
Schnell noch einen Vertrag abschließen, bevor Männer höhere Beiträge zahlen müssen? Das ist nicht für jeden sinnvoll.
Männer sind diesen Herbst begehrt – bei den privaten Krankenversicherern. Die Unternehmen wollen noch vor dem 21. Dezember 2012 männliche Kunden gewinnen. Denn danach dürfen sie nur noch geschlechtsneutral kalkulierte Tarife anbieten, sogenannte Unisex-Tarife. Die werden für Männer teurer.
Bislang zahlten sie weniger als Frauen, weil statistisch gesehen ihre Gesundheitskosten und Lebenserwartung geringer sind. Unterschiedliche Beiträge für Männer und Frauen sind nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nun nicht mehr erlaubt. Die Bundesregierung will zudem festlegen, dass Kunden, die einen der neuen Unisex-Tarife abschließen, nicht in einen alten geschlechtsabhängig kalkulierten Tarif ihres Versicherers wechseln dürfen. So steht es im Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett Ende August dem Bundesrat vorgelegt hat.
Neue Tarife ab 21. Dezember 2012

Andersherum soll der Wechsel nicht erlaubt sein: Wenn die Neuregelung wie geplant in Kraft tritt, können Männer aus einem Unisex-Tarif später nicht in einen für sie günstigeren alten Tarif wechseln.
Die Männer sollten dennoch nicht in Schlussverkaufstimmung verfallen. Nur wenn sie sich ganz sicher sind, dass die private Krankenversicherung auch langfristig das Richtige für sie ist, sollten sie noch in diesem Jahr wechseln.
Den privaten Vertrag müssen sie dann aber schon zum 1. Dezember in der Tasche haben, weil sie sonst nicht mehr in einen alten Tarif hineinkommen. Ihre gesetzliche Kasse können freiwillig Versicherte aber erst zum 31. Dezember 2012 verlassen, falls sie im Oktober schriftlich kündigen. Denn in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende. Sie sind also einen Monat lang doppelt versichert; wenn sie erst im November kündigen, sogar zwei Monate.
Um für die private Police in dieser Zeit weniger Beitrag zu zahlen, können Neukunden nach Auskunft des PKV-Verbandes bei dem Versicherer anfragen, ob der zum 1. Dezember 2012 geschlossene Vertrag zunächst als Anwartschaftsversicherung ohne Leistungsanspruch geführt werden kann und erst dann „auflebt“, wenn die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kasse endet.
Wechselwillige können getrost erst einmal bei ihrer Kasse kündigen und dann nach einem privaten Vertrag suchen. Findet ein Kunde kein geeignetes Angebot, bleibt er bei seiner gesetzlichen Kasse. Die Kündigung wird nur wirksam, wenn er der Kasse innerhalb der Kündigungsfrist anzeigt, dass ein anderer Versicherungsschutz besteht.
Entscheidung fürs Leben
In die private Krankenversicherung einzutreten, ist jedoch immer eine Entscheidung fürs Leben. Einfach ist sie nur für Beamte auf Lebenszeit: Wegen der Beihilfe ihres Dienstherrn ist es für sie in aller Regel günstiger, sich privat zu versichern. Beamte brauchen auch keine Angst vor Arbeitslosigkeit oder vor einer Insolvenz zu haben.
Bei Arbeitnehmern und hauptberuflich Selbstständigen ist das anders. Sie müssen daran denken, dass ihnen spätestens mit 55 Jahren eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt ist (siehe Zurück in die gesetzliche Kasse). Selbst wenn sie arbeitslos werden oder einen schlechter bezahlten Job annehmen müssen, bleiben sie trotz des dann geringeren Einkommens privat versichert. Auch als Rentner müssen sie die Beiträge aufbringen. Diese sinken aber nicht, wenn ihr Einkommen sinkt.
Hinzu kommt, dass sich die Beiträge in der privaten Versicherung mit den Jahren vervielfachen. Immer wieder berichten uns Leser, dass sie 600 bis 800 Euro im Monat oder noch mehr für ihre private Krankenversicherung aufbringen müssen. Vor allem für Rentner ist das eine enorme Belastung.
Von Anfang an Geld ansparen
Die private Krankenversicherung kommt – abgesehen von Beamten – daher nur für solche Menschen infrage, die von Anfang an regelmäßig Geld ansparen können, um sich die später höheren Beiträge auch im Alter noch leisten zu können.
Andreas Gandert aus Berlin macht es richtig. Gleich beim Abschluss seiner privaten Police vor etwa zehn Jahren richtete er ein Sparkonto ein, auf das er jedes Jahr knapp 1 000 Euro überweist. Der 44-jährige Mitarbeiter einer Versicherungsgesellschaft macht sich keine Illusionen: „Am Ende wird es auf jeden Fall teurer.“ Dennoch ist Gandert überzeugter Kunde der Privatversicherung. Er hat den Eindruck, dass die Ärzte Privatpatienten umfangreicher und vor allem schneller behandeln: „Meine gesetzlich versicherte Mutter wartet zweieinhalb Monate auf einen Facharzttermin und muss kämpfen, wenn sie einen MRT-Termin braucht.“
Leistungen sind besser
Ärzte bekommen von privat Versicherten erheblich höhere Honorare als für die Behandlung von Kassenpatienten. Das kann dazu führen, dass sie sich mehr Zeit nehmen oder schneller einen Termin vergeben.
Auch bei der Kostenübernahme für Medikamente, für Sehhilfen und für Zahnersatz sind privat Versicherte oft im Vorteil. Die gesetzlichen Kassen bezahlen erwachsenen Versicherten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine rezeptfreien Arzneimittel und keine Zuschüsse zu Brillen mehr. Beim Zahnersatz beschränkt sich der Kassenanteil auf einen festen Zuschuss.
Immer wieder hat die Bundesregierung Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gekürzt. In der privaten Krankenversicherung sind die Kunden vor solchen Eingriffen der Politik geschützt. Die Unternehmen dürfen vertraglich vereinbarte Leistungen nicht kürzen oder streichen.
Im Gegenzug haben privat Versicherte mit steigenden Beiträgen zu kämpfen. Viele wissen sich später nicht anders zu helfen, als von sich aus auf Leistungen zu verzichten oder ihre Selbstbeteiligung immer wieder zu erhöhen.
Von vornherein einen privaten Tarif mit reduzierten Leistungen abzuschließen, empfiehlt sich nicht. Viele Billig- oder Einsteigertarife haben gefährliche Leistungslücken. Die Versicherer zahlen dann beispielsweise nichts oder zu wenig für ambulante Psychotherapie, für Heilmittel wie Ergotherapie oder für Hilfsmittel wie Rollstühle oder Hörgeräte. Oder sie erstatten Arzt- und Zahnarzthonorare nur bis zu einem niedrigen Satz der privaten Gebührenordnung.
Was die Versicherung nicht übernimmt, müssen Patienten aus eigener Tasche zahlen. Im Krankheitsfall den privaten Versicherungsschutz zu erhöhen, ist in der Regel nicht möglich.
Hohe Provisionen für Vermittler
Angebote für weniger als 100 Euro im Monat brauchen sich Interessenten gar nicht erst anzusehen. Wenn schon privat versichern, dann sollten die Leistungen mindestens denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen – im Idealfall gehen sie darüber hinaus.
Die Versicherer zahlen ihren Vertretern hohe Provisionen für den Verkauf von Policen: Neun Monatsbeiträge sind im Schnitt erlaubt. Kunden können sich daher nicht darauf verlassen, dass ihr Vermittler sie auf alle Fallen hinweist und sie das beste Angebot erhalten.
Deshalb ist es sinnvoll, einen Versicherungsberater aufzusuchen. Der verlangt zwar ein Honorar vom Kunden, dafür ist er unabhängig von den Versicherern (siehe „Unser Rat“).
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- Alle privaten Krankenversicherer müssen für ihre langjährigen Kunden den Standardtarif anbieten. Ein Wechsel kann den Beitrag erheblich senken.
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- Wer darf in die private Krankenversicherung (PKV) – und für wen lohnt sich das? Wie finde ich eine gute PKV-Police? Was tun, wenn die Beiträge zu hoch werden?
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- Alle Versicherer sind verpflichtet, den Basistarif bereitzuhalten. Seine Leistungen sind brancheneinheitlich, und der Beitrag ist gesetzlich begrenzt.
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Rückblickend ergibt sich ein ganz anderes Bild auf die Beitragsentwicklung, wie die Stiftung (und auch andere Stellen) im März 2013 resümierte: Doch die neuen Tarif sind häufig nicht günstiger, sondern teurer. Das liegt daran, dass die Versicherer die Beiträge nun anders kalkulieren. "
Auf vielfachen Wunsch haben wir die Beitragstarife zu PKV zum 01.12. als Unisex und 01.01.2013 als Bisex Tarif verglichen.
Auf youtube.com/user/MacTarifCheck/videos?view=0 haben wir das Ergebnis auf 6 min Film zusammengefasst.
Wichtig sind nicht nur die Beitragssätze, sondern dass man auch die Risiken kennt. Insofern stimmen wir mit Test.de überein, dass es individuell die Sachlage zu überprüfen gilt und pauschale Aussagen kaum möglich sind.
Allerdings ist der Vorteil (wenn überhaupt) kurz und mittelfristig zu sehen und geht mit erheblichen Risiken bei zwischenzeitlicher Erkrankung einher.