Nicht in jedem Fall gilt beim Ausgleich eines Haftpflichtschadens der Zeitwert eines zerstörten Gegenstands als Maßstab. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Osnabrück.
Zunächst nur Zeitwert ersetzt
An der Kasse eines Supermarkts stieß ein Mann mit einer Frau so ungeschickt zusammen, dass deren rund 1 000 Euro teure Brille zu Bruch ging. Sein Privathaftpflichtversicherer ersetzte ihr nur 35 Euro Zeitwert. Der Schädiger legte daraufhin aus eigener Tasche 650 Euro drauf und verlangte diese Summe von seinem Versicherer zurück. Der weigerte sich zu zahlen.
Wiederbeschaffungswert für Gebrauchtes
Geht eine gebrauchte Sache kaputt, muss ein Schädiger laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nur so viel ersetzen, dass der Geschädigte sich eine gleichwertige Sache beschaffen kann. Privathaftpflichtversicherer zahlen deshalb bei einem Sachschaden in der Regel nur den Zeitwert, mit dem Geschädigte sich einen „gebrauchten“ Ersatz beschaffen können. Dieser Wiederbeschaffungswert berücksichtigt also den Grad der Abnutzung eines Gegenstandes.
Neue Brille kein Vorteil – Abzug nicht gerechtfertigt
Im Fall der zerstörten Brille ging die Sache anders aus. Das Landgericht Osnabrück verurteilte den Versicherer zur Zahlung der 650 Euro. Nicht in jedem Fall sei ein Abzug „Neu für Alt“ berechtigt. Die Frau habe durch die Beschaffung einer neuen Brille keinen Vorteil. Sie sehe mit ihr nicht besser als mit der alten.
Brillen sind Gebrauchsgegenstände
Die Richter räumten ein, dass auch Brillen Gebrauchsgegenstände seien, die sich abnutzten. Für das Anrechnen eines Vorteils im Schadensfall sei aber entscheidend, ob das unter der besonderen Berücksichtigung des Einzelfalls zulässig sei. Ein Sachverständiger hatte ausgesagt, wann ein Sehhilfe erneuert werden müsse, hänge vom jeweiligen Träger ab (Az. 9 S 161/19).
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Als Brillenträger, der aufgrund seiner Sehschwäche zwingend auf seine Brille angewiesen ist, kann man nicht einfach irgendeine gebrauchte Brille nehmen oder sich eine für den geringen Schadenersatz kaufen. In der Regel muss der Optiker dafür eine neue anfertigen, damit eine gleichwertige beschafft werden kann. Insofern völlig richtiges Urteil. Und da solche Dinge sehr selten vorkommen dürften, werden auch nicht die Beiträge steigen.
Dass nicht immer ein Abzug "neu für alt" fällig ist, hören die Haftpflichtversicherer nicht gerne; aber so haben u.a. auch folgende Gerichte entschieden: AG Montabaur, Urteil vom 25.09.1997, 10 C 436/97 und
LG Münster, Urteil vom 13.05.2009 - 01 S 8/09.
Nicht die korrekte Schadensregulierung macht die Haftpflichtversicherung teurer, sondern die Beauftragung unnötiger Dienstleister oder unnötige Prozesse. Und natürlich Modeerscheinungen wie die Regulierung des Neuwerts.
"Die Frau habe durch die Beschaffung einer neuen Brille keinen Vorteil. Sie sehe mit ihr nicht besser als mit der alten."
Richter haben nach Gesetz zu urteilen, nicht nach ihren persönlichen Ansichten. Schadenersatz ist zu leisten, wenn jemand schuldhaft einem anderen einen Schaden zufügt. Die Höhe des Schadenersatzes bemisst sich nach dem Wert der Schadens zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadens.
Ob jemand irgendeinen Vorteil hat oder nicht, ist vollkommen irrelevant. Was ist die Sache wert? Das ist der Schadenersatz, der zu leisten ist. Punkt.
Wenn Richter beginnen, Gesetze umzuschreiben, sollen sie sich in ein Parlament wählen lassen, aber gefälligst die Robe vorher abgeben.
Sollte die Logik dieses Urteils in der deutschen Gerichtsbarkeit Kreise ziehen, dann werden Haftpflicht- und einige Sachversicherungen sicherlich ziemlich teuer.