
Die Programme bieten oft mehrere Module, die Nutzer ungefähr ein- bis zweimal pro Woche bearbeiten. © plainpicture / Wavebreak
Psychische Probleme am Computer behandeln? Besonders mit vier von acht geprüften Programmen kann das gelingen.
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Testergebnisse für 8 Onlineprogramme gegen Depression 07/2019Er fragt nach: „Welche Symptome belasten Sie am meisten? Welche Gefühle und Gedanken haben Sie dann?“ Er ist kein klassischer Psychotherapeut, sondern ein Computerprogramm. Seit einigen Jahren mehren sich Onlineangebote, die bei psychischen Leiden helfen wollen. Kann das funktionieren? Wir haben acht Programme für das Einsatzgebiet Depression getestet. Sie zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Viele wissen nicht, was sie tun können – zumal das Leiden ohnehin schon entmutigend und die Warteliste bei Psychotherapeuten oft lang ist.
Unser Rat
Empfehlenswert sind Deprexis 24, zwei Programme von Get.On sowie Moodgym. Da alle Besonderheiten haben, kann es lohnen, bei Unzufriedenheit ein zweites zu probieren. Denkbar ist die Selbsthilfe ergänzend zu einer regulären Therapie oder wenn eine Vor-Ort-Behandlung nicht möglich oder gewünscht ist. Für schwere Depressionen sind die meisten Angebote nicht gedacht. Weitere Informationen erhalten Sie im Buch Medikamente im Test – Depressionen (19,90 Euro, zu bestellen in unserem Shop).
Vier empfehlenswerte Programme

Mobil. Viele Programme laufen auch auf dem Smartphone, teils mit Extra-App.
Mithilfe von Fachgutachtern haben wir die Programme unter die Lupe genommen. „Empfehlenswert“ lautet das beste Urteil, das Deprexis 24, zwei Angebote von Get.On sowie Moodgym erhalten. Sie überzeugen beim Konzept, und Studien belegen ihre Wirksamkeit. Drei weitere Programme – iFightDepression, Novego und Selfapy – sind „eingeschränkt empfehlenswert“.
Den Letzten im Bunde, den TK-DepressionsCoach, konnten wir nicht bewerten, weil wir für den Test auch auf Nachfrage keinen Zugang bekamen. Der war für die Untersuchung aber unerlässlich. Der DepressionsCoach steht ausschließlich Versicherten der Techniker Krankenkasse offen. Andere Anbieter wie Get.On und Deprexis 24 kooperieren mit verschiedenen Krankenkassen. Sie tragen die Kosten für ihre Mitglieder (Testergebnisse: Onlineprogramme gegen Depression).
Ein- bis zweimal pro Woche
Oft bieten die Onlineprogramme mehrere Module, die Anwender ungefähr ein- bis zweimal pro Woche bearbeiten – größtenteils schriftlich, aber auch über interaktive Elemente wie Videos. Nutzer werden häufig direkt angesprochen, bekommen Hintergrundinformationen und Fragen, die sie im Freifeld oder durch Ankreuzen beantworten sollen. Viele Programme, auch die im Test, stützen sich stark auf die kognitive Verhaltenstherapie, eine anerkannte psychotherapeutische Methode. Anders als psychoanalytische Verfahren in der Tradition von Sigmund Freud setzt sie weniger auf das freie Gespräch, sondern eher auf strukturierte Techniken, die sich leicht auf ein Online-Format übertragen lassen.
Aus dem Schneckenhaus wagen

Informationen. Viele Selbsthilfe-Programme vermitteln auch Wissen zur Krankheit (hier Get.On).
Ein Grundpfeiler des Konzepts: Gedanken, Gefühle und Handlungen sind eng verknüpft und lassen sich wechselseitig beeinflussen, auch zum Positiven. Moodgym etwa bringt es auf den Slogan: „Was ich denk, ist, was ich fühl.“ Demnach können Nutzer lernen, „verzerrte Gedanken“, die bei ihnen negative Emotionen hervorrufen, zu erkennen – und möglichst umzudenken.
Auch über das Verhalten können sie ihr Befinden verbessern: indem sie bewusst schöne Dinge machen. Anfangs fällt das Depressiven oft schwer. Aber es lohnt sich. Bei Get.On etwa heißt es: „Zuerst wagen Sie sich aus Ihrem Schneckenhaus heraus und beginnen, positive Aktivitäten zu unternehmen. Dann bereiten Ihnen diese Aktivitäten Freude und Sie fühlen sich besser.“
Die Programme präsentieren oft Listen mit Vorschlägen: von „Gartenarbeit“ über „Leuten zulächeln“ bis „eine neue Sprache lernen“. Nutzer sollen überlegen, was ihnen Spaß machen könnte, sich Dinge vornehmen und sie teils in Tagespläne eintragen.
Das sind einige Beispiele für Übungen. Sie spielen eine zentrale Rolle, um Inhalte zu verinnerlichen und praktisch anzuwenden. Oft vermitteln die Programme weitere hilfreiche Verfahren wie Problemlöse- oder Entspannungstechniken. Wichtig sind auch Fragebögen zur Stimmung. Sie sind meist zu Beginn auszufüllen und immer wieder zwischendurch. Das soll unter anderem helfen, Gefühle besser zu verstehen – und natürlich Fortschritte zeigen.
Es wirkt

Fragebögen. Fragen zur Stimmung der Nutzer sollen unter anderem helfen, Gefühle besser zu verstehen.
Teils mag das banal klingen – aber es wirkt. Das zeigen viele Untersuchungen, vor allem für Depression und Angststörungen. Doch die Studienlage für Programme kann je nach deren konkreten Komponenten besser oder schlechter sein. Bei den Empfehlenswerten gibt es gut gemachte Studien. Diese belegen, dass es den Anwendern psychisch besser geht als Vergleichspersonen mit ähnlich schweren depressiven Symptomen ohne Onlinehilfe.
Jedes Programm hat Besonderheiten. Von den beiden Get.On-Programmen im Test empfiehlt der Anbieter eines „vorbeugend oder bei ersten Beschwerden“, das andere für den Akutfall. Das zweite wird stets von Therapeuten begleitet. Sie führen telefonisch ein Erstgespräch und helfen später schriftlich mit Feedback oder bei Fragen.
Deprexis 24 arbeitet normalerweise unbegleitet. Das gilt auch für Moodgym. Dessen großer Vorteil: Nutzer können sich gratis unter Pseudonym ohne Mail-Adresse anmelden. Niederschwelliger geht es nicht.

Grenzen. In akuten psychischen Krisen zählt Hilfe vor Ort. Oft weisen die Programme auch darauf hin.
Datenschutz und Grenzen

Übungen. Oft lernen Nutzer hilfreiche psychotherapeutische Techniken kennen und wenden sie praktisch an.
Bei den meisten Programmen sind Nutzer namentlich identifizierbar. Sie müssen sich also auf Vertraulichkeit und guten Datenschutz verlassen. Das klappt nicht immer. Schwächen zeigen Deprexis 24, Get.On, iFightDepression und Selfapy (siehe Kommentare Onlineprogramme gegen Depression).
Zu bedenken ist auch: Wenn jemand ein Programm über seine Krankenkasse nutzt, weiß sie über die Teilnahme Bescheid. Wer das problematisch findet, muss ein kostenloses Angebot wählen oder selber zahlen.
Online-Selbsthilfe ist aus mehreren Gründen denkbar, etwa ergänzend zur klassischen Behandlung. Oder wenn jemand davor zurückschreckt, zu einem Therapeuten in die Praxis zu gehen. Zudem können Anwender sofort loslegen. Auf einen regulären Platz warten Patienten teilweise Monate.
Onlinehilfen sind oft nur für leichte bis mittlere psychische Leiden gedacht, nicht für schwere. Vor allem bei Selbstmordgedanken zählt schnelle persönliche Hilfe, etwa durch einen Arzt oder Psychotherapeuten, durch den Notruf 112 oder die Telefonseelsorge unter 0 800/111 0 111 oder 0 800/111 0 222. Auch für die genaue Diagnose sind Profis vor Ort wichtig. Termine für ein Erstgespräch bei Psychotherapeuten vergeben auch die Servicestellen der Bundesländer (bundesgesundheitsministerium.de/terminservicestellen).
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Kommentarliste
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@angawi: Der von uns angegebene Link auf die Seiten des Bundesgesundheitsministeriums ist veraltet. Unsere Veröffentlichung stammt aus der Ausgabe test 07/2019. Dem Terminservice- und Versorgungsgesetz folgend haben die Kassenärztlichen Vereinigungen ihren Service ausgebaut und sind seit Januar 2020 für die Terminvergabe z.B. unter Tel. 116117 erreichbar. Einen entsprechenden Code erhalten Sie ggfls. mit der Überweisung Ihres Hausarztes. Bitte informieren Sie sich zum Thema auch anhand unserer aktuellen Veröffentlichung unter https://www.test.de/Psychotherapie-Schnellere-Hilfe-fuer-gesetzlich-Krankenversicherte-5250778-0/
Der Link funktioniert nicht :-(, ich bekomme den Hinweis: 404 Seite nicht gefunden. Ich habe mich dann via Bürgertelefon ans Bundesministerium für Gesundheit gewandt. Dort bekam ich die freundliche Auskunft, dass ich mich an den Patientenservice, Tel.: 116117 bzw. Email: eterminservice.de, wenden muss und dann einen Code benötige (bekommt man wohl vom Arzt - steht auf der Überweisung) um einen Termin zu vereinbaren. Man kann diesen Code auch online anfordern, sofern dieser Service angeboten wird - bei mir war das nicht möglich, da dieser Service in meiner Region nicht angeboten wird.
wegen Corona wird vielleicht doch noch manchmal dieser Artikel besucht.
Ich hatte mich vor einiger Zeit durch ein Programm gearbeitet was die TK angeboten hat als Online Beratung/ Therapie. Ich wurde am Ende abgelehnt, da das Programm ungeeignet für mich sei und ich einen ansässigen Therapeuten mir suchen solle. Perfide finde ich das ich so detailliert ausgefragt wurde, daß hätte ich gewusst das ich am Ende nicht teilnehmen darf die Fragen niemals beantwortet hätte. Darauf wurde ich am Anfang nicht hingewiesen.
Hat jemand von euch erfahrungen damit? Ich stelle mir das seltsam vor. Schließlich entfällt ja die menschliche Komponente, wenn man auf dem digitalen Weg ein Gespräch sucht. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr wichtig für einen Heilungsprozess ist, mit etwas menschlichen im Kontakt zu stehen.
@eva: Der Kummer-Roboter aus Kalifornien (Stanford) spricht leider kein Deutsch und ist auch nicht für den Desktop verfügbar. Das waren zwei der Einschlusskriterien für unseren Test. Ansonsten hätten wir den sympathisch wirkenden Bot natürlich gern im Testfeld begrüßt. (gs/bp)