
Mit ETF auf Gesundheits- und Biotech-Indizes können Anleger auf Zukunftsbranchen setzen. Wir zeigen Chancen und Risiken.
Die schnelle Entwicklung von Corona-Impfstoffen brachte Pharmakonzernen viel Aufmerksamkeit. Sollten Anlegerinnen und Anleger gezielt in diese Branche investieren? Finanztest hat die wichtigsten Gesundheitsindizes unter die Lupe genommen und sagt, für wen sich börsengehandelte Fonds (ETF) auf diese Indizes eignen.
Finanztest ETF-Check
Das empfiehlt Finanztest
Mit ETF können Anleger günstig eigene Strategien umsetzen. In einer neuen Serie stellt Finanztest regelmäßig interessante Indizes vor, die infrage kommen. In dieser Reihe bisher erschienen:
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ETF. Exchange Traded Funds, auf Deutsch: börsengehandelte Fonds, bieten die einfache Möglichkeit, in Aktien-, Renten- oder Rohstoffmärkte zu investieren (Gut investieren – auch mit wenig Geld). Durch die Wahl eines passenden Indexes sind sehr gezielte Anlagen möglich.
Als Basisanlage reicht ein ETF für den breiten globalen Aktienmarkt. Finanztest empfiehlt zum Beispiel die Indizes MSCI World (nur Industrieländer) und MSCI All Country World (Industrie- und Schwellenländer).
Viele Anlegerinnen und Anleger suchen aber nach einer interessanten Ergänzung, mit der sie auch eigene Ideen umsetzen können. Das können zum Beispiel Branchen-, Themen- oder Strategie-ETF sein, die wir in dieser Serie vorstellen. Wenn Anleger mindestens 70 Prozent ihrer Aktien-ETF in marktbreite Indizes stecken, können sie mit dem Rest etwas mehr riskieren.
Pharmaaktien: Mehr als nur Biontech
Die Biotechnologiefirmen Biontech und Moderna waren bis vor einem Jahr allenfalls Spezialisten und passionierten Aktienfans ein Begriff. Nun kennt sie zumindest jeder regelmäßige Nachrichtenkonsument, denn diese Unternehmen stehen für Corona-Impfstoffe.
Corona-Impfstoffe im Fokus
Normalerweise dauert es mehrere Jahre, bis ein neu entwickeltes Medikament alle gesetzlich vorgeschriebenen Testphasen durchlaufen hat, in diesem Fall nicht einmal zwölf Monate. Das hat nicht nur Politiker in aller Welt, sondern auch Anleger schwer beeindruckt.
Teure Medikamentenentwicklung
So gut wie in diesem Fall steht die Pharmabranche selten da. Risiken und Nebenwirkungen gibt es nicht nur für die Nutzer von Medikamenten, sondern auch für deren Anbieter.
In die Entwicklung neuer Präparate fließen hohe Millionenbeträge, ohne dass vorher klar ist, ob sich die Investitionen später bezahlt machen. Immer wieder scheitern hoffnungsvolle Ansätze, manchmal erst im letzten Teststadium. Das kann selbst etablierte Großkonzerne empfindlich treffen.
Nur wenige Präparate schaffen es bis in die Apotheken
Eine von Unternehmen der Pharmabranche durchgeführte Studie ergab, dass zum Beispiel nur etwa jeder zwanzigste Entwicklungsansatz für ein Krebsmittel letztlich zu einem marktreifen Produkt führt. Bezogen auf alle Medikamentenbereiche scheitern mehr als 40 Prozent der Ansätze noch in der späten Entwicklungsphase 3. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits viel Geld geflossen, das die Unternehmen abschreiben müssen.
Umso wichtiger sind die Einnahmen aus dem Verkauf der wenigen Präparate, die es letztlich bis in die Apotheken schaffen. Vor allem sogenannte Blockbuster, Medikamente mit weltweiten Milliardenumsätzen, sichern den Konzernen ihre Marktstellung.
Prozesse als Damoklesschwert
Risiken gibt es aber auch nach einer erfolgreichen Zulassung. Denn gelegentlich zeigen sich erst danach schwere Nebenwirkungen, die Menschen gesundheitlich stark schädigen. Schadenersatzklagen können die Unternehmen belasten und im Extremfall an den Rand des Ruins bringen.
Beispiel Bayer. Der deutsche Bayer-Konzern musste für die Beilegung des Rechtsstreits um sein Medikament Lipobay etwa 1,2 Milliarden US-Dollar zahlen. Bayer hatte das Mittel zur Senkung des Cholesterinspiegels 2001 wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt nehmen müssen.
Beispiel Wyeth. Eine ganz andere Größenordnung erreichte der Schaden beim US-Konzern Wyeth, den eine Klagewelle nach Nebenwirkungen durch zwei Schlankheitsmittel rund 22 Milliarden US-Dollar kostete. Beide Unternehmen steckten diese Tiefschläge letztlich weg, aber die Folgen für die Aktienkurse waren verheerend.
Die jüngsten juristischen Probleme von Bayer hatten nichts mit Medikamenten zu tun, sondern mit dem Unkrautvernichter Glyphosat aus seiner Agrarsparte.
Streuung ist das richtige Rezept
Mit börsengehandelten Indexfonds, ETF, können Anleger die Risiken eines Pharmainvestments nicht ausschalten, aber deutlich reduzieren. Das Rezept heißt Streuung. Wenn einzelne Aktien kein allzu großes Gewicht im Index haben, lässt sich auch mal ein Absturz verschmerzen.
Wir stellen wir drei Indizes (MSCI World Health Care, Stoxx Europe 600 Health Care, Nasdaq Biotechnology) vor, mit denen Anleger auf die Gesundheits- und Biotechnologiebranche setzen können. Zwar spielen Arzneimittel dabei die wichtigste Rolle, aber es sind auch viele Unternehmen aus anderen Geschäftsfeldern wie Medizintechnik und Diagnostik dabei.
Für jeden der Indizes gibt es mehrere ETF, die das Finanztest-Siegel „1. Wahl“ tragen (Informationen zur Fondsbewertung). Das heißt, sie eignen sich gut für eine Anlage in den entsprechenden Markt.
Pharma-Aktien sind etwas für defensiv orientierte Anleger
Die Pharmabranche gilt grundsätzlich als eher defensive Aktienanlage – etwa im Vergleich zu Finanz- oder Automobilaktien. Das Geschäft mit der Gesundheit läuft eben auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, zyklische Einbrüche sind, wenn überhaupt, schwächer als bei anderen Waren und Dienstleistungen. Außerdem sind unter den größten Pharmakonzernen viele gute Dividendenzahler. Das gibt dem Sektor zusätzliche Stabilität.
Der Index MSCI World Health Care steht in der Risikoklasse 7 und hat damit ein ähnliches Risiko wie der breit streuende MSCI World. Der europäische Gesundheitsindex Stoxx Europe 600 Health Care ist ähnlich riskant wie eine Anlage in den breiten europäischen Aktienmarkt.
Anders ist das beim Index Nasdaq Biotechnology, der in der Risikoklasse 11 eingruppiert ist. Die Aktien aus diesem Sektor haben im Durchschnitt deutlich höhere Wertschwankungen als der breite Aktienmarkt.
US-Unternehmen dominieren
Wie im MSCI World sind im Index MSCI World Health Care US-amerikanische Unternehmen das Maß aller Dinge. Acht der zehn größten Aktien stammen aus den Vereinigten Staaten. An der Spitze steht mit Johnson & Johnson allerdings ein eher untypischer Konzern, der einen großen Teil seiner Umsätze nicht mit Medikamenten, sondern mit Drogerie- und Hygieneartikeln erzielt. In Deutschland gehören etwa Penaten-Creme, o.b.-Tampons und Listerine-Mundspülung zu seinen bekanntesten Produkten.
Deutschland spielt nur eine Nebenrolle
Das zweitwichtigste Land ist ausgerechnet die kleine Schweiz, in der mit Roche und Novartis zwei Top-Unternehmen ihren Sitz haben. Deutschland spielt trotz des jüngsten Forschungserfolgs von Biontech im globalen Maßstab nur eine Nebenrolle.
Das letzte große einheimische Unternehmen neben Bayer, die Frankfurter Hoechst, war bereits im Jahr 1999 in dem deutsch-französischen Konzern Aventis aufgegangen, der nach einer weiteren Übernahme inzwischen zur französischen Sanofi gehört.
Europaindex als Alternative
Im europäischen Index Stoxx Europe 600 Health Care ist die Schweiz die klare Nummer eins, Deutschland ist zumindest mit mehr als 10 Prozent vertreten. Neben den Dax-Unternehmen Bayer und Merck sind ein paar mittelgroße deutsche Firmen wie Sartorius, Morphosys und Evotec dabei.
Für Anleger, denen eine europaweite Streuung reicht, ist der Index eine akzeptable Alternative zum MSCI World Health Care. Das gilt auch für den MSCI Europe Health Care, der mit seiner Zusammensetzung dem Stoxx Europe 600 Health Care sehr ähnelt.
Biotech-Index mit großen und kleinen Unternehmen
Aber was ist mit Biontech? Diese Aktie kommt in europäischen Indizes nicht vor, sondern ist im Nasdaq Biotechnology gelistet. In den USA finden deutsche Börsenneulinge günstigere Bedingungen vor als im eigenen Land. Für Anleger, die auf neue Gesundheitstechnologien setzen wollen und dafür auch mal heftige Kursschwankungen in Kauf nehmen, ist der weltweit führende Biotechnologieindex eine gute Option.
Die größten Biotech-Unternehmen wie Amgen oder Gilead haben zumindest beim Börsenwert zu den klassischen Pharmakonzernen aufgeschlossen. Allerdings gibt es im Biotech-Index auch viele „kleinere“ Unternehmen wie eben Biontech. Deren Aktienkurse schwanken meist noch stärker als die der etablierten Unternehmen.
Investition in Einzeltitel ist Glücksspiel
Viele Anleger haben die Hoffnung nicht aufgegeben, mit Einzelaktien ihren Einsatz zu vervielfachen. Realistisch ist das nur, wenn man Hellseher ist oder viel Glück hat.
Als zum Beispiel die Erfolgsstory von Biontech einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, war die große Kursrallye bereits gelaufen. Anleger mussten sich in der Branche sehr gut auskennen, um zu einem frühen Zeitpunkt auf diese Aktie zu stoßen.
Gerade aus dem Biotechnologiesektor gibt es viele Beispiele, in denen Wetten auf vermeintliche Hoffnungsträger völlig schief gegangen sind. So hat die Berliner Firma Mologen im Dezember 2019 einen Insolvenzantrag gestellt. Die Aktie, über viele Jahre ein Dauergeheimtipp in Anlegerforen, dümpelt als Pennystock nahe am Totalverlust. Bei einem ETF auf den Nasdaq Biotechnology – er bündelt immerhin rund 280 Unternehmen – ist so etwas nicht zu befürchten.
Trotz Corona keine Kursrallye
Obwohl Pharmakonzerne in Corona-Zeiten im Fokus stehen, entwickelten sich ihre Aktienkurse längst nicht so gut, wie man vermuten könnte. Kein Vergleich mit der Kursrallye bei Apple, Amazon, Microsoft und Co. Auch auf Fünfjahressicht haben die Aktien aus der Gesundheitsbranche einen erheblichen Rückstand zum breiten Aktienmarkt (siehe Grafik).
Auf lange Sicht ergibt sich ein ganz anderes Bild. Unsere Daten für den MSCI World Health Care reichen bis zur Jahrtausendwende zurück. In den 21 Jahren brachte der Index Anlegern in Deutschland im Durchschnitt 7,3 Prozent pro Jahr, während sie sich beim MSCI World mit 4,6 Prozent begnügen mussten. Die Gesundheitsaktien hatten dabei sogar geringere Wertschwankungen.
Beimischung von Gesundheits-ETF sinnvoll
Ob Pharma seinem Ruf als Zukunftsbranche gerecht wird, ist nicht sicher. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ist eine Beimischung von Gesundheits-ETF aber keineswegs unvernünftig.
Tipp: Detaillierte Informationen zu Pharma-ETF sowie zu vielen anderen Branchenfonds bietet unser großer Fondsvergleich (mit Flatrate kostenlos). Bewertungen und Daten zu mehr als 1 000 ETF enthält das Finanztest-Spezial Anlegen mit ETF, das für 12,90 Euro im Zeitschriftenhandel oder im test.de-Shop erhältlich ist.
Health Care: Kein Corona-Boom bei Gesundheitsaktien
Die Gesundheitsbranche lief in den vergangenen fünf Jahren deutlich schlechter als der breite Aktienmarkt. Während der MSCI World im Durchschnitt um 10,2 Prozent pro Jahr zulegte, waren es beim MSCI World Health Care (HC) nur 7,8 Prozent.
MSCI World Health Care: Die größten Pharmafirmen der Welt

ETF-Anbieter (Isin; Kosten pro Jahr)
- iShares (IE 00B J5J NZ0 6; 0,25 %)
- Lyxor (LU 053 303 323 8; 0,3 %)1)
- SPDR (IE 00B YTR RB9 4; 0,3 %)
- Xtrackers (IE 00B M67 HK7 7; 0,25 %)
Aktienanzahl: Zirka 160
Top-10-Werte (Indexanteil 35,2 Prozent)
- Johnson & Johnson (6,2)
- United Health Group (5,0)
- Roche (3,7)
- Novartis (3,2)
- Merck & Co (3,1)
- Pfizer (3,1)
- Abbott Laboratories (2,9)
- AbbVie (2,8)
- Thermo Fisher (2,8)
- Medtronic (2,4)
Finanztest-Kommentar
Der Index bietet einen guten Querschnitt durch die globale Gesundheitsbranche, allerdings ohne Schwellenländer zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt des Indexes liegt auf Konzernen, die Medikamente entwickeln und vertreiben. Es sind aber auch viele Unternehmen aus anderen Geschäftsfeldern vertreten, zum Beispiel United Health, Anbieter von Krankenversicherungen, die Firma Medtronic, weltgrößter Hersteller von Herzschrittmachern, und Thermo Fisher, ein global führendes Unternehmen für Labortechnik.
Geeignet für: Anleger, die ihr Wertpapierdepot um eine breite Anlage in die Gesundheitsbranche erweitern wollen.
Stoxx Europe 600 Health Care: Auf europäische Unternehmen setzen

ETF-Anbieter (Isin; Kosten pro Jahr)
- iShares (DE 000 A0Q 4R3 6; 0,46 %)
- Lyxor (LU 183 498 690 0; 0,3 %)*
- Xtrackers (LU 029 210 322 2; 0,3 %)*
Aktienanzahl: Zirka 60
Top-10-Werte (Indexanteil 72,6 Prozent)
- Roche (15,8)
- Novartis (15,0)
- Astrazeneca (8,4)
- Novo Nordisk (7,6)
- Sanofi (7,0)
- GlaxoSmithKline (5,9)
- Bayer (3,7)
- Philips (3,1)
- Lonza (3,1)
- Essilor (3,0)
Finanztest-Kommentar
Der Index bündelt die wichtigsten europäischen Gesundheitskonzerne. Neben Medikamentenherstellern sind Firmen aus anderen Sparten dabei, etwa der französische Brillenhersteller Essilor, der dänische Spezialist für medizinische Hygieneartikel Coloplast oder die Diagnostikunternehmen Eurofins und Qiagen.
Eine gleichwertige Alternative zum Stoxx-Index ist der ähnlich zusammengesetzte MSCI Europe Health Care. Dafür gibt es ETF von Amundi (Isin: FR 001 068 819 2; Kosten: 0,25 %)* und von SPDR (IE 00B KWQ 0H2 3; 0,3 %).
Geeignet für: Anleger, die sich an der europäischen Gesundheitsbranche beteiligen wollen.
Nasdaq Biotechnology: Riskante Wette auf Innovationen

ETF-Anbieter (Isin; Kosten pro Jahr)
Aktienanzahl: Zirka 280
Top-10-Werte (Indexanteil 42,6 Prozent)
- Amgen (8,0)
- Gilead (6,2)
- Vertex (5,2)
- Illumina (4,5)
- Regeneron (4,3)
- Moderna (3,5)
- Biogen (3,2)
- Alexion (2,9)
- Seagen (2,7)
- Astrazeneca (2,1)
* Swap-ETF, bildet Index synthetisch nach. Quelle: Indexanbieter, ETF-Anbieter, Stand: 31. Dezember 2020
Finanztest-Kommentar
Der Index enthält zwar viele Aktien, ist mit seinem extrem hohen US-Anteil aber sehr fokussiert. Anleger müssen mit deutlich höheren Wertschwankungen rechnen als bei herkömmlichen Gesundheitsindizes. Biotech-Unternehmen sind oft von nur wenigen Produkten oder Lizenzen abhängig und haben erhebliche Geschäftsrisiken. Allerdings können Anleger auf die Entwicklung sogenannter „Blockbuster“ mit Milliardenumsätzen hoffen.
Geeignet für: Risikobereite Anleger, die gezielt in einen innovativen Ausschnitt der Gesundheitsbranche investieren wollen.
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