
Claudia Haager findet, das Abrechnen von Pflege- und Krankheitskosten nimmt viel zu viel Zeit in Anspruch. Die Freiburgerin hat sich neuneinhalb Jahre lang um ihre pflegebedürftige Mutter gekümmert. © Margrit Mueller
„Hilfsmittel beantragen, Medikamente bestellen, Rechnungen bezahlen, Rechnungen einreichen, Erstattungen kontrollieren, Kürzungen und Ablehnungen widersprechen.“ Claudia Haager hört man die Erschöpfung immer noch an, wenn sie über die neuneinhalb Jahre spricht, in denen sie ihre blinde und an Demenz erkrankte Mutter zu Hause gepflegt hat. Als frühere Lehrerin war ihre Mutter im Ruhestand zu 30 Prozent bei der DKV privat versichert. 70 Prozent ihrer Krankheitskosten übernahm die Beihilfe.
Kürzung hier, Kürzung da
„Vor Kurzem hatte ich noch zwei Abrechnungen in der Hand“, sagt die 59-jährige Angestellte aus Freiburg, die selbst gesetzlich krankenversichert ist. Die Posten „Hausbesuch“ und „Wegegeld“ bei Ergotherapie waren hier gestrichen worden. „Mal wieder. Nach meiner Reklamation hatte die DKV dann wieder nacherstattet.“ In der Vergangenheit habe sie häufig schlichtweg keine Zeit gehabt, nachzuhaken. Es sei wichtiger gewesen, sich um ihre Mutter zu kümmern, als sich mit Versicherung und Beihilfe auseinanderzusetzen.
Rund ein Drittel der Leser, die uns geschrieben haben, beklagten zeitfressende Bürokratie, besonders Beamte. Da diese sich Kosten für Behandlungen und Medikamente meist von zwei Stellen erstatten lassen müssen, fällt bei ihnen viel mehr Verwaltungsaufwand an als bei sogenannten Vollversicherten. Eine Leserin aus Wiefelstede geht es ähnlich wie Haager: „Mein Mann ist Beamter, unsere beiden Kinder sind deshalb über Beihilfe und private Krankenversicherung abgesichert. Mit einem chronisch kranken Kind versinken wir in einer bürokratischen Flut. Pro Woche sitze ich sicher ein bis zwei Stunden an der Verwaltung der Krankheitskosten.“
Hamburg geht neue Wege
Trotzdem sichern die meisten der rund drei Millionen Beamte und Pensionäre Restkosten privat ab, die von der Beihilfe nicht erstattet werden. Das hat auch finanzielle Gründe: Die Absicherung über die gesetzliche Kasse ist für sie deutlich teurer. Sie müssen dort den gesamten Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung alleine – ohne Arbeitgeberanteil – tragen und auf Beihilfe durch ihren Dienstherrn weitgehend verzichten.
Als erstes Bundesland eröffnet ab August 2018 aber die Stadt Hamburg neuen Beamten die Möglichkeit, sich ähnlich wie Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Eine pauschale Beihilfe, die der Hälfte des gesetzlichen Krankenversicherungsbeitrags entspricht, ersetzt den Arbeitgeberanteil. Für Beamte, die vor allem den Papierkram fürchten, dürfte das ein interessantes Angebot sein. Denn die gesetzlichen Kassen rechnen direkt mit Ärzten ab.
Direktabrechnung im Basistarif
Zwar hat auch in der privaten Krankenversicherung die Direktabrechnung Einzug gehalten. Doch das System ist für die Versicherten schwer durchschaubar. So haben Ärzte beim Basistarif, den alle privaten Versicherer anbieten müssen, etwa einen Direktanspruch gegenüber dem Versicherer. Dieser Tarif ist aber für Versicherte wenig attraktiv. Seine Leistungen entsprechen etwa denen der gesetzlichen Kassen – allerdings ohne die Möglichkeit, Ehepartner oder Kinder beitragsfrei mit zu versichern. Der Beitrag richtet sich nach dem Alter des Versicherten und liegt 2018 bei bis zu 690 Euro im Monat.
„Grundsätzlich sieht das Versicherungsvertragsgesetz schon vor, auch in anderen Tarifen für ambulante Leistungen die Direktabrechnung zu vereinbaren“, sagt Silke Möhring, Rechtsanwältin bei der Verbraucherzentrale Hessen. „Einen Anspruch haben Versicherte aber nicht.“ Im ambulanten Bereich spielt das deshalb kaum eine Rolle.
Direktabrechnung im Krankenhaus
In Krankenhäusern ist das anders. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) hat im Namen von zahlreichen Versicherern Rahmenverträge über die direkte Abrechnung für allgemeine Krankenhausleistungen und die Unterkunft geschlossen. Der Versicherungsnehmer tritt dabei seinen Anspruch auf Kostenerstattung aus dem Versicherungsvertrag an das Krankenhaus ab. „Chefarztbehandlungen sind aber ausgenommen“, erklärt Möhring. Diese Rechnungen und – bei Beamten – auch der Rechnungsanteil, den die Beihilfe übernimmt, kommen weiter nach Hause. Und sie sind oft hoch.
Erstattung: Nach Tagen oder Monaten
Hohe Beträge bescheren privat Krankenversicherten das nächste Problem. „Bei höheren Rechnungen hat der Dispokredit meiner Mutter oft nicht ausgereicht, weil Ärzte, Sanitätshäuser oder die Apotheke oft zeitnah ihr Geld haben wollten, lange bevor es Versicherung und Beihilfe erstattet haben“, sagt Haager. Wann erstattet wird, unterscheidet sich nach den Erfahrungen unserer Leser stark. Sie nannten Fristen von drei Tagen bis zu mehreren Monaten. Haager stellte mit der Zeit fest, dass es schneller geht, wenn sie Routinepositionen wie Hausarztrechnungen oder Rezepte getrennt von höheren Einzelrechnungen, etwa für Hilfsmittel, einreicht.
Beliebig handhaben können Versicherer die Erstattung nicht. Ihnen muss zwar genug Zeit bleiben, zu prüfen, ob sie überhaupt zur Zahlung verpflichtet sind. Länger als zwei bis drei Wochen sollte das laut Möhring nicht dauern. Nur bei komplizierten Fällen seien auch vier Wochen und mehr zulässig. Nach spätestens einem Monat müssen sie zumindest die unstrittigen Beträge überweisen. Die Frist beginnt mit Einreichen der Rechnung.
Haagers Mutter starb im September 2017. „Ich warte immer noch auf Arztrechnungen von mehreren Tausend Euro, um sie beim Versicherer einzureichen“, sagt die Tochter.
Abrechnung und Papierkram unter Kontrolle bringen
- Überblick behalten.
- Überlegen Sie sich ein Ablagesystem für Rechnungen, Überweisungen, Erstattungen, Ablehnungen. So behalten Sie den Überblick.
- Im Plus bleiben.
- Sollten Sie hohe Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen können, kontaktieren Sie Arzt oder Abrechnungsstelle und bitten um Aufschub. Fordern Sie dann, spätestens einen Monat nachdem Sie die Rechnung eingereicht haben, von Ihrem Versicherer die Erstattung oder zumindest eine Abschlagzahlung. Berufen Sie sich auf Paragraf 14 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes.
- Internet nutzen.
- Bei vielen Versicherern können Sie die Rechnungen online hochladen oder spezielle Apps für Smartphone und Tablet nutzen. Leser berichten, dass die Erstattung dann deutlich schneller verläuft.
- Medikamente direkt abrechnen.
- Bei hohen Medikamentenkosten bieten viele Versicherer ein Direktabrechnungsverfahren mit der Apotheke an. Fragen Sie bei Ihrem Versicherer nach.
- Vollmachten geben.
- Treffen Sie Vorsorge, damit Menschen, denen Sie vertrauen, Abrechnungen übernehmen können, sollten Sie dazu nicht in der Lage sein. Kontaktieren Sie Versicherer, Bank und Beihilfestelle und stellen Sie Vollmachten aus. Detaillierte Informationen und Formulare finden Sie in unserem Vorsorge-Set für 14,90 Euro, erhältlich in unserem Online-Shop.
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- Wer darf in die private Krankenversicherung (PKV) – und für wen lohnt sich das? Wie finde ich eine gute PKV-Police? Was tun, wenn die Beiträge zu hoch werden?
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- Reicht das Geld nicht für die PKV-Beiträge, heißt es schnell zu handeln. Standardtarif und Basistarif können Auswege sein, der Notlagentarif ist nur eine Zwischenlösung.
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- Die privaten Krankenversicherungen aus unserem Test bieten höhere Leistungen als gesetzliche Kassen. Eine gute Auswahl ist wichtig, da spätere Änderungen schwierig sind.
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Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit und als Selbstbetroffener kann ich niemandem zu einem Wechsel in die private KV raten. Schon gar nicht mit Familie!Hier sollte man sich freiwillig bei der gesetzlichen Krankenversicherung weiterversichern und eine private Zusatzvers. abschliessen.
Was genau möchten Sie in Ihrem Beitrag sagen?
Dieselbe Erfahrung mit einer IMRT Abrechnung gemacht. Jetzt ist mein Rechtsanwalt nach drei Jahren auch noch abgetaucht.
Herr Spohr hat auf Jameda übrigens eine Art Betroffenengruppe im Kommentarbereich eröffnet.
Die CENTRAL in Köln verweigert Zahlungen, die sie lt. BGH-Urteil und anderen Urteilen leisten müsste. Das ist ein Geschäftsmodell: 99 Versicherte schlucken das, und nur einer geht vor Gericht. Ein gutes Geschäft!
Häufig wird schon bezahlt, wenn der Versicherung die Klage vorliegt, weil diese ja kaum zu gewinnen ist.
Bei berechtigtem Anspruch auf Leistung häufiger klagen!!!
Wie es scheint, ist man den Privaten Krankenversicherungen mehr oder weniger ausgeliefert. Es gibt keine Wechselmöglichkeit (frage mich, ob das rechtens ist, man könnte doch Rückstellungen beim Wechsel mitnehmen) und das scheint politisch auch so gewollt zu sein (Lobby). Übrigens, ich bin auch bei der LKH (die wurde vor 20 Jahren von Stifutng Warentest als sehr empfehlenswert getestet, weshalb ich mich auch für sie entschieden habe) und warte noch auf den "Supergau", hatte aber Gott sei Dank noch keine größeren Abrechnungen.....