
Politik und Handel sind sich einig: Die kostenlose Plastiktüte an der Kasse soll in Deutschland bald der Vergangenheit angehören. Spätestens ab 1. Juli kosten Plastiktüten daher bei über 240 größeren Unternehmen Geld. Doch dient eine Kostenpflicht für Plastiktüten wirklich dem Schutz der Umwelt? Sind Alternativen wie der Jutebeutel oder die Papiertüte umweltschonender? test.de klärt, wie Sie Ihre Einkäufe möglichst umweltverträglich nach Hause bringen.
Vereinbarung zwischen Umweltministerium und Handelsverband
Nach langem Ringen haben sich Politik und Handel nun geeinigt. Am 26. April 2016 haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und der Handelsverband Deutschland (HDE) nun eine Vereinbarung zur Verringerung des Verbrauchs von Kunststofftragetaschen unterzeichnet. Darin steht unter anderem, dass viele große Unternehmen sich verpflichten spätestens ab 1. Juli 2016 Plastiktüten nicht mehr kostenlos abzugeben. Momentan verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich etwa 71 Plastiktüten im Jahr. Damit liegen die Deutschen weit unter dem EU-Durchschnitt von rund 198 Tüten pro Kopf. Nach einer Verordnung der EU-Kommission soll der Verbrauch aber bis 2025 europaweit auf 40 Tüten pro Einwohner sinken. Es herrscht also auch hierzulande Handlungsbedarf.
Plastiktüten kosten nicht überall und es gibt keinen einheitlichen Preis
Wie viel die Plastiktragetaschen kosten sollen, können die Händler selbst entscheiden. In der Vereinbarung heißt es nur, die teilnehmenden Unternehmen müssten ein „angemessenes Entgelt“ erheben. Manche der teilnehmenden Unternehmen wie Aldi Nord, Aldi Süd oder Rewe geben Tüten schon seit langem nicht mehr kostenlos ab. Andere führen das Plastiktüten-Entgelt auch schon vor der Frist ein. Seit dem 2. Mai kosten etwa bei Galeria Kaufhof Plastiküten je nach Größe 10 beziehungsweise 25 Cent. Auch beim Buchhandelsunternehmen Hugendubel sind Plastiktüten seit dem 2. Mai kostenpflichtig.
Nicht alle Tüten kosten Geld
Die Vereinbarung gilt aber nicht alle für alle Plastiktüten. Folgende Tragetaschen aus Plastik sind ausgenommen:
- Hemdchenbeutel, als Erstverpackung für lose Lebensmittel zum Beispiel an der Obst- und Gemüsetheke
- Sehr leichte Kunststofftragetaschen beim Einkauf loser Kleinprodukte wie zum Beispiel Schrauben
- Tiefkühltragetaschen
- Permanenttragetaschen (Stärke über 50 Mikron).
Plastik im Meer
Aber sind Plastiktüten wirklich so schlimm? Klar ist zunächst: Plastik stellt ein Risiko für die Umwelt und damit auch für alle Lebewesen dar. Pro Minute gelangt etwa eine Müllwagenladung Plastik in die Meere – das sind rund acht Millionen Tonnen jedes Jahr. Verschärfend kommt hinzu, dass Plastik sich nur sehr langsam auflöst. Es wird über einen sehr langen Zeitraum – über Jahrhunderte – zu immer feineren Teilchen zermahlen. Dabei werden Additive wie Weichmacher oder Flammenschutzmittel freigesetzt. Die feinen Kunststoffteilchen nennt man auch Mikroplastik. Sie sind zwischen 0,001 und 5 Millimeter groß und wurden von Forschern schon im Gewebe kleiner Meereslebewesen nachgewiesen. Plastiktüten sind ein Teil dieser erschreckenden Geschichte. Größere Teile von Plastiktüten können von Tieren auch mit Nahrung verwechselt oder versehentlich aufgenommen werden. Außerdem kann absinkendes Plastik den Meeresboden verhärten. Mehr zum Thema in unserem Special Mikroplastik: Riskante Teilchen in Pullis, Peelings und Plankton.
Der Preis als Abschreckung kann funktionieren
Die gute Nachricht: Der Verbrauch von Plastiktüten ist mit recht einfachen Maßnahmen vermeidbar. Wie das Beispiel Irland zeigt, kann der Preis durchaus als Abschreckung funktionieren. Im März 2002 hat die Republik eine Steuer auf Plastiktüten von 15 Cent eingeführt, die am 1. Juli 2007 auf 22 Cent erhöht wurde. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist seit 2002 von über 300 auf etwa 18 Tüten gesunken – ein enormer Rückgang. Sollte diese Rechnung auch in Deutschland aufgehen, wäre das ein entscheidender Schritt Richtung EU-Vorgabe.
Alternativen: Jutebeutel und Papiertüte
Es gibt zwei beliebte Alternativen zur Plastiktüte: Jutebeutel oder Papiertüte wirken zunächst wie gute Lösungen für umweltbewusste Spontaneinkäufer. Doch wie ökologisch sind sie wirklich? Wir haben die wichtigsten Vor- und Nachteile zusammengestellt.
- Papiertüte
Vorteile: Biologisch abbaubar.
Nachteile: Die Herstellung benötigt fast doppelt so viel Energie wie die Herstellung einer Plastiktüte. Außerdem werden umweltschädliche Chemikalien eingesetzt. Ein zusätzliches Problem: Papiertüten sind nicht wasserabweisend und reißen schneller. Dies erschwert die Wiederverwendbarkeit.
Fazit: Ob die Umweltbilanz von Papiertüten besser ist als die von Plastiktüten, hängt konkret davon ab, wie oft sie verwendet werden, und aus welchem Rohstoff sie hergestellt wurden. Wer die Umwelt schützen möchte, sollte also darauf achten, dass die Tüten aus Altpapier sind und möglichst wenig behandelt wurden. Das Siegel Blauer Engel kann darüber Aufschluss geben.
- Jutebeutel / Baumwolltasche
Vorteile: Kann sehr oft verwendet werden. Mittlerweile ersetzen manche Geschäfte die Beutel kostenlos, falls sie doch einmal kaputt gehen.
Nachteile: Die Baumwollproduktion ist mit einer erheblichen Umweltbelastung verbunden. Ist der Stoffbeutel nicht aus recycelter Baumwolle und stammt diese wiederum nicht aus biologisch kontrolliertem Anbau, muss der Jutebeutel etwa 100-mal so häufig genutzt werden wie eine Plastiktüte, um die schlechtere Ökobilanz auszugleichen.
Fazit: Die Baumwolltasche ist nur ökologisch sinnvoller, wenn sie häufig verwendet wird. Wer die Umwelt schützen möchte, sollte auf einen Beutel aus recycelter Baumwolle setzen und ihn so oft wie möglich einsetzen.
Wiederverwerten, Wiederverwerten, Wiederverwerten...
Egal, für welche Tasche sich Verbraucher beim Einkauf entscheiden – Wiederverwertung ist das A und O im Umweltschutz. Eine Tüte oder Tasche sollte so oft wie möglich verwendet werden – unabhängig davon, aus welchem Material sie ist. Plastiktüten einfach durch Papiertüten oder Baumwollbeutel zu ersetzen, ist ökologisch nicht immer sinnvoll. Wer spontan einkaufen geht, sollte dennoch nach Möglichkeit auf Einwegtaschen verzichten. Permanenttragetasche aus Bändchengewebe oder faserverstärkten Kunststofffolien können zum Beispiel sehr oft verwendet werden. Sollte die Tasche sich doch abnutzen, ersetzen viele Geschäfte die Taschen kostenlos. Auch die besonders praktischen Faltshopper, die einige Drogeriemärkte anbieten, können Abhilfe schaffen. Sie nehmen in Handtasche oder Rucksack nicht viel Platz weg und können bei Spontaneinkäufen helfen. Ist der Griff zur Plastiktüte dennoch unvermeidbar, können Einkäufer auch nach einer Tüte mit dem Blauen Engel fragen. Sie besteht mindestens zu 80 Prozent aus Recyclingkunststoff.