschäftsführung diesen wichtigen Unternehmensbereich über viele Jahre wissentlich vernachlässigt hat.“ Daher stellt sich die Frage, ob es nicht Ansprüche geben könnte, die gegenüber der alten Führung geltend gemacht werden könnten. Das will Penzlin nun prüfen.
Sollten sich Anleger bei Projekten der alten Geschäftsführung beteiligen?
Davon rät Stiftung Warentest angesichts der bisherigen Kenntnislage ab. In Planung waren sowohl eine Genossenschaft als auch eine Aktiengesellschaft. Nicht nur der Insolvenzverwalter stellt der alten Geschäftsführung ein schlechtes Zeugnis aus. Die frühere Wirtschaftsprüferin hat für 2012 sogar den Bestätigungsvermerk in deutlichen Worten versagt. Das ist extrem selten und wirft ein sehr schlechtes Licht auf die ehemals Verantwortlichen. Im Jahr 2013 hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert: Penzlin rechnet damit, dass ein Jahresfehlbetrag von 478 Millionen Euro ausgewiesen wird. In dieser Zahl sind allerdings Verluste aus 2012 mitenthalten, die die alte Geschäftsführung den Genussrechtsinhabern aufgebürdet hatte.
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Vielleicht sollten sie erwähnen, dass der Strompreis seit der Liberalisierung 1998 inflationsbereinigt billiger geworden ist. Teurer ist der Endkundenpreis ALLEIN durch höhere staatliche Abgaben geworden. Hauptursache hier: Das EEG, damit die Häuslebauer auch ja ihr garantiertes Einkommen haben.
Beteiligung an der bestehenden Geschäftsführung ist nur durch den Gläubigerausschuss möglich. Die Verluste entstanden buchmässig.
Haben die Genussrechtsinhaber die Mehrheit in der Gläubigerversammlung am 22.Juli.2014, besteht die Möglichkeit einen Plan zur Fortführung einzubringen und abzustimmen. Die Zerschlagung kann vermieden werden, wenn es dem Verein gelingt, bis dahin ein entsprechendes stimmiges Konzept vorzulegen und zu verabschieden. Immer vorausgesetzt der Insolvenzverwalter hat nicht wesentliche Teile vorab veräußert.
"Die Freunde von Prokon e.V." ist der vermutlich am schnellsten wachsende Verein in Deutschland, an vielen Tagen mit über 100 neuen Mitgliedern, inzwischen sind es ca. 4.000. Vereinsmitglieder mit einem Jahresbeitrag von 24 €. www.freunde-von-prokon.de
Der Verein will in Zusammenarbeit mit umweltorientierten Banken das notwendige Kapital aufbringen, damit Prokon 2.0 sich in Zukunft wieder erholen kann und das eingesetzte Kapital erhalten bleibt.
Die Presse und test griff gierig auf, „Geschäftemacherei mit Öko-Energie“„Der Öko-Euphorie des Grünen Gewissens folgt immer die blanke Ernüchterung.“ Die Genussrechtsinhaber werden bei einer Grundverzinsung von 6 % als gierig dargestellt, dies bei fehlender Fremdfinanzierung.
Es wird nach der Politik gerufen – haltet den Dieb -. ODER störte PROKON?
Bisher konnten die vier großen Stromkonzerne RWE, Vattenfall, EON und EnBW etwa 80% des Strommarktes unter sich aufteilen.
Die Endverbraucherpreise entwickelten sich von 2010 mit 24,38 Cent/kWh auf 29,21 Cent/kWh, damit um 19%. 2014 durchschnittlich gut drei Prozent.“
Fand man im test:
1. Die Strompreisgarantie von 24,9 Cent/kWh incl. MwSt bis 31.12.2015
2. Prokon hat ein Gesamtsystem durch das Angebot alles aus einer Hand geschaffen, von der Planung, Finanzierung, Erstellung bis zur Wartung.
PROKON bereits verteilt:
1. Die Stromkunden erhält EON,
2. Die Wälder IKEA
Wer soll am Dienstag, 22. Juli geschützt werden?
Kommentar vom Autor gelöscht.
Wie ist die Feststellung des Amtsgerichts Itzehoe zu werten, "dass die Nachrangklausel der Genussrechtsbedingungen (§ 10) gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 BGB verstößt [und die] Forderungen der Genussrechtsinhaber - gleich ob gekündigt oder nicht - [..] im (höchsten) Rang des § 38 InsO und damit gleichrangig" sind (Zusammenfassung von Prokon, http://www.prokon.net/content/?page_id=11)? Ist dies dann nicht bankenaufsichtsrechtlich als Betrieb des Einlagengeschäfts ohne die dafür nötige Erlaubnis anzusehen? Hätte die Bafin das nicht erfüllte Transparenzgebot und die Rechtsfolge des fehlenden Nachrangs nicht eigenständig erkennen müssen und Prokon den Geschäftsbetrieb untersagen bzw. zur Nachbesserung der AGB auffordern müssen?