Postbank Finanzberatung Vorsicht vor Vermittlertricks

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Kunden der Postbank müssen aufpassen. Da viele Vermittler von Provisionen für Vertragsabschlüsse leben, verkaufen sie auf Teufel komm raus.

Erwin Bauer*, Finanzmanager der Postbank Finanzberatung AG, ist frustriert. „Wenn ich Kunden der Postbank aufsuche, stelle ich immer häufiger fest, dass einer meiner Vorgänger dort verbrannte Erde hinterlassen hat.“ So sei es eine „Spezialität des Hauses“, alten Leuten gleich mehrere Bausparverträge anzudrehen, auch wenn die gar nicht bauen oder renovieren wollten und die Zuteilung vermutlich gar nicht mehr erleben würden. Auch würden Altverträge vorzeitig gekündigt, um dann weitere neue Verträge abzuschließen. Dafür könne der Berater dann erneut eine Provision kassieren.

Verkaufen, verkaufen, verkaufen!, laute das Motto. Wer die Vorgaben seines Vorgesetzten im Vertrieb nicht erfülle, werde als „Schwachmat“ gebrandmarkt, erklärt ein Hamburger Berater. „Der Druck, Verträge zu verkaufen, ist enorm,“ meint auch Finanzmanager Bauer (siehe Grafik).

Expostbankberater Wolfgang Merck* aus Gelsenkirchen sieht das ähnlich. Schlecht ausgebildete Berater würden Kunden völlig unabhängig von ihrem Bedarf Verträge verkaufen. 2006 habe die Postbank die Finanzberatung AG gegründet, die Produkte der Postbank und der BHW Bausparkasse vermittelt. Da es dem neuen Vertrieb an Mitarbeitern fehle und viele Verkaufsgebiete unterbesetzt seien, falle die Ausbildung neuer Berater sehr kurz aus, weiß Merck.

„Üblicherweise werden Mitarbeiter zu Beginn ihrer Tätigkeit zu einer 14-tägigen Schulung nach Hameln geschickt, kommen wieder und gehen direkt in den Verkauf“, sagt Merck. Viele dieser Berater hätten keinerlei Finanzausbildung, erklären Merck und Bauer unisono.

Postbank weist Vorwürfe zurück

Postbank-Sprecher Rüdiger Grimmert bezeichnet den Vorwurf mangelnder Ausbildung als „völlig unhaltbar“. Er bestätigt, dass neue Vertragspartner ein zweiwöchiges Basisseminar Finanzmanagement besuchen, das die grundlegenden fachlichen und rechtlichen Informationen vermitteln soll. Grimmert betont, dass das Seminar mit einem Test abgeschlossen werde.

Das Seminar sei der Beginn einer 15-monatigen Qualifizierungsphase, die mit der Prüfung zum Bauspar- und Finanzierungsfachmann des Verbands der privaten Bausparkassen ende.

Merck, der bis vor kurzem bei der Postbank Finanzberatung arbeitete, versichert, dass er gar kein Seminar besucht und keine Prüfung abgelegt habe. Auch Fortbildungsveranstaltungen gebe es so gut wie nie. „Alle Jubeljahre gibt es hier mal eine halb- oder ganztägige Fortbildung“, bestätigt Finanzmanager Bauer. Auch erhielten neue Mitarbeiter bereits auf dem Basisseminar Kundenlisten zum Mitnehmen, damit sie gleich Termine vereinbaren könnten.

Über den Tod hinaus

Da wundert es nicht, dass Finanztest gleich mehrere Fälle vorliegen, in denen älteren Kunden Verträge der zur Postbank gehörenden BHW Bausparkasse vermittelt wurden. Die Zuteilung der Verträge werden sie vermutlich nicht erleben. Weit über 100 Jahre alt müssten drei Postbank-Kundinnen werden, denen verschiedene Berater die Vorteile des Bausparvertrags „BHW Dispo maXX“ schmackhaft machten.

Gerda Meier* aus Dortmund ist 77 Jahre alt, als ihr im Frühjahr 2009 ein Berater einen Bausparvertrag vermittelt. Es ist ihr vierter. 80 000 Euro beträgt die Bausparsumme, die sie mit monatlich 60 Euro besparen soll. Mehr als 20 Jahre würde es da dauern, bis der Vertrag zugeteilt würde. Selbst wenn der Berater den für eine Bausparsumme von 80 000 Euro üblichen Regelsparbetrag von 240 Euro zugrunde gelegt hätte, müsste Meier bei einem Standardvertrag fast zehn Jahre auf die Auszahlung der Bausparsumme warten.

Doch damit nicht genug. Um schnell an die Abschlussprovision von 640 Euro für den Vertrag zu kommen, löste der Berater einen älteren Vertrag von Meier auf, überwies das Guthaben auf einen bestehenden Vertrag des Ehemanns, um diesen dann wiederum aufzulösen und dessen Guthaben auf den neuen Vertrag zu überweisen.

Das hatte zur Folge, dass bereits nach wenigen Sparraten ausreichend Geld zur Zahlung seiner Abschlussprovision auf dem neuen Bausparvertrag einging.

Auch der ebenfalls 77-jährigen Liese Kremer* drängte ein Berater drei Bausparverträge auf. 2009 legte er dann die Verträge aus 2002 und 2008 zusammen, um das auf den Altverträgen gesparte Guthaben auf einen neuen Vertrag einzuzahlen. Dadurch verdiente der Mann erneut eine Abschlussprovision. Als Kremer das herausfand, kündigte sie den Vertrag mit sofortiger Wirkung und nahm dafür sogar Verluste in Kauf. Zudem forderte sie die BHW Bausparkasse auf, sie nicht mehr anzurufen oder durch Mitarbeiter aufsuchen zu lassen.

Gerd Amsel* aus Karlsruhe ließ sich vier Bausparverträge aufschwatzen, bevor er die Notbremse zog. Bei monatlichen Raten von 40 Euro und einer Bausparsumme von 40 000 Euro hätte der 38-Jährige etwa 35 Jahre bis zur Zuteilung sparen müssen.

Herta Weber* aus Bad Abbach wurden seit 2002 drei Bausparverträge verkauft. Weber ist 86 Jahre alt. „Ich bin menschlich von meinem Berater schwer enttäuscht“, gibt sie zu Protokoll. 30 Jahre lang habe der nun für die Postbank Finanzberatung tätige Mann die Familie beraten. Sie habe ihm zu 100 Prozent vertraut. Nach dem Tod ihres Mannes habe der Berater für ein Honorar sogar ihre Steuererklärung erstellt. „Er wusste also, dass ich kein Geld für weitere Verträge hatte“, sagt Weber. Leider habe sie sämtliche Verträge, die er ihr vorgelegt habe, bedenkenlos unterschrieben.

Dass sie „übers Ohr gehauen“ wurde, habe sie erst gemerkt, als ein anderer Postbank-Berater sie fragte, warum sie 2009 einen neuen Bausparvertrag abgeschlossen habe, obwohl zwei alte Verträge bei weitem nicht angespart seien. Niemals hätte sie in ihrem Alter einen Vertrag abgeschlossen, der erst im Jahr 2017 zugeteilt werde.

Finanztest hält die Vermittlung von Bausparverträgen an weit über 70-jährige Sparer, die weder bauen noch renovieren wollen, ohnehin für wenig sinnvoll.

Postbank-Sprecher Grimmert sieht das allerdings anders. Grundsätzlich sei die Vermittlung von Bausparverträgen an 80-Jährige weder ein Fehler noch ein Mangel. „Eine Stigmatisierung aufgrund des Alters eines Kunden halten wir nicht für vertretbar.“ Im Einzelfall könne es sinnvoll sein, mehrere Bausparverträge abzuschließen und diese unterschiedlich zu besparen. Da Bausparverträge vererbbar sind, sei es vorstellbar, dass Ältere zugunsten ihrer Enkel sparten.

Verträge werden bewusst umgedeckt

Beratungsfehler sind nach Meinung von Insidern jedoch nicht nur auf die mangelnde Fachkompetenz vieler Berater zurückzuführen. Um möglichst viel Geld zu verdienen, machten Berater schon mal Altverträge schlecht. Dem Kunden würde dann der Abschluss eines neuen, viel lukrativeren Vertrags empfohlen. Hintergrund dieses von Experten als „bewusstes Umdecken“ benannten Vorgehens ist, dass diese Verträge „aus dem Storno“ sind.

Aus dem Storno sind Verträge, wenn der Kunde genügend Sparraten eingezahlt hat. Erst dann hat der Vermittler seine volle Provision sicher. Kündigt der Kunde vorher, verliert der Berater Geld.

Der neu abgeschlossene Vertrag bringt dem Vermittler dagegen eine zusätzliche Provision ein. Die Zeche für das Umdecken zahlen, wie im Fall der Familie Seifert* aus Unna, die Kunden. Das Paar zahlte viermal Vertragsabschlusskosten, weil ihr Postbank-Berater sie zur Kündigung ihrer staatlich geförderten Fondsrenten überredete. Im Beratungsprotokoll unterschlug er die alten Verträge und schloss für die Eheleute zwei neue Riester-Verträge ab. Dafür sackte er zwei neue Abschlussprovisionen ein.

Dem dreifachen Familienvater rechnete er dann vor, dass er 154 Euro plus 555 Euro Kinderzulage pro Jahr kassieren könne. Dafür müsse er lediglich 50 Euro monatlich einzahlen. Doch die Rechnung ist falsch. Die volle Förderung erhält nämlich nur, wer 4 Prozent seines Jahresbruttoeinkommens abzüglich der Zulagen in einen Riester-Vertrag einzahlt. Das wären bei Seifert bei einem Bruttoeinkommen von 43 000 Euro pro Jahr rund 84 Euro im Monat.

Urkundenfälschung nicht geahndet

Geradezu unglaublich sind einige Finanztest vorliegende Vertragsabschlüsse, die ohne Wissen der Kunden zustande kamen. Obwohl der verantwortliche Finanzmanager einräumt, dass es „sicherlich falsch“ von ihm war, die Verträge anstelle der Kunden zu unterschreiben, arbeitet er weiter für die Postbank Finanzberatung.

Die Postbank argumentiert, dass sie die Verträge umgehend abgewickelt habe. „Schäden sind den Kunden nicht entstanden“, erklärt Grimmert.

Allein in drei Fällen mussten Betroffene aber einen Anwalt einschalten. Erst nachdem der die Verträge wegen Urkundenfälschung gegenüber der zur Postbank gehörenden BHW Bausparkasse angefochten hatte, wurden sie aufgelöst. Konsequenzen für den Berater hatte das nicht.

* Namen von der Redaktion geändert.

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