Rund um die Uhr den Liebsten zu versorgen, ist schwer. Tages- und Nachtpflege können entlasten. Seit Jahresanfang bezahlen die Kassen mehr.
Schleichender Verlust der Selbstständigkeit
Anfangs waren es nur kleine Aufträge, die ihr Mann immer wieder vergaß – erinnert sich Helga Lange an den Beginn der Demenz ihres Mannes. „Ich schickte ihn zum Einkaufen und von vier Sachen brachte er eine richtig.“ Zehn Jahre ist das her. Inzwischen wurde bei Gerhard Lange eine Mischform der Demenz diagnostiziert. Er vergisst einfache Abläufe wie das Zähneputzen und verliert zunehmend seine Selbstständigkeit. Ohne seine Frau wäre der 70-Jährige hilflos.
Alternative zum Pflegeheim
Die Betreuung von Demenzkranken ist ein 24-Stunden-Job und kann pflegende Angehörige selbst krankmachen. Das Einzige, was dann oft bleibt, ist das Pflegeheim. Helga Lange hat einen anderen Weg gefunden. Sie bringt ihren Mann dreimal wöchentlich in eine Tagespflegeeinrichtung. Hier wird er von Pflegekräften unterstützt, möglichst lange selbstständig zu bleiben. Die 65-Jährige genießt die freien Stunden, die sie zum Beispiel im Sportstudio verbringt, um Kraft zu schöpfen: „Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Ich weiß ja, dass es ihm gutgeht.“
Mehr Geld für Pflege
Seit 2015 gibt es dank des Pflegestärkungsgesetzes mehr Geld für viele Pflegeleistungen, darunter auch für den Besuch einer Tages- oder Nachtpflegeeinrichtung. Demenzerkrankte mit Pflegestufe 0 profitieren in diesem Punkt besonders. Bisher waren sie davon ausgeschlossen, jetzt kann die Einrichtung bis zu 231 Euro im Monat bei der Pflegekasse abrechnen Tabelle: Leistungen für Pflege zuhause ab 2015.
Vor allem Wohlfahrtsverbände bieten Tages- und Nachtpflege an, aber auch Pflegeheime und Pflegedienste. Der strukturierte Tagesablauf gibt pflegebedürftigen Menschen Orientierung, unabhängig davon, ob sie dement sind oder nicht. Meist ist eine Tagespflege wochentags zwischen 8 und 16 Uhr geöffnet und es gibt Essens- und Ruhezeiten. Die Beschäftigungsangebote reichen vom therapeutisch-spielerischen Gedächtnis- und Bewegungstraining bis zu hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Kuchenbacken oder dem Anlegen eines Gartenbeetes. Menschen mit Demenz erinnern sich dadurch manchmal wieder, verloren geglaubte Fähigkeiten kehren zurück.
Pflegedienstleiterin Gisa Ebeling der Medikus Tagespflegeeinrichtung im brandenburgischen Teltow: „Das ist alles kein Muss, sondern immer ein Kann. Menschen reagieren je nach Temperament und Erkrankung unterschiedlich.“ Manche beteiligen sich gerne, andere beobachten lieber und sind einfach gern dabei.
Nachtpflege kaum nachgefragt
Die Mitarbeiter übernehmen bei Bedarf die Grundpflege, helfen etwa beim Essen. Auch die Behandlungspflege, zum Beispiel das Geben von Medikamenten oder das Wechseln von Verbänden wird durchgeführt, wenn der Arzt das verschrieben hat.
Während die Tagespflege tagsüber stattfindet, richtet sich die Nachtpflege an Menschen, die nachts wach sind. Angehörige können dann schlafen. Die Tagespflegeeinrichtung in Teltow bietet Nachtpflege zwischen 19 und 7 Uhr an. Sie wird jedoch selten nachgefragt. Pflegedienstleiterin Ebeling: „Tagsüber wird der pflegende Angehörige ja trotzdem vom Demenzerkrankten gebraucht. Das ist anstrengend.“
Zusätzliche Betreuung für alle
Auch Harry Kihl aus Kaiserslautern hatte für 2015 auf die neuen Leistungen der Tagespflege für Pflegestufe 0 gehofft. „Ein Tag pro Woche zusätzliche Betreuung für meine Schwiegermutter wäre das gewesen.“
Die 79-jährige Rentnerin hat seit 2013 Pflegestufe 0 wegen ihrer gemischten Demenz. Bis Ende 2014 hatte sie nur Anspruch auf „zusätzliche Betreuungsleistungen“. Unter diesem Posten kann man zum Beispiel Extraunterstützung abrechnen, etwa wenn ein Pflegedienst vorliest oder sich geschulte Helfer stundenweise um Demenzerkrankte kümmern. Die Kasse zahlt das Geld dem Dienst meist direkt aus. Manchmal legt der Pflegebedürftige es aber auch aus und die Kasse überweist es ihm gegen Vorlage der Quittung.
Seit 2015 bekommt jeder Pflegebedürftige – auch ohne Demenz – 104 Euro statt 100 Euro. Bei einer stark ausgeprägten Demenz gibt es 208 Euro statt 200 Euro.
Bis Ende 2014 konnte die Schwiegermutter von Harry Kihl damit zwei Betreuungstage pro Woche decken – einen Tag in der integrierten Tagespflege des AWO-Seniorenhauses in Kaiserslautern, einen in der Tagesstätte für Demenzpatienten. Kihl: „Wir markierten die Tage dick im Kalender. So freute sie sich schon vorher darauf.“
Kihls Hoffnung auf einen dritten Betreuungstag 2015 erfüllte sich nicht. Der Zustand seiner Schwiegermutter verschlechterte sich im Januar. Nach einem Klinikaufenthalt zog sie direkt ins AWO-Seniorenhaus. Die Entscheidung fiel ihr jedoch nicht schwer, denn durch den Besuch der Tagespflege war ihr das Haus vertraut.
Heimleiter Alwin Emmenecker: „Tagespflegegäste sind in den Heimalltag integriert und lernen Alltag und Atmosphäre kennen.“ Das macht es einfacher, auf den Einzelnen einzugehen.
Tagesgäste ohne oder mit einer leichten Demenz fühlen sich unter Bewohnern mit ähnlichen Symptomen wohler als in einer Wohngruppe mit stark fortgeschrittener Demenz. Pflegekräfte können so aggressives Verhalten und starken Bewegungsdrang besser abfedern.
Pflegekasse übernimmt Kosten
Nicht nur Versicherte mit Stufe 0 profitieren vom neuen Pflegegesetz. Auch in den übrigen Pflegestufen wurden die Beträge erhöht Tabelle: Leistungen für Pflege zuhause ab 2015.
Gerhard Lange aus Stahnsdorf hat Pflegestufe III und könnte 62 Euro mehr bekommen, würde er die 1 612 Euro gesetzliche Leistung für die Tagespflege voll ausschöpfen. Dafür hätte er die Möglichkeit, die Tagespflege in Teltow an fünf Wochentagen zu besuchen. Helga Lange: „Wir nutzen nicht alles. Auch wenn es manchmal schwierig ist, verbringe ich gern Zeit mit meinem Mann.“
Für die zwölf Tage im Monat, die der Rentner zur Tagespflege geht, rechnet die Einrichtung knapp 613 Euro bei seiner Kasse ab. Eine einheitliche Regelung, was eine Tages- oder Nachtpflegeeinrichtung kostet, gibt es nicht. Die Tagessätze variieren deutschlandweit und auch zwischen den Einrichtungen.
Im Tagessatz enthalten sind in jedem Fall Kosten für Pflege und Betreuung sowie Fahrtkosten, wenn der Versicherte von zuhause abgeholt und gebracht wird. Außen vor bleiben die Verpflegung, meist drei Mahlzeiten, und die Investitionskosten für die Tagespflegeeinrichtung. Die Versicherten können dafür das Geld für die zusätzlichen Betreuungsleistungen nutzen.
Höher sind seit 2015 auch Pflegegeld und Pflegesachleistungen, wenn ein Pflegedienst pflegt Tabelle: Leistungen für Pflege zuhause ab 2015. Diese Leistungen werden nicht mehr mit der Tagespflege verrechnet. Bis Ende 2014 bekamen Versicherte, die die Tagespflege voll nutzten, nur die Hälfte des Pflegegeldes oder der Sachleistungen.
Eine Auswahl treffen
Mit dem zusätzlichen Geld, das jetzt für Betreuung und Pflege da ist, wächst auch das Interesse an der Tagespflege. Diese Erfahrung macht Heike Schwabe, Vorsitzende der Deutschen Expertengruppe Demenzbetreuung. Sie leitet eine Einrichtung im niedersächsischen Fintel und schult angehende Betreiber von Tagespflegestätten.
Sie weiß, nicht jede Einrichtung ist gleich gut. Es gibt große Unterschiede in der Qualität (Checkliste): „Deshalb sollten Interessenten bei der Auswahl zum Beispiel darauf achten, dass genügend ausgebildetes Personal vor Ort ist und die Räume freundlich gestaltet sind.“ Ein ständig laufender Fernseher im Aufenthaltsraum kann auf eine nicht fachgerechte Betreuung hinweisen.
Auch Helga Lange stellte Unterschiede fest: „Eine Tagespflegeeinrichtung kündigte uns kurzfristig, weil sie mit dem Krankheitsbild meines Mannes nicht umgehen konnte.“ Sie hatte Glück und fand die Tagespflege in Teltow: „Er lacht nun viel und lässt sich jeden Morgen die Jacke ausziehen. Das beste Zeichen, dass er sich wohlfühlt!“
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- Pflegetagegeldversicherungen im Vergleich – doch die Kosten sind hoch und können weiter steigen. Die Stiftung Warentest hat 70 Tarife geprüft.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Bereits 4 Agenturen hatten wir beauftragt und die negativsten Erfahrungen machten wir mit den Betreuerinnen aus Polen. Aufenthaltszeit lag bei nur 2-4 Wochen und es wurde uns unerfahrenes Personal ohne Sprachkenntnisse geschickt. Über unseren Neurologen kam wir zu Hutt in Stuttgart und haben nun zwei Perlen aus Rumänien. Die Aufenthaltsdauer liegt bei 3-6 Monaten was uns und besonders unserer Mutter zugute kommt. Sie blüht zusehends auf und die Demenz hat sich deutlich verbessert. Bislang können wir viel negatives berichten, durchaus nun aber auch Positives.