
Weichmacher. Produkte aus synthetischem Gummi enthalten oft Phthalate. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Manche Kunststoffe sind ohne Weichmacher spröde und unbrauchbar. Doch die weit verbreitete Weichmacher-Familie der Phthalate ist gesundheitsschädlich. Einige dieser Verbindungen wirken vor allem auf das Hormonsystem oder die Fortpflanzungsfähigkeit, andere schädigen die Leber des Menschen. Hier beantworten die Experten der Stiftung Warentest die wichtigsten Fragen zu Phthalaten.
Alle Fragen im Überblick
- Was sind Phthalate – und wozu dienen sie?
- Wie wirken die Phthalate?
- Wo kommen Phthalate vor?
- Welche Lebensmittel können Phthalate enthalten?
- Ist die Stiftung Warentest in ihren Lebensmitteltests auf Phthalate gestoßen?
- Gibt es auch bei Kosmetika Probleme mit Weichmachern?
- Hat die Stiftung Warentest auch in Alltagsgegenständen Phthalate gefunden?
- Welche Kriterien gelten für die Schadstoffuntersuchungen der Stiftung Warentest?
- Was kann ich gegen eine Belastung mit Phthalaten tun?
- Kann ich als Verbraucher erkennen, ob ein Produkt Phthalate enthält?
- Was kann ich tun, wenn ich ein belastetes Produkt besitze?
Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Phthalaten
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Was sind Phthalate – und wozu dienen sie?
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Phthalate sind Industriechemikalien und entstehen aus der Phthalsäure, einer organischen Säure. Sie sind geruch-, geschmack- und farblos und finden vor allem als Weichmacher für den weit verbreiteten Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) Verwendung. Ohne sie wäre dieser Kunststoff viel zu hart und brüchig für viele Anwendungen. Weiches PVC begegnet dem Verbraucher etwa in Teppichböden und Kabelummantelungen. Auch Rohre im Baubereich oder manche Folien sind aus dem billig herzustellenden PVC gefertigt.
Die fünf am häufigsten eingesetzten Phthalate sind:
1. DIDP (Diisodecylphthalat)
2. DINP (Diisononylphthalat)
3. DEHP (Diethylhexylphthalat)
4. DBP (Dibutylphthalat)
5. BBP (Benzylbutylphthalat).
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Wie wirken die Phthalate?
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Phthalate bilden eine große Gruppe chemischer Verbindungen, die toxikologisch unterschiedlich wirken. Es gibt mehr oder wenig kritisch bewertete Vertreter.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) stufen die Phthalate DEHP, DBP und BBP als fortpflanzungsgefährdend ein (siehe Phthalate-Report des Umweltbundesamts). Sie senken bei Männern unter anderem den Testosteronspiegel und die Zahl der Spermien.
Einige Phthalate können auch das Kind im Mutterleib schädigen.
Menschen nehmen Weichmacher vor allem über die Luft und die Nahrung auf. Fast bei jedem sind Phthalate oder ihre Abbauprodukte (Metabolite) im Blut und/oder im Urin nachweisbar.
Da die Phthalate als Weichmacher nicht chemisch an den Kunststoff PVC gebunden sind, können sie bei Kontakt mit dem Körper durch das Fett in der Haut, durch Schweiß oder durch Speichel gelöst werden und so in den Körper gelangen, zum Beispiel, wenn ein Kind ein Spielzeug in den Mund nimmt. Darüber hinaus ist auch die indirekte Aufnahme über Stoffe möglich, die mit entsprechenden Kunststoffen Kontakt hatten (zum Beispiel Speiseöle). Ferner gasen Phthalate aus weichgemachten Kunststoffen aus und belasten so die Innenraumluft – besonders relevant bei großflächigen Produkten wie Kunststofftapeten oder Bodenbelägen.
Wie viele Phthalate aus einem Produkt über die Haut aufgenommen werden, lässt sich nicht einfach ermitteln und hängt von mehreren Faktoren ab: Phthalat-Gehalt, Kontaktzeit, Vorhandensein von Lösungsvermittlern (Schweiß, Fette, Öle, Hautcremes) und Zusammensetzung des Kunststoffes.
Die chemische Industrie ersetzt seit einigen Jahren fortpflanzungsgefährdende Phthalate vor allem durch DIDP und DINP, die nicht als gefährliche Stoffe eingestuft sind. Sie weisen eine ähnliche chemische Struktur auf wie die als schädlich eingestuften Stoffe. Babyartikel und Kinderspielzeug, das in den Mund genommen werden kann, darf aber keine Phthalate enthalten, auch nicht die Ersatz-Weichmacher DIDP oder DINP. Auch deren Verwendung hat die EU-Kommission untersagt.
Nicht nur der Mensch, auch die Umwelt wird durch langlebige Phthalate belastet. DEHP ist als potentiell gefährdend erkannt und seit 2007 für Materialien verboten, die mit Speiseöl in Kontakt kommen. Die recht ähnlichen DINP und DIDP stehen in Verdacht, sich in hohem Maße in Organismen anzureichern und in Boden und Sedimenten langlebig zu sein.
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Wo kommen Phthalate vor?
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Phthalate finden sich in Regenkleidung, Schwimmreifen, Planschbecken, Fußbodenbelägen, Kabelummantelungen, Strukturtapeten, Einweghandschuhen aus Vinyl sowie in Rohren, Griffmaterialien, Kunstleder, Verpackungsmaterial und Dichtungsstoffen. Außerdem in Nagellacken, Klebstoffen und Lacken, aber auch in Medizinprodukten wie Infusionsschläuchen und Blutbeuteln. Bei Kinderspielzeug sind Phthalate ebenfalls ein Problem: Inspektoren der europäischen Chemikalienbehörde ECHA stellten bei Proben in 27 europäischen Ländern fest, dass in jedem fünften Spielzeug der zugelassene Phthalat-Wert überschritten war.
Der Phthalatanteil der obengenannten Produkte liegt häufig im zweistelligen Prozentbereich und kann bis zu 80 Prozent betragen (je weicher, desto mehr).
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Welche Lebensmittel können Phthalate enthalten?
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Phthalate finden sich vor allem in fetthaltigen Lebensmitteln: Zum Beispiel in Speiseölen, Pesto, Saucen, dem Öl von eingelegtem Fisch oder Gemüse. Das Öl in diesen Lebensmitteln löst die Stoffe zum Beispiel aus Verpackungsmaterialien, Behältnissen, Deckeldichtungen, Transportbändern und – etwa bei Speiseölen – direkt aus ungeeigneten Abfüllschläuchen.
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Ist die Stiftung Warentest in ihren Lebensmitteltests auf Phthalate gestoßen?
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Im jüngsten Test von Olivenölen (test 2/2018) fanden wir keine Weichmacher. In der vorhergehenden Untersuchung (test 2/2017) war ein Öl hoch mit dem Weichmacher DEHP belastet gewesen. Dieser kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und Ungeborene im Mutterleib schädigen. 2016 hatten die Prüfer der Stiftung Warentest noch fünf Olivenöle mit DEHP gefunden.
Tipp: Wenn Sie den aktuellen Test von Olivenölen freischalten, erhalten Sie auch Zugriff auf die beiden Vorgängeruntersuchungen.Bei einem Test von Gourmet-Ölen (Argan-, Walnuss-, Leinöl sowie Traubenkern- und Sesamöle, test 9/2015) fanden wir DEHP in acht Ölen; zusätzlich stießen wir in einem der betroffenen Öle auf den Weichmacher DINP, der im Tierversuch lebertoxisch wirkt.
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Gibt es auch bei Kosmetika Probleme mit Weichmachern?
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In unserem letzten Test von Köperölen (test 3/2015) stießen wir auf ein Produkt, das gering mit dem Weichmacher DEHP verunreinigt war. Der Anbieter veranlasste nach Bekanntwerden der Funde einen Verkaufsstopp und erklärte, die Verunreinigungen seien auf PVC-Schläuche und Dichtungen der Produktionsmaschinen zurückzuführen gewesen.
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Hat die Stiftung Warentest auch in Alltagsgegenständen Phthalate gefunden?
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Ferngläser. Im Fernglas-Test (test 8/2019) waren vier Ferngläser sehr hoch belastet: Ihre Phthalat-Konzentration übersteigt den künftigen EU-Grenzwert. Drei weitere Geräte sind stark belastet.
Gummiprodukte. Bei einem Test von Alltagsgegenständen (test 6/2017) enthielten diverse Produkte Phthalate, vor allem Billigartikel wie ein plastikummanteltes Fahrradschloss, einige Werkzeuge mit weichen gummierten Griffen sowie schwarze Gummistiefel. Die Probleme treten nur bei synthetischem Gummi auf, nicht bei Naturkautschuk.
Wearables. Im Rahmen der Untersuchung von Fitnessarmbändern (test 1/2016) wiesen unsere Prüfer bei zwei Produkten erhöhte Mengen des problematischen Weichmachers DEHP nach.
Buntstifte. Die österreichischen Testkollegen von Konsument spürten im Jahr 2017 in fünf von 20 getesteten Produkten schädliche Weichmacher auf (Buntstifte im Test: Schön bunt, aber oft belastet). Allerdings fand die Stiftung Warentest im Jahr 2018 beim Test von Buntstiften, Filzern und Tinten keine Phthalate (dafür in etlichen Produkten diverse andere Schadstoffe).
Kinderwagen. Auch Kinderwagenhersteller nutzen vereinzelt die kritischen Weichmacher, wie der Kinderwagen-Test aus dem Jahr 2017 zeigt. Im Schiebegriff des Bergsteiger Capri fanden sich deutliche Mengen der Weichmacher DEHP und DINP, im Kindergriff deutliche Mengen DINP.
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Welche Kriterien gelten für die Schadstoffuntersuchungen der Stiftung Warentest?
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Wie die Stiftung Warentest Schadstoffe testet, erläutern wir detailliert in unserem Special Acrylamid bis Zinnorganyle – so prüft die Stiftung Warentest.
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Was kann ich gegen eine Belastung mit Phthalaten tun?
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Wenn möglich auf PVC-haltige Produkte verzichten. Wählen Sie PVC-freie Bodenbeläge oder verlegen Sie gleich Fliesen oder Holz. Wenn Sie schon PVC-Auslegeware haben: Reinigen Sie Böden und Teppiche regelmäßig, um die Aufnahme der Chemikalie über den Hausstaub zu verringern.
Eines der am häufigsten verwendeten Phthalate war lange Zeit DEHP. Hauptaufnahmequelle sind Lebensmittel. Kleinkinder nehmen DEHP zusätzlich auch über Hausstaub auf und über Dinge, die sie in den Mund stecken. Die Aufnahme des Weichmachers DEHP lässt sich im Alltag durch einfache Ernährungs- und Hygieneregeln reduzieren. Wer sich abwechslungsreich ernährt, Speisen frisch zubereitet, wenig Fertigprodukte zu sich nimmt und die Marke öfter wechselt (gleiche Produkte können je nach Hersteller unterschiedliche Mengen an DEHP enthalten) nimmt nachweislich weniger DEHP auf. Eltern können ihre Kinder schützen, indem sie darauf achten, dass diese nur Sachen in den Mund stecken, die dafür gedacht sind.
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Kann ich als Verbraucher erkennen, ob ein Produkt Phthalate enthält?
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Direkt sind die Weichmacher nicht erkennbar: Sie sind in aller Regel geruch- und geschmacklos. Wenn Sie allerdings ein weiches oder biegsames Produkt aus PVC besitzen, können sie davon ausgehen, dass es Phthalate enthält. Der Recycling-Code für PVC enthält eine „3“ und die Buchstabenfolge „PVC“.
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Was kann ich tun, wenn ich ein belastetes Produkt besitze?
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Bisher bestimmen EU-Richtlinien nur für einige wenige Produktgruppen einen Maximalgehalt an Phthalaten. Elektro- und Elektronikgeräte dürfen zum Beispiel maximal zu 0,1 Prozent aus den Phthalaten DEHP oder DIBP (Diisobutylphthalat) bestehen. Da Konsumenten im Allgemeinen keine Untersuchungsergebnisse von Testorganisationen zur Verfügung haben, können sie die Überschreitung von Grenzwerten nicht nachweisen und haben somit kein Recht auf Umtausch wegen Produktmängeln. Ihnen bleibt zunächst nur, auf die Kulanz des Händlers zu hoffen.
Verbraucher können aber Hersteller oder Händler fragen, ob ein Erzeugnis besorgniserregende Stoffe enthält. Dafür hat das Umweltbundesamt eine App herausgebracht namens Scan4Chem. Hersteller oder Händler müssen innerhalb von 45 Tagen antworten (siehe auch reach-info.de/auskunftsrecht).
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- Den Koffertest der Stiftung Warentest überstehen nur wenige Modelle ohne Dellen. Im Test: Sieben Hartschalen- und sieben Weichschalen-Koffer sowie vier Rollreisetaschen.
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Kommentarliste
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Vielen Dank für die Tests, Transparenz und Druck auf die Unternehmen scheint hier besonders wichtig zu sein!
Vielleicht ist es besonder interessant, Produkte, die versprechen frei von Weichmachern zu sein zu testen um herauszufinden, wie gut man sich auf diese Deklaration verlassen kann.