
Das Gewicht zeigen heute fast alle Waagen treffsicher an. Nicht annähernd so genau nehmen sie es mit dem Körperfett. Die Analysedaten lagen im Test häufig weit weg von der Wirklichkeit.
Testergebnisse für 19 Personenwaagen 01/2014
Deutschland im Jahr 1968: Das test-Heft erscheint in Schwarz-Weiß. In den Badezimmern stehen mechanische Waagen. Abnehmwillige können mangelnde Fortschritte auf die analoge Technik schieben, nach dem Motto: „Die Waage hat mich betrogen.“ Da ist sogar was dran. Keine misst genau, resümieren die Prüfer nach dem ersten Test von Personenwaagen. Die schlechteste weicht 2,4 Kilogramm vom eigentlichen Gewicht ab.
Heute funktioniert die Ausrede nicht mehr – zumindest beim Gewicht. In vielen Badezimmern stehen digitale Waagen. Sie messen das Gewicht genauer, wie unser Test zeigt. Unzuverlässig sind sie allerdings bei einem anderen Wert: dem Anteil von Fett am Körper. 11 der 19 Personenwaagen versprechen, ihn zu ermitteln. Doch die Messwerte weichen oft deutlich vom tatsächlichen Fettgehalt ab. Bei ein und derselben Person kommt eine Waage auf 17 Prozent Körperfett, die nächste auf 35 Prozent. Genaue Daten zum Körperfettanteil ermitteln offenbar nur Profigeräte.
Fettfehlmessungen sind nicht das einzige Problem heutiger Waagen. Manche kippeln bedenklich, eine der mechanischen Waagen versagt im Dauertest.
5 der 19 Geräte bieten Besonderheiten. Sie zeigen die Messergebnisse auf einem separaten Display oder sagen das Gewicht über Lautsprecher an.
Was die Waage nicht verrät
Jeder zweite Bundesbürger ist zu dick, sagt das Statistische Bundesamt. Diese Feststellung beruht nicht auf Körperfettanalysen, sondern stützt sich auf den Body-Mass-Index, abgekürzt BMI. Er wird errechnet aus dem Körpergewicht eines Menschen in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern hoch zwei.
Die Weltgesundheitsorganisation stuft Erwachsene mit einem BMI über 25 als übergewichtig ein. Aussagekräftig ist der Wert nicht. Er unterscheidet nicht zwischen Fett und Muskeln. Ein 1,75 Metergroßer, 80 Kilogramm schwerer Mann hat einen BMI von mehr als 26. Nach der Definition gilt der Mann als übergewichtig – egal, ob er ein durchtrainierter Sportler oder ein Sesselhocker mit Wampe ist.
Bis zum Bauchnabel und zurück
Eine Körperfettanalyse ist aussagekräftiger. Wenn sie denn funktioniert. Bei den getesteten Waagen ist es vor der Messung erforderlich, Größe, Alter, Geschlecht und oft auch den Fitnessgrad einzugeben. Dann stellt man sich mit bloßen Füßen auf die Waage. Die Fußsohlen berühren die Metallelektroden; ein schwacher, nicht spürbarer Strom fließt durch die Beine. Die Methode nutzt den Effekt, dass Wasser Strom leitet. Fettgewebe enthält deutlich weniger Wasser als Muskeln, es leitet den Messstrom schlechter. Die Waage misst die Leitfähigkeit durch den Körper und verrechnet das Ergebnis mit Erfahrungswerten für den Stromwiderstand je nach Größe, Alter und Geschlecht. Fachleute nennen das bioelektrische Impedanzanalyse.

Sie ist einfach durchzuführen, doch die getesteten Waagen zeigen Schwächen: Sie nutzen – anders als medizinische Messgeräte – nur Fußelektroden. Der Strom sucht sich einen kurzen Weg durch den Körper, so erfasst die Messung höchstens den unteren Körper bis zum Bauchnabel (siehe Grafik). Ein Mensch mit schlanken Beinen und dickem Bauch bekommt so tendenziell ein zu gutes Ergebnis. Gerade dieser so genannte Apfeltyp ist anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als der Birnentyp. Bei letzterem sammelt sich der Speck besonders stark an Po und Oberschenkeln an.
Im Test mussten die Analysewaagen gegen ein medizinisches Messgerät mit Hand- und Fußelektroden antreten. Bei ihm fließt der Strom durch den gesamten Körper. Es erfasst den Fettanteil genauer. Ergebnis: Alle Personenwaagen weichen bei der Fettanalyse vom Referenzgerät ab, im Schnitt um 14 bis 23 Prozent. Sämtlich wichen sie bei mindestens jeder vierten Messung um 20 Prozent oder mehr von der Profi-Analyse ab. Das Urteil für die Körperfettanalyse lautet daher für alle nur ausreichend.
Die Fettorakel
Am nächsten kamen den medizinischen Messwerten ADE Tabea und Korona Dolores. Bei manchen Testpersonen liegen sie nur wenige Prozentpunkte daneben. Doch auch sie messen häufig falsch. Sie sind die Fettorakel unter den Vermessenen.
Die größten mittleren Abweichungen lieferte Sanotec von Aldi. In einem Extremfall zeigte die Discounterwaage einen Fettanteil, der um mehr als das Doppelte vom Messergebnis des Profigeräts abwich.
Schuld an diesen Abweichungen sind auch die Formeln, mit denen die Waagen Messwerte verrechnen. Damit sie verlässlich sind, müssten die Hersteller Studien durchführen, in denen sie den Körperfettanteil sehr vieler Testpersonen bestimmen. Diese Ergebnisse müssten sie mit den Messwerten einer wissenschaftlichen Referenzmethode abgleichen. Solche Studien sind aufwendig und teuer.
Exacta und Soehnle messen gar nicht
Besonders einfach macht es sich die Firma Leifheit mit ihren Waagen Exacta Deluxe und Soehnle Body Control Contour: Beide erwecken zwar mit Metallstreifen auf der Trittfläche den Eindruck, den Körperfettanteil zu messen. Auf der Verpackung der Exacta steht zudem „ermittelt Körperfett“. Doch beide Waagen messen nur das Gewicht. Zusammen mit den Eingaben für Alter, Geschlecht und Größe berechnen sie daraus einen statistischen Wert auf Grundlage des Body-Mass-Indexes. So führen Exacta Deluxe und Soehnle Body Control Abnehmwillige an der Nase herum: Wer bei gleichbleibendem Gewicht Fett in Muskeln umwandelt, bekommt von beiden trotzdem den gleichen Fettanteil angezeigt.
Dicker Teppich macht leichter
Auch beim Wiegen sind Fehler möglich – wenn die Waage am falschen Ort benutzt wird. Der Test belegt, wie wichtig es ist, sie auf einen festen, ebenen Untergrund zu stellen. Auf dickem Teppich zeigte eine Waage 32 Kilogramm zu wenig. Hintergrund: Digitale Waagen bestimmen das Gewicht mit Wägezellen. Diese Chips stecken in den Füßen der Geräte. Auf Flokatis oder anderen flauschigen Teppichböden steht die Waage aber nicht nur auf den Füßen, sondern liegt mit der gesamten Unterseite auf dem Flor. Daher zeigt sie einen deutlich zu niedrigen Wert. Alle Gebrauchsanleitungen weisen darauf hin, dass Digitalwaagen nur waagerecht und auf hartem Untergrund benutzt werden sollen.
Mechanische Waagen funktionieren anders: Sie übertragen das Gewicht auf eine gefederte Metallplatte an ihrer Rückseite. Eine Metallstange leitet die Bewegung der Platte zur Gewichtsskala. Der exemplarische Versuch mit einer mechanischen Waage ergab: Der Untergrund spielt keine Rolle. Sie zeigte stets das gleiche Gewicht – auf Fliesen genauso wie auf PVC, dünnem und dickem Teppich.
Im Dauertest hängengeblieben
Was die mechanische Beurer MS 50 dagegen überhaupt nicht aushält, ist ruckartiges Absteigen. Dann schnellt ihr Zeiger zurück. Die Wägemechanik verkeilt sich, der Zeiger steckt fest und lässt sich nicht mehr lösen. Auf diese Weise fielen im Dauertest schon nach kurzer Zeit drei Beurer-Waagen aus. Das test-Qualitätsurteil lautet für sie daher mangelhaft.
Das Fazit nach wochenlangem Wiegen und Messen: 45 Jahre nach dem ersten Test von Personenwaagen erfassen die heutigen digitalen Modelle das Gewicht deutlich genauer als ihre mechanischen Vorgänger. Bei der Körperfettanalyse präsentieren sie aber teils fette Messfehler. Solange sie nur Fußelektroden und wenig zuverlässige Umrechnungsformeln nutzen, kann sich daran nichts ändern. So einfache Körperanalysewaagen taugen nur zum Wiegen.
Bei der Fettangabe ist also auch weiterhin die Ausrede erlaubt: „Die Waage hat mich betrogen.“
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Seit doch einigen Jahren habe ich die Withings Body Cardio genutzt. Seit rund zwei Wochen will sie trotz Resets usw. nicht mehr zuverlässig funktionieren. Also bin ich auf der Suche nach einer neuen Waage: idealerweise mit App-Synchronisierung, aber ohne eigene Cloud - und natürlich soll sie zuverlässig messen. Ich bin auf nichts gestoßen, was diese Kriterien erfüllt.
Also habe ich kapituliert und mich an mein test.de-Abo erinnert. Sicherlich gibt es von der Stiftung Warentest einen aktuellen Test von Personenwaagen. Denkste... Als langjähriger digitaler Abonnent frage ich mich, ob das Abo noch Sinn macht. Für essentielle Dinge - hier Personenwaagen - existieren oft nur Tests, die so alt sind, dass sie schlicht unbrauchbar sind: sei es, weil die getesteten Geräte nicht mehr am Markt sind - oder aber sich offenbar so verändert haben, dass sie in der Praxis ganz andere Ergebnisse liefern als der Test von 2014 es erwarten lässt.
Liebes Stiftung Warentest Team,
da der Test nun 9 Jahre alt ist, ist von den sehr genau messenden nur noch ein Gerät für 180€ erhältlich. Ein neuer Test wäre wünschenswert.
Haben Sie bereits einen Test geplant bzw. können irgendwelche Angaben dazu machen? Bitte um kurze Rückmeldung!
Viele Grüße
Michael Schmidberger
Auch bei meiner Waage (Tchibo) schwankt das Ergebnis um 200 - 400 g bei wiederholter Messung, daher suche ich nach einem Ersatz mit zuverlässiger Messgenauigkeit des Körpergewichtes. Wäre also ebenfalls an einer Neuauflage Ihres Testes sehr interessiert.
@studex: Ihren Kommentar nehmen wir gerne als Testanregung auf und leiten sie an das zuständige Untersuchungsteam weiter.
Die Vorschau auf das jeweils kommende Heft finden Sie unter https://www.test.de/shop/test-hefte/vorschau/
Auf Grund des Tests habe ich mich Anfang diesen Jahres für die Waage Sanitas SBG 21 ( baugleich mit Beurer BG 21) entschieden.
In der wichtigsten Eigenschaft, der Messgenauigkeit des Gewichts (bei einer insgesamt hohen Tragkraft) war das Testergebnis "sehr gut/++". Leider ist das für mich nicht nachvollziehbar: bei mehreren Messungen direkt hintereinander ergeben sich fast immer unterschiedliche Ergebnisse. Ich habe keine Statistik geführt, aber "gefühlt" ist die Streuung sicher im Kilogrammbereich was meiner Ansicht nach nicht "sehr gut" sein kann.
Auch bei bewusst starrer Körperhaltung schwankt man natürlich immer etwas und exakt zentrisch wird man als Mensch auch nie auf der Waage stehen. Aber mit (hoffentlich) vier Messsensoren, je Standfuß einem, sollte das Ergebnis aber doch genauer hinzubekommen sein.
Vielleicht sollten in einem Folgetest, nach fast 8 Jahren sicher eh überfällig, auch mal Menschen und die Gewichte auch mal außermittig gewogen werden?