Private Kranken­versicherung

Problem 3: Steigende Beiträge und schwieriger Wechsel

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Private Kranken­versicherung - So handeln Sie, wenn es Probleme gibt

Udo Döpper ärgerte sich über steigende Beiträge und dass sein Versicherer Central die Sprach­therapie für seinen Sohn Erik nicht voll über­nahm. Er ist jetzt wieder gesetzlich versichert. © Jürgen Schulzki

Normaler­weise ist ein stagnierendes Gehalt kein Anlass zu besonderer Freude. Bei Udo Döpper schon. Denn dieses sorgte dafür, dass er im Jahr 2017 zurück in die gesetzliche Kranken­versicherung wechseln konnte. Verärgert hatte den 47-Jährigen, dass sein Versicherer Central die Sprach­therapie seines Sohns Erik nicht voll und nur aus Kulanz erstattete. Nach einem traumatischen Erlebnis hatte Erik als Vierjäh­riger Sprach­störungen. Bei den gesetzlichen Kassen gehört Logopädie zur Grund­versorgung. Döpper sagt: „Ich hatte falsche Vorstel­lungen von meinem privaten Tarif.“ Auch schnell steigende Beiträge hatten ihn früh skeptisch gemacht.

Weniger als 59 400 im Jahr verdienen

Ein Wechsel ins gesetzliche System funk­tioniert bei privat Versicherten wie dem kauf­männischen Angestellten Döpper nur, wenn sie jünger als 55 Jahre sind und ihr Einkommen unter der Jahres­arbeits­entgelt­grenze von derzeit 59 400 Euro brutto im Jahr liegt. Die Jahres­arbeits­entgelt­grenze ist gleich­zeitig Versicherungs­pflicht­grenze. Arbeitnehmer, deren Gehalt höher liegt, können das gesetzliche System verlassen. Das Bundes­kabinett passt die Grenze jähr­lich an. Steigt sie und das Einkommen bleibt gleich – wie bei Döpper – oder es sinkt nach einem Jobwechsel oder weil Arbeitnehmer nur noch Teil­zeit arbeiten, rutschen sie darunter. Sie werden auto­matisch wieder versicherungs­pflichtig. Wollen sie privat versichert bleiben, können sie sich in diesem Fall auf Antrag von der gesetzlichen Versicherungs­pflicht befreien.

Für Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2002 privat versichert waren, gilt aus Bestands­schutz eine andere Grenze. Sie liegt bei 53 100 Euro brutto im Jahr.

Wechsel zur Privaten scheint attraktiv

„Mit Mitte 30 hatte ein Bekannter mich über­zeugt, zur Privaten zu wechseln. Das hörte sich erst mal alles gut an: bessere Leistungen bei nied­rigerem Beitrag“, sagt Döpper. Tatsäch­lich ist es aber kaum möglich voraus­zusagen, ob die Beiträge und Leistungen eines Vertrags auch in 20 oder 40 Jahren noch zur eigenen Lebens­situation passen.

So kennen private Tarife anders als die gesetzlichen Kassen keine beitrags­freie Mitversicherung von Familien­angehörigen und zahlen in der Regel kein Kinder­krankengeld, wenn Mutter oder Vater wegen der Betreuung ihres Kindes nicht arbeiten können. Nur selten über­nehmen sie Kosten für eine Haus­halts­hilfe, wenn ein Eltern­teil ins Kranken­haus oder zur Kur muss und sich nicht um den Nach­wuchs kümmern kann. Auch für psycho­therapeutische Behand­lungen leisten private Tarife teils weit weniger als die gesetzlichen Kassen.

Beitrag unabhängig vom Einkommen

Ein Nachteil für Senioren, die im Ruhe­stand weniger Geld zur Verfügung haben: Der Beitrag passt sich nicht dem Einkommen an. Immer wieder hadern Leser in ihren Zuschriften mit der Tatsache, dass sie die private Kranken­versicherung nicht mehr Richtung gesetzliche Kasse verlassen können.

Der Rück­kehr ins gesetzliche Solidar­system hat der Gesetz­geber bewusst Grenzen gesetzt, um es nicht zu über­fordern. Würden zu viele Versicherte in jungen Jahren aus den Kassen austreten und so als Beitrags­zahler wegfallen, im Alter aber wegen nied­rigerer Beiträge zurück­kehren, stünde dessen Finanzierungs­modell schnell auf der Kippe. Mit dem Alter steigen die Krank­heits­kosten stark an. Laut Statistischem Bundes­amt lagen sie im Jahr 2015 für etwa 29 Millionen 15-bis unter 45-Jährige bei rund 57 Milliarden Euro, für die etwa 17 Millionen ab 65-Jährigen dagegen bei rund 168 Milliarden Euro.

Rück­stel­lungen binden Kunden

Für Döpper waren nicht die Beiträge ausschlag­gebend für den Wechsel. Er hatte genug von Kundenmanagement und Regulierungs­praxis. Erst einmal ging es für ihn zu einer anderen privaten Kranken­versicherung. „Ich bin zur Debeka gewechselt – Alters­rück­stel­lungen hin oder her“, sagt er.

Die Alters­rück­stel­lungen sind im Beitrag enthaltene Spar­anteile, die der Versicherer für höhere Krank­heits­kosten im Alter zurück­legt. Sie sollen helfen, Beiträge für ältere Versicherte im Rahmen zu halten. Wer wie Döpper seinen Vertrag vor dem 1. Januar 2009 geschlossen hat, verliert beim Wechsel zu einem anderen Versicherer die Alterungs­rück­stellung komplett. Ein Wechsel lohnt sich deshalb kaum.

Kunden mit Verträgen ab 2009 können zumindest einen Teil ihrer Rück­stellung mitnehmen. In beiden Fällen kommt es aber zu einer erneuten Gesund­heits­prüfung und das höhere Alter und Vorerkrankungen treiben den neuen Beitrag in die Höhe. Attraktiv ist der Wechsel zu einem neuen Anbieter deshalb auch bei jüngeren Verträgen nur selten.

Tarifwechsel beim Versicherer

Oft die bessere Lösung: der Wechsel zu einem güns­tigeren gleich­artigen Tarif beim selben Versicherer. Für Leistungen, die bereits im jetzigen Vertrag enthalten sind, darf es im neuen Vertrag keine neuen Warte­zeiten, Risiko­zuschläge oder Ausschlüsse geben. Ein solches Wechselrecht garan­tiert das Versicherungs­vertrags­gesetz. So weit die Theorie. Nicht alle Versicherer scheinen ihre Kunden beim Wechsel zu unterstützen. Mehrere Leser schrieben uns, dass sie keine Hilfe bekamen, ihnen beispiels­weise statt eines gleich­wertigen Tarifs nur ein höherer Selbst­behalt angeboten wurde.

Leit­linien für fairen Tarifwechsel

Dabei hat der Verband der Privaten Kranken­versicherung 2016 Leit­linien für eine faire Tarifwechsel­möglich­keit erarbeitet. Große Unternehmen wie Debeka, Allianz oder DKV haben sich gegen­über dem Verband verpflichtet, diese zu achten; aber lange nicht alle. Central und LKH gehören nicht dazu.

Döpper ist erst einmal froh, sich nicht mehr mit Vertrags­bedingungen und Leistungs­katalogen beschäftigen zu müssen. Dass auch viele gesetzlich Versicherte mit ihrer Kasse im Clinch liegen, ist klar. Aber für gericht­liche Auseinander­setzungen sind dann Sozialge­richte zuständig. Und dort fallen zumindest keine Gerichts­kosten an – selbst wenn Versicherte verlieren.

Beiträge im Griff haben

Zurück­kehren.
Wenn Sie in das gesetzliche Kranken­versicherungs­system zurück möchten, schieben Sie das nicht auf die lange Bank. Der Rückweg ab einem Alter von 55 Jahren ist meist versperrt. Wenn Sie erst in der zweiten Hälfte Ihres Erwerbs­lebens wechseln, können Sie sich später in der Regel auch nicht in der Kranken­versicherung der Rentner (KVdR) versichern. Sie sind dann freiwil­liges Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse und zahlen im Alter höhere Versicherungs­beiträge als in der KVdR. Die Voraus­setzungen für einen Wechsel in eine gesetzliche Krankenkasse finden Sie oben im Text und detailliert – auch für Selbst­ständige in unserem Special Krankenversicherung: Zurück in die gesetzliche Kasse - so gehts.
Tarif wechseln.
Wenn der Weg ins gesetzliche System versperrt ist oder Sie mit dem privaten ganz zufrieden sind, aber Beiträge sparen möchten, versuchen Sie bei Ihrem Versicherer in einen güns­tigeren Tarif mit vergleich­baren Leistungen zu wechseln. Das Recht dazu haben Sie unabhängig von Alter und Gesund­heits­zustand. Sie sollten die neuen und alten Bedingungen aber genau vergleichen. Eine Anleitung, wie Sie am besten vorgehen, finden Sie in unserem Special Private Krankenversicherung: Mit einem Tarifwechsel viel Geld sparen. Dort gibt es auch Informationen zu speziellen Wechsel­dienst­leistern.
Leistungen reduzieren.
Beitrag können Sie auch sparen, indem Sie Leistungen reduzieren, etwa auf das Einbett­zimmer im Kranken­haus verzichten oder in einen Tarif mit geringerer Erstattung für Zahn­ersatz wechseln.
Stan­dard­tarif wählen.
Ab 55 Jahren kommt für Sie eventuell der Stan­dard­tarif infrage – ein Sozial­tarif der privaten Versicherer. Seine Leistungen entsprechen in etwa denen der gesetzlichen Kassen. Beim größten Versicherer Debeka etwa kostet er im Schnitt für Voll­versicherte 252 Euro (Männer) und 364 Euro (Frauen); im Beihilfetarif 94 Euro (Männer) und 111 Euro (Frauen). Bei Rentnern verringern sich die Kosten durch einen Zuschuss der Renten­versicherung. Der Stan­dard­tarif ist allerdings an bestimmte Voraus­setzungen geknüpft: Sie sind über 65 Jahre alt oder über 55 Jahre mit einem Gesamt­einkommen von aktuell unter 53 100 Euro im Jahr. Sie sind zudem mindestens schon zehn Jahre privat versichert und haben Ihren Vertrag schon vor 2009 geschlossen. Mehr Informationen zu Stan­dard- und Basis­tarif finden Sie in unserem Special Private Krankenversicherung: Mit einem Tarifwechsel viel Geld sparen.
Selbst­behalt erhöhen.
Auch mit einem höheren Selbst­behalt können Sie Beitrag sparen. Sie über­nehmen dabei Ihre Gesund­heits­kosten bis zum vereinbarten Betrag selbst. Er sollte aber nicht zu hoch sein. Sie können ihn nicht einfach verringern. Müssen Sie oft zum Arzt, lohnt er sich nicht. Für Arbeitnehmer ist er weniger vorteilhaft als für Selbst­ständige, da sie sich die Beitrags­ersparnis mit dem Arbeit­geber teilen, den Selbst­behalt aber alleine tragen.

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8 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Solar32 am 29.04.2021 um 11:53 Uhr
    Krankenkassenwechsel

    Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit und als Selbstbetroffener kann ich niemandem zu einem Wechsel in die private KV raten. Schon gar nicht mit Familie!Hier sollte man sich freiwillig bei der gesetzlichen Krankenversicherung weiterversichern und eine private Zusatzvers. abschliessen.

  • Burgdorf12 am 09.01.2021 um 10:45 Uhr
    kghb

    Was genau möchten Sie in Ihrem Beitrag sagen?

  • Burgdorf12 am 09.01.2021 um 10:41 Uhr
    LKH

    Dieselbe Erfahrung mit einer IMRT Abrechnung gemacht. Jetzt ist mein Rechtsanwalt nach drei Jahren auch noch abgetaucht.
    Herr Spohr hat auf Jameda übrigens eine Art Betroffenengruppe im Kommentarbereich eröffnet.

  • Ferrandino am 24.01.2020 um 15:09 Uhr
    Versicherungsmafia

    Die CENTRAL in Köln verweigert Zahlungen, die sie lt. BGH-Urteil und anderen Urteilen leisten müsste. Das ist ein Geschäftsmodell: 99 Versicherte schlucken das, und nur einer geht vor Gericht. Ein gutes Geschäft!
    Häufig wird schon bezahlt, wenn der Versicherung die Klage vorliegt, weil diese ja kaum zu gewinnen ist.
    Bei berechtigtem Anspruch auf Leistung häufiger klagen!!!

  • fudo0165 am 02.01.2020 um 17:40 Uhr
    Ausgeliefert

    Wie es scheint, ist man den Privaten Krankenversicherungen mehr oder weniger ausgeliefert. Es gibt keine Wechselmöglichkeit (frage mich, ob das rechtens ist, man könnte doch Rückstellungen beim Wechsel mitnehmen) und das scheint politisch auch so gewollt zu sein (Lobby). Übrigens, ich bin auch bei der LKH (die wurde vor 20 Jahren von Stifutng Warentest als sehr empfehlenswert getestet, weshalb ich mich auch für sie entschieden habe) und warte noch auf den "Supergau", hatte aber Gott sei Dank noch keine größeren Abrechnungen.....