
Bezahlung. In Norwegen verdient ein Arbeiter im Schlachtbetrieb mindestens 3 400 Euro, auf den Färöern 2 600 und in Chile mindestens 300 Euro pro Monat.
Wie steht es um den Tier- und Umweltschutz in der Lachsindustrie? Warum reist Lachs nach der Schlachtung monatelang um die Welt? Wir haben die Anbieter von Zucht- und Wildlachs besucht.
Am Nordfjord an der Westküste Norwegens herrscht die reinste Idylle. Von der Küstenstadt Måløy aus braucht es eine halbe Stunde Bootsfahrt, tief in den gewaltigen Fjord hinein, um „Krabbestig“ zu erreichen – eine Farm für atlantischen Zuchtlachs. In zehn kreisrunden Gehegen wachsen hier 1,6 Millionen Fische heran, Temperatur und Strömung sind ideal. Die großen Unterwasserkäfige lassen den Tieren viel Platz; manche springen, scheinbar vergnügt, an die Oberfläche. Auch die wenigen Farmmitarbeiter wirken zufrieden. Von ihrer Station aus füttern sie die Lachse automatisch über ein Schlauchsystem und beobachten sie über Kameras.
Geht es überall so friedlich zu in der Lachsindustrie? Wir recherchierten von Alaska bis Norwegen, von den Färöer-Inseln bis nach Chile. Wir wollten wissen, wie sich die 21 Anbieter der 20 Zucht- und 5 Wildlachse aus dem Warentest für Tier- und Umweltschutz sowie für die Arbeiter einsetzen. Auf Englisch heißt das Corporate Social Responsibility, kurz CSR.
Im größten Schlachthaus Norwegens
Schnell war klar: Die Idylle währt nicht ewig. Sie endet spätestens, wenn die Lachse ein Gewicht von 5 Kilo erreicht haben. Dann werden sie in den Bauch eines Schiffes gesogen und abtransportiert. Im Fall der Lachse aus Krabbestig geht es zum größten Lachsschlachthaus des Landes, vier Seestunden entfernt im Ort Fosnavåg. Dort warten die Fische in engen Becken auf ihr Ende. Ihre Körper winden sich unruhig. Durch Rohre werden sie schließlich ins Fabrikinnere gesogen. Sie passieren einen rotierenden Wassertank, der sie herunterkühlen und ruhigstellen soll. Viele Lachse schlagen sich hier blutig, in ihren Augen stehen Panik und Angst. Beim Töten fließt dann viel Blut. Stückweise arbeiten sich Maschinen und Menschenhände an ihnen ab.
Übrig bleiben glänzende, lachsfarbene Fischhälften. In Kühl-Lkws werden sie nach Osteuropa gefahren und weiterverarbeitet. Dort sparen die Produzenten Lohnkosten.
Nur Deutsche See stark aufgestellt
Was das CSR-Engagement betrifft, schneidet allein die Firma Deutsche See gut ab, die meisten Anbieter von Zuchtlachs befriedigend. Schlechter fallen die Urteile für die Anbieter von Wildlachs aus – obwohl alle Filets das Logo des Marine Stewardship Council tragen (siehe „Das Siegel des MSC“). Verbraucher schätzen das Logo. Im Laden signalisiert es: Der Lachs stammt aus Beständen, die nicht bedroht sind. Stimmt das? Kann der Fisch „lückenlos bis auf das Boot zurückverfolgt werden“, wie MSC selbst sagt?
Fragezeichen bei MSC-Wildlachs
Bei Lidl funktionierte das nicht einwandfrei. Der Discounter legte erst sehr spät MSC-Zertifikate der Lieferanten vor, diese ermöglichten aber keine eindeutige Rückverfolgung des Lachses. So blieben Zweifel, ob der angebotene Wildlachs von der genannten Fischerei kommt. Außerdem gab Lidl zum Schlachten keine Auskunft. Kurzum: Lidls Engagement ist mangelhaft. Drei weitere Anbieter ermöglichten uns nicht den Besuch der Fang- und Schlachtbetriebe in Alaska und Russland. Wir konnten nicht prüfen, in welchem Ausmaß sie wichtige MSC-Kriterien umsetzen: Schutz der Fischbestände, schonende Fangmethoden, Begrenzung des Beifangs – sprich anderer Meerestiere, die sich im Netz verheddern.
Der einzige Fangbetrieb, den wir in Alaska besuchen konnten, belieferte Aldi (Süd). Auch dort erhielten wir keinen detaillierten Einblick, wie die Fische gefangen und getötet werden. Somit gab es keinen Anbieter von Wildlachs, dessen CSR-Engagement uns überzeugte. Vielmehr scheint es, dass sich die meisten über MSC-Produkte ein Stück Nachhaltigkeit erkaufen und sich damit zufriedengeben.
Blindes Vertrauen in Lieferanten
Viele Anbieter, allen voran die Handelsketten, verlassen sich zu sehr auf ihre Lieferanten. Zwar haben sie eigene Leitlinien für nachhaltigen Fischeinkauf. Persönliche Besuche vor Ort, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, sind aber selten.
Biobranche wenig transparent
Neben Lidl ist bei drei weiteren Anbietern das Engagement mangelhaft: Paulus und Frischeparadies, der Testsieger des Warentests, verweigerten jede Auskunft zu ihrer CSR-Politik. Karstadt Feinkost Perfetto gab nur minimal Auskunft. Enttäuschend auch die Einblicke, die Anbieter von Biolachs gewährten. Bei Alnatura und Biopolar durften wir die irischen Zuchtbetriebe nicht überprüfen. Bei Escal und Followfish war die norwegische Farm stillgelegt. Ob Biokriterien eingehalten werden, bleibt so unklar.
Farmen häufig von Marine Harvest
Dreizehn der Lachsfilets im Test kommen aus norwegischen Zuchtfarmen wie Krabbestig, auch der Testsieger Deutsche See (siehe „Zuchtlachs: Nur Deutsche See gut“). Häufig gehören die Farmen dem Marktführer Marine Harvest, der fast ein Viertel des weltweiten Zuchtlachses produziert. Die norwegische Firma arbeitet auf hohem Niveau: Die Mitarbeiter werden gut bezahlt, der Tierschutz ist weit entwickelt. Pro Kubikmeter Wasser dürfen in Marine-Harvest-Farmen höchstens 20 Kilogramm Fisch leben – fünf Kilo weniger als das norwegische Gesetz erlaubt.
Kritisches bei der Zucht
In Norwegen prüft der Staat zudem jährlich, wie viel Futter- und Kotreste sich durch Aquakulturen am Meeresboden ablagern. Und er schreibt das Desinfizieren der Gehege nach der Ernte, also dem Entleeren, vor. Bedenklich: Dabei landen Chemikalien direkt im Meer. Weiterer Kritikpunkt bleibt das Futter. Da Lachse Raubfische sind, werden für sie Wildfische zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet. Derzeit braucht es etwa 1,2 Kilogramm Futter, um ein Kilo Lachs zu erzeugen.
Töten ohne ausreichende Betäubung
Nicht jeder Schlachtbetrieb tötet Lachse wirklich schonend. Ein Kiemenschnitt ohne ausreichende Betäubung, wie es die Produzenten von Costa, Lidl und Rewe machen, ist Tierquälerei. Bis der Lachs das Bewusstsein verliert, können bis zu fünf Minuten vergehen. Studien belegen: Auch Fische empfinden Schmerz. In modernen Anlagen lösen Fische die Betäubung selbst aus: Sie passieren eine elektronische Schranke und werden von einem Hammer betäubt – so wie in den Betrieben von Aldi (Süd), Bofrost, Deutsche See und Eismann.
Bedingungen in Chile verbessert
In Chile, dem zweitgrößten Produktionsland, haben sich die Zuchtbedingungen verbessert. Sie orientieren sich heute an norwegischen Standards. 2008 war es in Chile wegen eines Virus zum Kollaps der Lachsbestände gekommen. Missstände wie überfüllte Zuchtbecken und hohe Medikamentengabe fanden wir in den chilenischen Zulieferbetrieben von Aldi (Nord) und Rewe nicht vor.
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"Früher,- als vor ca. 50 Jahren, als es noch keine Zuchtfarmen gab, konnte man sich daruf verlassen, dass der Wildlachs aus Kanad, Grönlan, oder Im hohen Norden, echt war und gut geschmeckt hat,- ohne Chemiezusätze für Wachstum und rote Farbe." Wildlachs ist auch heute ohne Zusätze, Farbe usw. Allerdings ist die Qualität gegenüber Zuchtlachs nun mal schlechter, da Wildlachs nicht unter kontrollierten Bedingungen wächst, nicht gegen Krankheiten behandelt werden kann und mit Parasiten befallen ist. Das war vor 50 Jahren nicht anders als heute und nicht anders als in weiteren 50 Jahren.
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