Rundum versorgt dank osteuropäischer Betreuungskraft: Damit werben Vermittlungsagenturen. Unser Test deckt Schwachstellen auf.
Testergebnisse für 13 Vermittlungsagenturen 05/2017
Werner Götz wurde früh aus seinem alten Leben gerissen. Mit 59 erlitt er einen Schlaganfall. Leider war er in jener Nacht allein. Erst am nächsten Morgen wurde er gefunden. Er überlebte, fast vollständig gelähmt. Nur das Gesicht und die rechte Hand blieben ihm zu Diensten. Und seine Geisteskraft.
Götz lebt weiter zu Hause. Das geht dank Ehefrau, Pflegedienst, Therapeuten – und Dorota. Sie kommt aus Polen, wohnt im Haushalt und umsorgt den Mann: inklusive Pflegeaufgaben, Einkaufen, Kochen, Gesellschaft. Er nennt sie seine „linke Hand“.
1 470 bis 3 400 Euro monatlich
Die Geschichte ist eine von unzähligen. Bis zu 300 000 Menschen aus Osteuropa, die allermeisten Frauen, üben hierzulande laut Schätzungen Jobs aus wie Dorota. Viele kommen über Vermittlungsagenturen. Die werben oft mit einer „24-Stunden-Pflege“ oder „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“. 13 bundesweit tätige Agenturen haben wir geprüft. Die Kunden zahlen monatliche Betreuungskosten von 1 470 bis 3 400 Euro. Vermitteln die Agenturen Betreuungskräfte, die zum Bedarf der Hilfesuchenden passen? Gehen sie rechtlich korrekt und sozial verantwortlich vor? Wir schickten den Firmen umfassende Fragebögen, sichteten mehr als 900 Dokumente, die sie zum Beleg einreichten, zudem Webseiten, Infomaterialien, Verträge. In den Firmen begutachteten wir jeweils drei Kundenakten.
Das Test-Ergebnis ist durchwachsen. 9 der 13 geprüften Agenturen sind hilfreich bei der Vermittlung, die anderen nur bedingt bis wenig. Keine informiert ihre Kunden gut, das gilt vor allem für rechtliche und finanzielle Aspekte. Bei allen Firmen fanden wir Mängel in den Verträgen. Sie gehen vor allem zu Lasten der Beschäftigten aus Osteuropa. Wir fanden deutliche Hinweise, dass ihre Rechte ausgehöhlt werden, etwa bei Arbeits- und Ruhezeiten. Wer eine Vermittlungsagentur nutzt, handelt nicht illegal – er sollte aber einiges beachten.
Meist zwei Verträge zu schließen
Viele Agenturen kooperieren mit mehreren Firmen in Ländern wie Polen, Bulgarien und Rumänien. Sie rekrutieren Betreuungskräfte vor Ort und schicken sie nach Deutschland. Kunden hierzulande schließen oft zwei Verträge: einen Vermittlungsvertrag mit der Agentur, einen Dienstleistungsvertrag mit der ausländischen Firma.
Die Branche boomt. Die Zahl der Vermittlungsagenturen hierzulande ist seit 2009 laut unserer Recherche von etwa 60 auf 266 gestiegen. Sie liegt noch höher, zählt man die verschiedenen Standorte mancher Agenturen mit.
Das Geschäft der Agenturen gründet auf doppelter Not. Auf der einen Seite stehen die vielen Pflegebedürftigen, die zu Hause bleiben möchten, aber nicht wissen wie. Hilfe durch deutsches Personal rund um die Uhr ist für Normalverdiener kaum finanzierbar. Der 104-jährige Alfred Quelle zum Beispiel hatte bei Kostenvoranschlägen ambulanter Pflegedienste über 10 000 bis 18 000 Euro im Monat abgewunken – und sich für eine polnische Betreuerin entschieden. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Menschen aus Ländern mit niedrigen Löhnen und schlechten Jobaussichten, die berufliche Chancen ergreifen – selbst weit weg von Familie und Freunden.
Dorota etwa jobbte früher als Verkäuferin und Bürokraft, gegen kleines Gehalt. „Nach meiner Scheidung machte ich mir Sorgen, ob das Geld für mich und meine beiden Töchter reicht“, erzählt sie. Eine Freundin gab ihr den Tipp, in Deutschland zu arbeiten. Während sie Werner Götz betreut, sorgen ihre Eltern für die Kinder.
Angehörige machen sich Sorgen
„Oft kommt nicht der Bedürftige auf die Idee, sich Hilfe ins Haus zu holen, sondern seine Familie“, sagt Gudrun Matusch, die viele Jahre als Expertin zum Thema für die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz tätig war. „Angehörige machen sich Sorgen, weil sie nicht immer da sein können, aber denken, dass das nötig wäre.“
Werner Götz wurde nach seinem Schlaganfall zunächst von einem Pflegedienst versorgt. „Das reichte nicht, mein Mann war viel zu viel allein“, sagt seine Frau. Sie ist beruflich eingespannt, da sie sich um die gemeinsame Firma kümmert. Sie wandte sich an eine Vermittlungsagentur. „Wir bekamen einen Fragebogen zu unserem Bedarf geschickt. Er war ganz schön umfangreich und man sollte ihn, denke ich, ehrlich ausfüllen, damit alles passt.“ Es folgte ein Beratungsgespräch am Telefon, dann kamen schriftliche Personalvorschläge samt Lebenslauf und Foto. Kurz darauf stand eine Frau aus Polen vor der Tür.
„Anfangs ist die Situation, dass jemand Fremdes bei einem einzieht und alle möglichen Aufgaben übernimmt, natürlich seltsam“, sagt Werner Götz. „Man muss sich gegenseitig kennenlernen – jedes Mal aufs Neue, denn es gibt viel Fluktuation. Eine Helferin bleibt in der Regel zwei Monate, dann kommt eine andere.“ Die meisten waren immer mal wieder bei Götz im Einsatz. „Seit etwa zwei Jahren hat sich ein fester Rhythmus eingespielt, zum Glück.“ Nun wechseln sich immer dieselben zwei Betreuerinnen ab: Wenn Dorota geht, kommt Gosia und anschließend wieder Dorota.
Stärken bei der Kundenbetreuung
Viele Agenturen gehen bei der Vermittlung ähnlich vor wie die von Familie Götz. Sie kümmern sich oft langfristig um ihre Kunden, bieten Hilfe bei Problemen. Typischerweise läuft das so: Jemand aus der deutschen Familie ruft die Agentur an. Die kontaktiert das ausländische Partnerunternehmen. Das spricht mit der Betreuungskraft. Meist dürfen nur die ausländischen Firmen den Mitarbeitern als direkte Arbeitgeber Weisungen geben. Wenn sich Konflikte nicht lösen lassen, die Betreuerin krank wird oder kurzfristig in die Heimat muss, können Agenturen und deren Partner häufig schnell Ersatz organisieren.
Zwei Agenturen liegen vorn
Am besten schneiden „Pflege zu Hause Küffel“ und „Hausengel“ bei der Vermittlung und den Leistungen drum herum ab. Viele andere Agenturen konnten uns kaum unter Beweis stellen, wie sie für eine gute Qualitätssicherung mit ausländischen Partnerfirmen sorgen. So bekamen wir nur wenige konkrete Vereinbarungen zu sehen, wie die Betreuungskräfte – in aller Regel Laien – von den Vermittlern und ihren Partnern auf ihre Aufgaben vorzubereiten sind.
Auch das Sprachniveau ist nicht immer nachvollziehbar beschrieben. Mehrfach fanden wir in den Bedarfsfragebögen von Agenturen andere Formulierungen als in den Personalvorschlägen. Der Kunde kann zum Beispiel „sehr gut“ bis „gering“ ankreuzen, im Vorschlag steht dann etwa „A2“, ohne dass Kunden erfahren, ob das ihrem angegebenen Wunsch entspricht.
Vor allem aber stießen wir im Test auf rechtliche Probleme. Die Dienstleistungsverträge, die deutsche Kunden mit den ausländischen Partnerfirmen der Agenturen abschließen, weisen teilweise erhebliche Mängel auf. Zum Beispiel, wenn keinerlei Haftung bei Fehlern und Unfällen der Betreuungskraft übernommen wird. Das ist unzulässig. Vor dem Unterschreiben sollten Kunden Verträge unbedingt prüfen und, wenn notwendig, über die Vermittlungsagentur nachverhandeln.
Welcher Mindestlohn gilt?
Auch wenn meist die osteuropäischen Firmen die Personalverantwortung für die Betreuungskräfte tragen, können die Vermittlungsagenturen gute Rahmenbedingungen schaffen: indem sie Vereinbarungen mit ihren Partnern treffen und diese auch kontrollieren. Das geschieht aber nicht genügend. So steht in Kooperationsverträgen zwischen Agenturen und Partnerfirmen vage etwas von „Mindestlohn“ – ohne Hinweis, welcher gilt. Der deutsche beträgt 8,84 Euro pro Stunde, der polnische etwa 3 Euro. Welcher Mindestlohn greift, liegt am arbeitsrechtlichen Status der Betreuungskräfte (typische Varianten). Den wiesen uns die Anbieter meist nicht eindeutig nach. Auch auf vielen Webseiten fehlten dazu klare Angaben. Kunden können kaum nachvollziehen, wie viel von den monatlichen Betreuungskosten bei den Helfern ankommt.
Höchstens 48 Stunden pro Woche
„Die Frauen verdienen häufig um die 1 000 Euro im Monat, teils weniger“, sagt Sylwia Timm. Die polnischstämmige Juristin arbeitet für den Deutschen Gewerkschaftsbund, Bereich „Faire Mobilität“. Beim Interviewtermin in ihrem Büro klingelt alle paar Minuten das Telefon. An der Strippe: Haushaltshilfen in Nöten. „Es ist hier eigentlich immer wie im Callcenter“, sagt Timm. „Es gibt in der Branche wirklich große Probleme. Die Frauen haben es schwer, bei den osteuropäischen Firmen ihre Rechte durchzusetzen, zum Beispiel bezüglich der Arbeitszeit.“
Das deutsche Gesetz erlaubt höchstens eine 48-Stunden-Woche – mit mindestens elf Stunden Ruhezeit zwischen den Arbeitseinsätzen und einem komplett freien Tag pro Woche. Das kommt aber bei einem Konzept, das als „Rund-um-die Uhr-Betreuung“ vermarktet wird, kaum hin. „Viele Frauen sind dauernd gefordert, auch nachts“, so Timm, „und müssen viel schwerere Arbeit leisten, als angekündigt wurde.“
Eine unzumutbare Situation
Im Test fanden wir Hinweise auf solche Praktiken – wenn es in Dienstleistungsverträgen etwa heißt, die Arbeit sei bei Bedarf ausweitbar oder es gebe „eine Rufbereitschaft von 22 bis 6 Uhr“. Oder wenn Frauen ohne Pflegeausbildung laut ihrem Lebenslauf bereits Arzneien für die Einnahme zusammenstellten. Solche Tätigkeiten gelten in Deutschland als Behandlungspflege – Fehler können Patienten gefährden. Nur qualifiziertes Personal sollte solche Aufgaben erledigen.
Auch bei Infektionsrisiken, hohem Pflegebedarf oder Sterbenden geht es ohne Profis nicht. Einige Agenturen vermitteln in solchen Fällen nur Betreuungskräfte, wenn diese Versorgung sichergestellt ist. Andere überlassen die Entscheidung ihrem ausländischen Partner oder gar der Helferin selbst. Eine unzumutbare Situation.
Auch bei normalem Pflegebedarf reicht die Betreuungskraft allein oft nicht aus. Die Vermittlungsagentur sollte schon bei der Bedarfsanalyse fragen, welche Hilfen bereits in Anspruch genommen werden oder sie, wenn notwendig, empfehlen. Darauf achten nicht alle Agenturen. Das wäre aber auch für die ausländische Betreuerin wichtig. Sie kann Pause machen, wenn der Hilfebedürftige in die Tagespflege geht oder sich ein Besuchsdienst um ihn kümmert. Die Pflegekasse finanziert solche Entlastungen großteils bis komplett.
Die A1-Bescheinigung ist wichtig
Auf den Webseiten und im Infomaterial der Agenturen fanden wir kaum Angaben zu den ausländischen Partnerfirmen, mit denen deutsche Kunden letztendlich Dienstleistungsverträge abschließen. Auch der Beschäftigungs- sowie der Versicherungsstatus des vermittelten Personals bleibt meist im Dunkeln. „Wichtig ist, eine neue Betreuungskraft nach ihrer A1-Bescheinigung zu fragen“, sagt Juristin Gudrun Matusch. Das mehrseitige Dokument stellen Behörden im Heimatland auf Antrag aus. Es belegt, dass die Sozialversicherungsbeiträge dort fällig werden.
Das nützt auch der deutschen Familie, wenn der Zoll vor der Tür steht und eine Kontrolle macht. Ganz schlecht sieht es aus, wenn jemand seine Hilfe nicht über eine Agentur oder einen anderen offiziellen Weg besorgt hat und schwarz beschäftigt. „Das kann richtig teuer werden“, sagt Matusch.
„Wertschätzung und Pausenzeit“
Ansonsten habe jeder die Arbeitsbedingungen seiner Betreuungskraft „selber mit in der Hand“. „Es läuft in vielen Familien gut“, bestätigt Timm. „Mir fällt immer wieder auf, dass sich die Frauen vor allem zwei Dinge wünschen: Wertschätzung für ihre Arbeit und ausreichend Pausenzeit.“
Dorota, die Werner Götz betreut, sagt: „Ich mag meinen Job. Ich könnte sonst wechseln.“ Götz‘ Ehefrau ist meist abends und am Wochenende da. Zudem kommen professionelle Pfleger und Therapeuten zu ihm. Dann erledigt Dorota Hausarbeit oder hat Zeit für sich. Das gilt auch, wenn Götz am Rechner sitzt. Mit der rechten Hand an der Maus zeichnet der Architekt weiter Baupläne. Und mit Grafikprogrammen erschafft er Gemälde in leuchtenden Farben. Neulich war die erste Vernissage, Dorota zu der Zeit in Polen. Sie wollte Götz‘ großen Tag miterleben. Sie kam angereist.
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Habe mir die Zeit genommen und die vielen Kommentare gelesen. Auch ich möchte hier meine Erfahrung teilen. Seit 2015 also gute fünf Jahre habe ich für meine Eltern eine Betreuungskraft bzw. Betreuungskräfte arrangiert. Die ersten drei Agenturen waren ein Reinfall. Dier Zusammenarbeit dauerte nicht länger als 10 Monate. Man muss aber hier erwähnen, es waren auch gute Damen dabei. Problem? Es kommt auf die Kräfte meistens an und nicht auf die Firmengröße, Werbung oder Tests. Schöne Personalbögen sind nur die Verpackung. Die Verpackung kann noch so toll sein wenn der gute Inhalt fehlt. Gewechselt habe ich die Agenturen, da ich nicht wie am Fließband behandelt werden wollte. Erst bei der vierten Agentur (eine aus Hildesheim: P...-Pflege...) bekam ich den Eindruck, hier schaut man auf die Wünsche der Kunden. Immer der gleiche Ansprechpartner, keine Warteschlange am Telefon usw. Fazit: Die Kräfte sind wichtig , nicht die Anzahl der Vorschläge. Verständnisvoller Ansprechpartner sind A u. O!
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: wegen Überprüfung auf Schleichwerbung
Die Eltern meiner Freundin wurden angezeigt und hatten eine Kontrolle wegen ihrer polnischen Pflegerin. Die Pflegerin hatte keine richtigen Papiere. Ein Drama für die Familie und die Pflegerin. Der Vermittler stellte sich taub. Ich kann nur nochmals den Testsieger Küffel vom Test hier empfehlen. Die Papiere kommen automatisch mit der Pflegerin und wir haben die vom Anwalt rechtlich prüfen lassen und alles ist in Ordnung. Jeder sollte darauf wert legen um nicht vor Gericht zu landen. Das können wir nur dringend empfehlen.
@Robert6: Vielen Dank für Ihre Anregung. (maa)
Hallo,
die Stiftung Warentest würde den Verbrauchern ganz besonders helfen wenn sie die Vertäge der sogenannten Agenturen prüfen würde!
Auch wir sind auf Pfleger angewiesen und haben mit den Argenturen immer wieder großen Ärger.
Sehr viel seltener gibt es Ärger mit den Pflegern, die in der Überzahl gute Arbeit leisteten und auch Menschlich meist ein Gewinn sind.
Es gäbe aber Pfleger die bei uns schon waren und die wir gerne wieder hätten obwohl sie für die Argentur aus versändlichen Gründen nicht mehr arbeiten.
Sind denn diese Knebelverträge aus Bulgarien und aus Polen rechtens???
Z.B.
Obwohl der Pfleger keinerlei Ausbildung von der Argentur erhalten hat.
Der Pfleger sein Gehalt nur zum Teil erhielt?
Die Rente und/oder Krankenversicherungsbeiträge durch die Agentur nicht oder nur zum Teil bezahlt wurden?
Und laut der Zusicherung eines Pflegers, er nie einen Vertrag mit der Agentur unterzeichnet hat?
Also scheinbar der Pfleger mit gefälschte A1 bei uns war?