
Im Pflegefall gut abgesichert sein und den Kindern nicht zur Last fallen – das wollen viele Versicherte, die eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen haben. Denn die gesetzlichen Leistungen reichen oft nicht aus, um alle Kosten zu decken. Doch nun werden viele Pflegetagegeldversicherungen teurer – eine Folge der Pflegereform. Kunden sollten nicht vorschnell kündigen.
Beitragserhöhung – das sind die Gründe
Zunächst einmal: Der Hauptgrund für die höheren Beiträge ist, dass die privaten Versicherer nun mit dem neuen Pflegegrad 1 früher eine Leistung auszahlen und auch eher höhere Leistungen. Mehr Menschen können also jetzt Geld bekommen. Die Versicherer folgen damit der Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung (Alle Details zur Reform im großen Special Pflegereform). Zum 1. Januar 2017 wurden die gesetzlichen Pflegeleistungen von Pflegestufen auf Pflegegrade umgestellt (Pflegestärkungsgesetz II). Vor allem Demenzkranke erhalten mehr Leistungen. Der Beitrag für die gesetzliche Pflegeversicherung wurde deshalb um 0,2 Prozentpunkte angehoben.
Leistungen auch im neuen Pflegegrad 1
Die privaten Versicherer machen die Leistungsausweitung der gesetzlichen Seite nach unseren bisherigen Erkenntnissen mit – allerdings in unterschiedlichem Maß. Vor allem deshalb steigen nun auch die Beiträge für die Zusatzversicherungen. Für unser Dezember-Heft (Special Pflege, Finanztest 12/2016, „Wie die Versicherer laufende Verträge anpassen“) haben wir die Anbieter der in der letzten Untersuchung 2015 am besten bewerteten Pflegetagegeldtarife gefragt, wie sie die Reform umsetzen: Alle gaben an, in allen fünf Pflegegraden und damit auch im völlig neuen Pflegegrad 1 zu leisten und die Versicherungsbeiträge moderat anzuheben.
Leser berichten von Beitragserhöhungen
Die Tarife, zu denen wir die Anbieter befragten, stellen eine kleine Auswahl an Tagegeld-Policen dar. Deshalb baten wir unsere Leser, uns aus der Praxis zu berichten. In den Zuschriften, die uns zugingen, erfuhren wir von Beitragserhöhungen in knapp 160 Verträgen, fast immer Pflegetagegeldversicherungen. Pflegetagegeld-Policen sind eine von drei Pflegezusatzvarianten, und zwar die meistverkaufte. Der Versicherer zahlt je nach Pflegestufe, jetzt Pflegegrad, ein vereinbartes Tagegeld aus. Eine Alternative dazu ist die Pflegekostenversicherung, bei der Versicherer meist nachgewiesene Pflegekosten bis zu einer Obergrenze ersetzen. Dann gibt es noch die Pflegerentenversicherung. Kunden erhalten hier je nach Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit eine unterschiedlich hohe Rente.
Erhöhungen von 30 bis 40 Prozent
Die Leser, die uns schrieben, erhielten teilweise sehr deutliche Erhöhungen. Im Schnitt beliefen sie sich auf 30 bis 40 Prozent. Für einzelne Kunden verdoppelt sich der Beitrag sogar. Die meisten dieser Leser haben einen Vertrag bei der DKV, der Huk-Coburg oder der HanseMerkur. Auffällig: Der Anstieg fällt bei Kunden, deren Vertrag schon vor einigen Jahren begann, viel stärker aus als bei Kunden, die erst in jüngerer Zeit eine Pflegetagegeldversicherung abschlossen. Bei den Versicherungen mit starken Preiserhöhungen handelt es sich häufig um Tarife, die bisher nur in den Pflegestufen I bis III geleistet haben, nicht in Stufe 0. Außerdem sind es sogenannte Bisex-Tarife. Sie unterscheiden noch nach Männer- und Frauen-Tarifen. Seit Ende 2012 werden diese Policen nicht mehr angeboten.
Unterschiedliche hohe Beiträge nach Geschlecht
So schrieb uns ein Leser, der 2006 für seine Frau und sich je eine Pflegetagegeldversicherung bei der DKV abgeschlossen hatte, dass er sich doch sehr wundere: Sein Beitrag steige um 10 Prozent, der seiner Frau um 30 Prozent. Klar: De Pflegekosten sind für Frauen meist höher, weil sie im Schnitt häufiger über einen längeren Zeitraum hinweg gepflegt werden müssen als Männer. Hier wird das jetzt noch eingerechnet, bei den neueren Unisex-Tarifen darf das keine Rolle mehr spielen.
Beiträge für Männer steigen weniger
Für Männer fallen die Beitragssteigerungen bei diesen älteren Tarifen geringer aus. Ein heute 65-jähriger Leser, der ebenfalls 2006 bei der DKV einen Tarif abschloss (mit 60 Euro Tagegeld in der bislang höchsten Pflegestufe III), zahlte zuletzt 53 Euro. Ab 2017 sind es 57 Euro. Der Beitrag seiner Frau, ein Jahr älter, belief sich vorher für einen entsprechenden Schutz dort auf 74 Euro. Jetzt sind es 93 Euro, über 25 Prozent mehr. Würden beide kündigen und neu abschließen, müssten sie, elf Jahre älter, viel mehr zahlen. Bei ihrem Versicherer DKV zum Beispiel zahlt ein 65-jähriger Neukunde in einem leistungsmäßig vergleichbaren Tarif laut DKV-Rechner im Internet heute rund 130 Euro im Monat (60 Euro Tagegeld im höchsten Pflegegrad 5). Für Bestandskunden lohnt sich allenfalls ein Tarifwechsel (siehe Unser Rat). Wir haben die DKV, die Huk-Coburg und die HanseMerkur zu den Beitragssteigerungen befragt. Alle nannten die Pflegereform als Hauptgrund. Zusätzlich gaben sie eine Absenkung des Rechnungszinses und die gestiegene Lebenserwartung an. Das deckt sich mit den Aussagen der Deutschen Aktuarvereinigung (siehe Interview).
Schutz ab dem ersten Tag
Kunden sind in einem Dilemma: Kündigen sie ihre Versicherung, weil sie die höheren Beiträge nicht mehr aufbringen können, haben sie jahrelang umsonst eingezahlt. Die Beiträge sind weg, sie bekommen von ihrem Geld nichts zurück. Im Pflegefall hätten sie gleichzeitig eine finanzielle Lücke, sofern sie nicht auf anderes Vermögen zurückgreifen können. Von „einem gerissenen Deal“ spricht Abonnent Heinz Müller und ärgert sich: „Hätte ich damals statt der Versicherung 30 Euro im Monat bei der Bank angelegt, könnte ich über dieses Geld jederzeit verfügen.“ Da hat unser Leser recht. Was er nicht bedenkt: Eine Versicherung, die ab dem ersten Tag für ein Risiko leisten würde, funktioniert nur, weil mancher eine große Leistung benötigt, mancher keine oder nur eine kleine. Heinz Müller hätte sofort nach Vertragsschluss Geld, auch viel Geld bekommen, wäre er unmittelbar pflegebedürftig geworden. Er ist es aber auch heute nicht und wird es hoffentlich niemals sein. Wenn doch, erhält er zusätzlich zu den Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung Geld aus seiner privaten Zusatzversicherung. Wir raten ihm, den Vertrag nicht zu kündigen.
83 Prozent mehr für die Tochter
Unter den Leserzuschriften waren auch mehrere Eltern, die eine Pflegeversicherung für ihre Kinder abgeschlossen haben. Ein Leser berichtete uns empört, er kündige nun den Vertrag für seine Tochter, nachdem der Beitrag um 83 Prozent von 3,63 Euro auf 6,65 Euro steigen soll. „Und das, obwohl das Pflegefallrisiko bei Kindern gegen null tendiert!“ Das stimmt, doch sollte ein Kind dennoch krankheits- oder unfallbedingt pflegebedürftig werden, würde diese Versicherung unbegrenzt zahlen. Außerdem sind auch diese Policen langfristig kalkuliert. Sie beziehen das künftige Pflegefallrisiko also ein.
Treuhänder prüfen Beitragserhöhung
Versicherungsunternehmen können ihre Beiträge nicht willkürlich erhöhen. Laut Gesetz muss ein vom Versicherungsunternehmen unabhängiger Treuhänder die Berechnungsgrundlagen überprüfen und der Beitragsanpassung zustimmen. Geregelt ist die Anpassung der Prämien und Bedingungen in Paragraf 203 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Das Sonderanpassungsrecht in Paragraf 143 des Sozialgesetzbuchs (SGB) XI legt zudem fest, dass private Versicherer ihre Beiträge erhöhen können, wenn die Leistungen an die neuen Pflegegrade angepasst werden.
Beiträge steigen auch in Zukunft
Versicherte werden sich auch auf lange Sicht auf steigende Beiträge einstellen müssen. In der alternden Gesellschaft kann sich das Pflegerisiko erhöhen. Gleichzeitig ist es bei den Pflegetagegeldpolicen auch sinnvoll, dass das vereinbarte Tagegeld sich regelmäßig erhöht. Inflation und steigende Kosten für das Pflegepersonal etwa durch steigende Löhne machen sich über die Jahrzehnte bemerkbar. Ändern wird sich auch nicht, dass es zwischen den Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Pflegekosten meist eine finanzielle Lücke gibt.
Entscheidung richtig treffen
Eine gute Zusatzversicherung kann diese Lücke füllen. Dafür müssen Kunden die Beiträge, auch die steigenden, dauerhaft aufbringen können. Das sollte jeder bedenken, der eine solche Versicherung abschließt. Wer sich aber dazu entschlossen hat, weil er im Pflegefall nicht auf anderes Vermögen zurückgreifen kann oder will, sollte dann möglichst auch dabei bleiben.