
Richtung einschlagen. Privat Krankenversicherte können zwischen Dutzenden von Tarifen wählen. Wichtig ist es, sich Vor- und Nachteile genau anzusehen. © Erwin Wodicka
Zu Jahresbeginn steigen oft die Beiträge. Eine Lösung kann ein neuer Tarif sein. Eine Anleitung für den Wechsel – mit und ohne Profihilfe.
Erhalten privat Krankenversicherte dieser Tage Post von ihrem Versicherer, bedeutet das meist: Zum 1. Januar des neuen Jahres steigt ihr Beitrag. Für Menschen mit kleiner Rente können die Krankenversicherungsbeiträge zum existenziellen Problem werden.
Viele andere sind einfach nur genervt – wie der 59-jährige Finanztest-Leser Paul Schuster*. Der Rechtsanwalt aus Berlin ist seit Anfang der 90er-Jahre privat versichert. Er verfolgt jetzt einen Ausweg: „Eine Bekannte erzählte mir, dass sie durch einen Tarifwechsel jetzt deutlich weniger zahlt. Da wollte ich wissen, ob so etwas bei mir auch geht.“
Derselbe Anbieter, anderer Tarif
Der Wechsel in einen anderen Tarif bei demselben Anbieter ist für langjährig Versicherte oft die einzige Chance, um Kosten zu dämpfen. Einfach zurück in die gesetzliche Kasse, in der mancher vielleicht langfristig weniger bezahlen würde, können sie nicht, wenn sie bereits das 55. Lebensjahr erreicht haben. Privat Versicherte müssen hohe Hürden überwinden, wenn sie zurück in die gesetzliche Krankenkasse wechseln wollen.
Aus Protest zu kündigen, würde das Problem verschärfen: Kündigt jemand, der sich vor 2009 privat versichert hat, verliert er seine Alterungsrückstellungen (siehe Glossar) komplett und muss sie bei einem anderen Versicherer durch höhere Beiträge von null an neu aufbauen. Wer in der Zwischenzeit ernsthaft erkrankt war oder einen schweren Unfall hatte, würde ohnehin keinen Vertrag mehr bekommen – jedenfalls nicht zu akzeptablen Konditionen.
Ein Recht auf Tarifwechsel
Damit Kundinnen und Kunden den steigenden Beiträgen trotzdem nicht völlig ausgeliefert sind, gibt ihnen Paragraf 204 des Versicherungsvertragsgesetzes das Recht, bei ihrem Versicherer in einen günstigeren „gleichartigen“ Tarif zu wechseln. Gleichartig heißt, dass die gleichen Leistungsbereiche abgedeckt sind – bei einer Vollversicherung also ambulante und stationäre Behandlung sowie meist auch Zahnleistungen.
Dabei behalten sie alle Rechte aus dem bisherigen Vertrag – auch Alterungsrückstellungen. Für bestehende Leistungen darf es keine neuen Wartezeiten, Risikozuschläge oder Ausschlüsse geben. Das ist nur für Mehrleistungen des neuen Tarifs zulässig.
Jedes Mal, wenn sie die Beiträge erhöhen, müssen Versicherer ihre Kunden auf ihr Tarifwechselrecht hinweisen. Ist der Kunde älter als 60 Jahre, müssen sie sogar konkrete Tarife mit niedrigeren Beiträgen vorschlagen, unter anderem ihr aktuell verkaufsstärkstes Angebot, sowie über die Sozialtarife Standardtarif und Basistarif aufklären.
Versicherer versprechen mehr Hilfe
Viele Versicherer melden sich schon früher. Denn sie haben sich zum Einhalten der „Leitlinien für einen transparenten und kundenorientierten Tarifwechsel“ vom Verband der privaten Krankenversicherung verpflichtet. Ein Ziel der 2016 eingeführten Leitlinien ist es, Wechselwillige besser zu informieren und zu unterstützen. Versicherer nennen ihren Kunden dann bereits ab dem 55. Lebensjahr Wechselmöglichkeiten.
Hat sich dadurch für die Versicherten etwas verbessert? Rechtsanwältin Silke Möhring, die für die Verbraucherzentrale Hessen Versicherte berät, ist skeptisch: „Es gibt Unternehmen, die sich jetzt kooperativer beim Tarifwechsel verhalten. Andere Versicherer oder auch manche Sachbearbeiter beim selben Versicherer verzögern weiterhin den Prozess.“ Tatsächlich kann das Einhalten der Leitlinien den Tarifwechsel sogar in die Länge ziehen. Manche Unternehmen fragen Kundenwünsche ab und filtern eine Auswahl von Angeboten heraus. Es ist nicht auszuschließen, dass Kunden so in einem Tarif landen, der für sie nicht die beste Wahl ist.
Nicht dem ersten Vorschlag folgen
Paul Schusters Versicherer empfahl ihm, entweder im bestehenden Tarif seinen Selbstbehalt zu erhöhen oder in einen neuen offenen Tarif mit deutlich geringerem Beitrag zu wechseln. Doch der neue Tarif war auch deutlich leistungsschwächer.
„Generell sollten Kundinnen und Kunden dem ersten Vorschlag ihres Versicherers nicht impulsiv folgen“, warnt Versicherungsberater Oliver Beyersdorffer. „Der Tarif mit dem stärksten Neuzugang ist meist ein Einsteigertarif mit Schmalspurleistungen. Langjährig Versicherte mit einem guten Versicherungsschutz würden ihr gewohntes Leistungsniveau dadurch für immer verlieren. Solche Fehler sind später nur selten zu heilen.“ So hätte Schuster unter anderem die Chefarztbehandlung und das Einzelzimmer im Krankenhaus aufgeben müssen.
Auf Leistungen zu verzichten, ist oft gar nicht nötig. Wechselwillige sollten beharrlich nachfragen, denn sie erfahren vom Unternehmen immer nur, wonach sie konkret fragen, und wissen nie, was es ihnen alles nicht sagt.
Leistungen Punkt für Punkt prüfen
Um einen guten Alternativtarif auszusuchen, kommt es darauf an, Leistungsunterschiede Punkt für Punkt herauszufinden. Bis zu welcher Höhe zahlt der Versicherer etwa Zahnersatzkosten oder Arzthonorare? Wäre es akzeptabel, statt des Einbettzimmers im Krankenhaus ein Mehrbettzimmer ohne Chefarztbehandlung zu nehmen? In welchem Umfang sind Heilpraktikerbehandlungen oder teure Hörgeräte eingeschlossen?
Bietet der neue Tarif in Einzelpunkten weniger, müssen Versicherte das nach dem Wechsel hinnehmen. Was sie einmal verloren haben, lässt sich nicht ohne Weiteres rückgängig machen. Wollen sie später in einen Tarif mit höheren Leistungen wechseln, darf der Versicherer dies von einer erneuten Gesundheitsprüfung abhängig machen. Auch Gesunde erhalten Mehrleistungen später unter Umständen nicht.
Vorsicht ist auch bei sogenannten Hausarzt- oder Primärarzttarifen geboten, die gern als günstige Alternative angeboten werden. Versicherte müssen hier 20 bis 30 Prozent der Behandlungskosten bei der Fachärztin, manchmal auch der verschriebenen Arzneimittel, selbst tragen, wenn sie es bei Erkrankung versäumen, zuerst den Hausarzt aufzusuchen.
Hoher Selbstbehalt bleibt für immer
Wichtig ist auch: Wie hoch ist der jährliche Selbstbehalt (siehe Glossar), bis zu dem ein Kunde Kosten aus eigener Tasche tragen muss? Versicherer schlagen zur Beitragssenkung oft eine Erhöhung des Selbstbehalts vor. Um ein realistisches Bild von der Ersparnis zu bekommen, sollten Kunden ihre Belastung auf den Monat umrechnen. Selbstständige teilen dazu die jährliche Selbstbeteiligung durch 12 und addieren sie zum Monatsbeitrag. Angestellte rechnen mit dem halben Monatsbeitrag, weil ihr Arbeitgeber die andere Hälfte zahlt. Den Selbstbehalt tragen sie allein.
Für alle aber gilt: Egal, wie gesund sie sich fühlen – ein Unfall oder eine Krankheit kann dazu führen, dass Versicherte medizinische Leistungen benötigen und die Kosten im Umfang des Selbstbehalts tragen müssen.
Vielen ist nicht klar, dass sie ihren Selbstbehalt dann nicht mehr loswerden. Ein niedrigerer Selbstbehalt ist eine Mehrleistung. Das heißt: Der Versicherer verlangt eine erneute Gesundheitsprüfung und gegebenenfalls Risikozuschläge in Höhe der Differenz von dem höheren zum niedrigeren Selbstbehalt. Schließt jemand die Mehrleistung aus, um den Zuschlag zu vermeiden, bleibt es beim alten hohen Selbstbehalt. Das ist selbst im Standardtarif so, bei dem der Selbstbehalt auf 306 Euro im Jahr begrenzt ist.
Keine Angst vor Gesundheitsprüfung
Ein neuer Tarif kann in einzelnen Punkten auch höhere Leistungen vorsehen als der bisherige. Der Versicherer stellt erneut Gesundheitsfragen, selbst wenn es sich nur um eine geringfügige Verbesserung handelt. Schätzt der Versicherer seinen Kunden wegen Erkrankungen dann als höheres Risiko ein, darf er für die Mehrleistung einen Risikozuschlag verlangen. Oft schreckt Versicherte der Hinweis auf eine Gesundheitsprüfung ab. Aus Angst vor der Gesundheitsprüfung sollte aber niemand von vornherein pauschal auf alle Mehrleistungen verzichten. Manchmal bekommen Kunden den Vertrag mit besseren Leistungen nämlich ohne Probleme.
Wenn nicht, sollten Versicherte genau nachfragen: Auf welche Mehrleistung bezieht sich der Risikozuschlag, und welche Krankheit legt der Versicherer zugrunde? Manchmal stellt sich heraus, dass ein Versicherer eine Abklärung ohne Befund für eine gesicherte Diagnose gehalten hatte. Solche Dinge können Ärzte richtigstellen. Manchmal reicht es sogar, wenn Kunden die Sache selbst gegenüber ihrem Versicherer aufklären. Dann entfällt der Zuschlag. Lässt er sich nicht wegdiskutieren, können Kunden immer noch die Mehrleistungen ausschließen. Sie haben also nichts zu verlieren.
Riskanter Wechsel in neue Tarife
Ist jemand seit Jahrzehnten privat versichert, darf er zwischen allen Tarifen seines Versicherers wählen. Wechselt jemand jedoch in einen nach dem 20. Dezember 2012 entstandenen Tarif, verringern sich seine künftigen Auswahlmöglichkeiten drastisch.
Seitdem dürfen Versicherer nur noch Unisex-Tarife anbieten (siehe Glossar). Zu ihnen zählen auch die aktuell verkaufsstärksten Tarife. Doch von hier aus ist ein Wechsel zurück in einen Bisex-Tarif (siehe Glossar) unmöglich, ebenso in den Standardtarif. Kunden verbauen sich dadurch viele Möglichkeiten. Manchmal ist es für Versicherte schwierig zu erkennen, ob ihnen ein Bisex- oder Unisex-Tarif angeboten wird. Es gibt Gesellschaften, die die alten Tarifnamen beibehalten haben, häufig mit dem Zusatz „U“ in der Bezeichnung. Im Zweifel sollten Kunden so lange nachfragen, bis sie sicher sind, und sich dies schriftlich bestätigen lassen.
Langer Atem nötig
Bis Wechselwillige alle nötigen Informationen haben und entscheiden können, ist es ein langer Weg. Paul Schuster war das zu mühsam – er beauftragte einen Dienstleister mit dem Tarifwechsel.
Ob allein oder mit Profihilfe: Auch im neuen Tarif steigt früher oder später der Beitrag. Unter Umständen müssen sich Kunden dann erneut auf den Weg machen. Wer beim ersten Wechsel auf die Leistungen achtet, hält sich Ausweichmöglichkeiten für später offen.
* Name von der Redaktion geändert.
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@Fazzo97: Die Beantwortung der Gesundheitsfragen obliegt dem Versicherungsnehmer, wenn Unklarheiten bestehen, ist es ratsam, seinen Arzt oder Ärztin zu befragen. Eventuelle Risikozuschläge oder Ausschlüsse betreffen bei einem Wechsel nur die Mehrleistungen gegenüber dem Bestandstarif. Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse können Versicherte bei einem Tarifwechsel vermeiden, indem sie pauschal auf alle Mehrleistungen des neuen Tarifs verzichten. Rechtsgrundlage hier ist § 204 Versicherungsvertragsgesetz. Wir raten aber, das nicht von vorneherein zu tun, sondern es erst einmal auf die Gesundheitsprüfung ankommen zu lassen und herauszufinden, aufgrund welcher Diagnosen welche Risikozuschläge erfolgen – manchmal irrt sich auch der Versicherer und man kann das noch ausräumen, oder zumindest eine Befristung des Risikozuschlags rausverhandeln. Auf Mehrleistungen verzichten kann man dann immer noch, wenn die Konditionen trotz „Nachverhandlung“ nicht passen.
Gibt es gegebenenfalls bei einem Wechsel mit besseren Leistung im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen einen Anspruch, dass der Versicherer anhand der Krankheitshistorie die Fragen selbst beantwortet oder muss der Versicherte hierzu die Ärzte abfragen?
@Jaguar.1: Wir leiten Ihre Kritik an die Fachabteilung weiter. Die ursprünglich hier verlinkten Informationen zu den Wechseldienstleistern waren nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Der übirge Teil des Artikels wurde regelmäßig aktualisiert. Wir haben Ihnen den Betrag von 1,50 Euro erstattet. (TK)
Hallo liebes Team,
in Ihrem Artikel "Mit einem Tarifwechsel viel Geld sparen" schrieben Sie :
Hilfe finden. Spezielle Dienstleister bieten Hilfe an. In welcher Form sie arbeiten und wie sie dafür bezahlt werden, ist unterschiedlich. Wir geben einen Überblick.
Daraufhin kaufte ich im Moment den Artikel für 1,50 € , um dann zu erfahren:
Wechseldienstleister
@alle: Wir können Ihnen im Moment mit keiner Liste von Wechseldienstleistern dienen. Der Markt hat sich hier verändert, sodass unsere Darstellung aus 2017 nicht mehr dem aktuellen Marktauftritt der Anbieter entspricht und zur Auswahl eines Dienstleisters nicht mehr geeignet ist
Ich empfinde dies als eine Frechheit und Bauernfängerei, denn genau wegen dieser Liste habe ich den Artikel gekauft. Zumal in der Kopfzeile der 1.1. 2021
und kein Wort, dass der Artikel 4 Jahre alt ist.
MfG
@alle: Wir können Ihnen im Moment mit keiner Liste von Wechseldienstleistern dienen. Der Markt hat sich hier verändert, sodass unsere Darstellung aus 2017 nicht mehr dem aktuellen Marktauftritt der Anbieter entspricht und zur Auswahl eines Dienstleisters nicht mehr geeignet ist. (maa)