
© imago / Ralph Peters
Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Beitragserhöhungen der privaten Krankenversicherung sind wirksam, auch wenn es Zweifel an der Unabhängigkeit des Treuhänders gibt.
Unabhängigkeit des Treuhänders kein Argument
Private Krankenversicherer müssen gesetzliche Vorgaben einhalten, wenn sie die Beiträge ihrer Krankenversicherungstarife erhöhen wollen. So müssen sie begründen, warum die Prämien steigen. Zudem muss ein unabhängiger Treuhänder die Beitragskalkulationen prüfen und der Erhöhung zustimmen. Nach Ansicht der Richter des BGH reicht die Tatsache, dass ein Treuhänder möglicherweise nicht unabhängig ist, aber nicht aus, um Prämienerhöhungen später wieder zu kippen (AZ. IV ZR 255/17). Ist der Treuhänder ordnungsgemäß bestellt worden, kann keine gesonderte Prüfung seiner Unabhängigkeit durch die Zivilgerichte stattfinden.
Für den Versicherten ging es um rund 1 000 Euro
Im konkreten Fall ging es um die Axa und deren Beitragserhöhungen in den Jahren 2012 und 2013. Der damals zuständige Treuhänder sei nicht von der Axa unabhängig gewesen, so der Vorwurf eines bei der Axa privat krankenversicherten Mannes. Er hatte geklagt und in den Vorinstanzen (Potsdamer Amts- und Landgericht, Az. 29 C 122/16 und 6 S 80/16) gegen den Versicherungskonzern gewonnen. Sein Vorwurf: Der Treuhänder war für das Unternehmen über einen Zeitraum von 15 Jahren tätig gewesen, habe hierbei alle Prämienanpassungen geprüft und bezog von einem mit der Axa verbundenen Unternehmen ein Ruhegehalt. Für die BGH-Richter war dies aber nicht maßgeblich, um die Beitragserhöhungen, die sich für den Mann auf insgesamt 1 000 Euro beliefen, für unwirksam zu erklären.
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Grundsatzentscheidung wirkt sich auf andere Verfahren aus
Viele privat Krankenversicherte haben bereits gegen Beitragserhöhungen bei ihren Anbietern erfolgreich in unteren Instanzen geklagt – mit dem Vorwurf fehlender Unabhängigkeit des zustimmenden Treuhänders. In mehr als 50 Urteilen entschieden die Richter von Land- und Amtsgerichten zugunsten der Versicherten und erklärten die Preiserhöhungen für nicht wirksam. Andere Verfahren sind noch offen. Durch das Grundsatzurteil können die Versicherungskonzerne Rückzahlungen an ihre Versicherten nun ablehnen, wenn die Forderung ausschließlich mit fehlender Unabhängigkeit des ordentlich bestellten Treuhänders begründet wird.
Drei Möglichkeiten, hohe Beiträge zu vermeiden
Gerade langjährig privat Krankenversicherte haben oft mit Beitragserhöhungen zu kämpfen. Wenn die Beiträge der privaten Krankenversicherung stark ansteigen, haben Versicherte mehrere Möglichkeiten, um eventuell doch die Kosten zu senken.
- Tarifwechsel.
- Versicherungskunden haben das Recht, in einen anderen Tarif beim gleichen Versicherer zu wechseln und so ihren Beitrag zu senken (mehr dazu in unserem Special Private Krankenversicherung: Mit einem Tarifwechsel viel Geld sparen). Das bedeutet aber nicht, dass die Leistungen im neuen Vertrag identisch sind mit denen des alten Vertrags. Es heißt lediglich, dass jemand zum Beispiel von einem Tarif, der ambulante, stationäre und Zahnleistungen umfasst, in einen anderen Tarif wechseln darf, der ebenfalls diese Leistungsbereiche abdeckt. Und: Für Leistungen, die bereits im jetzigen Vertrag enthalten sind, darf es im neuen Vertrag keine neuen Wartezeiten, Risikozuschläge oder Ausschlüsse geben.
- Standardtarif.
- Ist ein Wechsel in einen günstigeren Tarif beim gleichen Versicherer nicht möglich, kann der Wechsel in den Standardtarif eine Möglichkeit sein, die Beiträge zum Teil erheblich zu senken – das gilt vor allem für Rentner, aber auch andere langjährig privat Krankenversicherte. Die Leistungen im Standardtarif entsprechen ungefähr denen der gesetzlichen Krankenversicherung. In unserem Special „Private Krankenversicherung: Standardtarif, Basistarif, Notlagentarif“ erklären wir, unter welchen Voraussetzungen privat Krankenversicherte Zugang zum Standardtarif haben und für wen er sinnvoll ist. Mit unserer großen Überblicks-Tabelle lassen sich die Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, im Standardtarif und in der „normalen“ privaten Krankenversicherung vergleichen.
- Beitragsentlastungstarif.
- Diese Tarifvariante basiert auf dem Prinzip, dass Versicherte in der Gegenwart etwas höhere Beiträge zahlen, um sich im Rentenalter die private Krankenversicherung noch leisten zu können (So vermeiden Sie hohe Beiträge im Alter). Einen Beitragsentlastungstarif können Kunden jeweils nur bei ihrer privaten Krankenversicherung abschließen. Sie müssen also nur die Tarifmerkmale ihrer derzeitigen Versicherung checken.
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- Schon wieder erhöht die private Krankenversicherung die Beiträge: Finanztest sagt, was Versicherte gegen steigende Kosten tun können und wann sich eine Klage lohnt.
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- Wer darf in die private Krankenversicherung (PKV) – und für wen lohnt sich das? Wie finde ich eine gute PKV-Police? Was tun, wenn die Beiträge zu hoch werden?
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- Reicht das Geld nicht für die PKV-Beiträge, heißt es schnell zu handeln. Standardtarif und Basistarif können Auswege sein, der Notlagentarif ist nur eine Zwischenlösung.
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AXA wirbt mit einem beeindruckenden Schaubild, um wieviel sie günstiger sind als die gesetzliche Krankenversicherung. Danach soll der Beitrag seit 2013
jährlich um 2,8 % p.a. (die GKV dagegen um 3,4 % p.a.)
gestiegen sein. Das hört sich toll an. Die Wahrheit ist: Alleine bei mir steigt der Beitrag von Pflegeversicherung und Krankenversicherung
im Jahr 2024 um 10,36 %.
Das ist gelogen und müsste bestraft werden. Leider ist es aussichtslos und finanziell nicht machbar, gegen einen solchen Riesenkonzern mit seinem Heer von Rechtsanwälten zu klagen. Was bleibt übrig? Man ballt die Faust in der Tasche und sieht die Versicherung nicht als einen Helfer auf seiner Seite, sondern als einen übermächtigen Gegner.
Ich bin selbst betroffen, das vorweg. Jeder, der enttäuscht von der Gerichtsentscheidung, sollte das Folgende bedenken:
Hätte der BGH gegen die Versicherung entschieden, wären die zurückliegenden Prämienanpassungen (nach oben und nach unten) unwirksam. Innerhalb der Verjährungsfristen würde es also Rückzahlung geben. Aber dies hätte nichts an den Kalkulationsgrundlagen geändert (solange der Treuhänder nicht falsche Feststellungen getroffen hätte).
Sprich spätestens im kommenden Jahr würde es massive Prämienerhöhungen geben - dann festgestellt von einem anderen Treuhänder, der aber ja nichts an den Tatsachen ändern kann. Die rückgezahlten Gelder würden also sofort wieder reingeholt werden (müssen).
Es wäre also ein Papyrussieg gewesen.