
Vergangene Woche hat das Stromunternehmen Flexstrom Insolvenz beantragt. Mittlerweile ist klar: Über eine halbe Million Kunden sind von der Pleite betroffen. Unterdessen hat der Bundesgerichtshof kundenfreundliche Urteile im Streit um Flexstrom-Boni gesprochen.
540 000 Betroffene bei drei Firmen
Nach der Pleitemitteilung des Berliner Unternehmen Flexstrom ist nun die Zahl der Kunden bekannt. Betroffen sind rund 540 000 Verbraucher, teilt die Bundesnetzagentur mit. 314 000 Kunden sind es bei Flexstrom direkt, 63 500 beim Tochterunternehmen OptimalGrün und 97 000 bei Tochter Löwenzahn Energie.
Insolvenzverwalter ist benannt
Bei den drei Firmen geht nun nicht gleich das Licht aus. Das Amtsgericht Berlin hat Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger von der Kanzlei White & Case zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Dieselbe Kanzlei wurde schon 2011 mit der Insolvenzverwaltung der bisher größten Pleite am Strommarkt beauftragt, als Teldafax im Jahr 2011 Insolvenz anmeldete. Flexstrom teilt auf der Homepage mit, der Geschäftsbetrieb werde fortgeführt, die Kunden würden weiter beliefert. Das heißt: Wenn die Lieferanten bei der Stange bleiben, bekommen die Kunden weiter Strom von Flexstrom. Sie sind dann an den Vertrag gebunden und müssen weiterhin ihre Abschläge zahlen. Sie haben jetzt kein Sonderkündigungsrecht. Allein die Tatsache, dass Flexstrom Insolvenz angemeldet hat, gibt Verbrauchern kein Recht zur fristlosen Kündigung. Wer aus dem Vertrag heraus will, kann erst mit der vertraglich vereinbarten Frist aussteigen.
Insolvenzverwalter will keine hohen Vorauszahlungen
Laut Bundesnetzagentur hat der Insolvenzverwalter zugesagt, dass Flexstrom nun keine Vorauskasse für mehrere Monate mehr kassiert, sondern nur noch – wie am Markt üblich – monatliche Abschläge verlangen wird. Wer erst kürzlich per Einzugsermächtigung eine Jahresvorauszahlung geleistet hat, sollte sie jetzt bei seiner Bank widerrufen. Das geht kostenlos mindestens sechs Wochen lang. Sinnvoll ist es, wenn Flexstrom-Kunden ihre Zählerstände ablesen, sobald ein Lieferstopp erfolgen sollte. Diese Daten sollten sie dann dem Netzbetreiber, dem örtlichen Grundversorger und Flexstrom mitteilen. Das erleichtert eine korrekte Abrechnung.
Boni und Erstattungen auf Eis gelegt
Kunden, die für Monate im Voraus gezahlt haben, müssen nun hoffen, dass Flexstrom möglichst lange weiter liefert – jedenfalls so lange, bis ihr vorausbezahltes Guthaben aufgebraucht ist. Eine Teilauszahlung des Guthabens kommt schon aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht in Frage, teilt die Kanzlei White & Case mit. Dasselbe gilt für Bonuszahlungen. Schon seit Monaten beschweren sich Kunden in den Verbraucherzentralen, Flexstrom zahle die versprochenen Boni nicht aus. Es sind vor allem diese Boni, die den Flexstromtarif so preisgünstig gemacht haben. Im Regelfall sollen sie nach Ablauf des ersten Vertragsjahres ausgezahlt werden. Eine Auszahlung dieser Gelder kommt nun erstmal nicht in Frage. Noch ist das Insolvenzverfahren nicht eröffnet. Laut White & Case wird es voraussichtlich am 1. Juli eröffnet. Erst dann können Kunden ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden.
Bundesgerichtshof gibt Bonus-Kunden Recht
Am Mittwoch, 17. April 2013, sprach der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen Flexstrom-Kunden den Bonus zu. Das Unternehmen hatte sich mit Verweis auf das Kleingedruckte geweigert, einen versprochenen „Aktionsbonus“ zu zahlen, wenn Kunden ihre Verträge bereits zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres kündigten. Flexstrom meinte, dass Kunden für den Bonus mindestens zwei Jahre bei der Stange bleiben müssten. Das sah das Gericht nun anders: Die Flexstrom-Klausel sei für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden so zu verstehen, dass sie Anspruch auf den Bonus haben, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat (Az. VIII ZR 225/12 und VIII ZR 246/12). Ob diese höchstrichterlichen Entscheidungen den betroffenen Kunden finanziell noch etwas bringen, ist angesichts des bevorstehenden Insolvenzverfahrens ungewiss.
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