Verschiebt der Reiseveranstalter die Flugzeiten und ändert er zudem den Zielflughafen bei der Rückreise, dürfen Pauschalurlauber unter Umständen einen Ersatzflug buchen. Die Mehrkosten des Ersatzflugs dürfen sie anschließend dem Reiseveranstalter in Rechnung stellen. Das hat der Bundesgerichtshof jüngst in einem Fall entschieden.
Ersatzflug verursacht 1 235 Euro Mehrkosten
Der Fall betrag zwei Zahnärzte, die hoch gepokert und am Ende gegen ihren Reiseveranstalter gewonnen haben. Für Oktober 2014 bucht das Paar für sich und die beiden Kinder einen einwöchigen Pauschalurlaub in der der Türkei beim Kölner Reiseveranstalter EWTC. Reisepreis: 4 874 Euro. Als die Familie bei der Abreise in Antalya auf den Rückflug nach Frankfurt wartet, erfährt sie, dass sich der Abflug mit einem Flugzeug der Gesellschaft Condor von 20.05 Uhr auf 22.40 Uhr verschiebt. Zudem soll der Rückflug nicht nach Frankfurt, sondern nach Köln gehen. Für den Transport nach Frankfurt ist ein Bustransfer eingeplant. Das ist für das Paar nicht akzeptabel, da sie am nächsten Morgen in der Praxis Patiententermine haben. Ohne den Veranstalter zu kontaktieren, buchen sie Ersatzflüge mit der Airline Germania für denselben Abend direkt nach Frankfurt. Monate später verlangen sie von EWTC Ersatz der Mehrkosten von 1 235 Euro. Amtsgericht und Landgericht Köln entscheiden gegen die Familie. Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt ihnen am Ende Recht.
Eigentlich müssen Reisende zunächst den Mangel melden
Die Verschiebung des Rückflugs um zwei Stunden allein wäre rechtlich noch keine Reisemangel. Da sich aber auch der Zielflughafen ändert und die Familie an ihrem eigentlichen Ziel, Frankfurt, mit Bustransfer erst etwa 6,5 Stunden verspätet angekommen wäre, gelten die Reiseplanänderungen dann doch als echter Mangel. In einer solchen Situation gilt grundsätzlich: Wer seinem Reiseveranstalter den Mangel anzeigt und ihn ohne Erfolg mit einer Frist zur Abhilfe auffordert, darf das Problem anschließend selbst lösen und Ersatz der Mehrkosten fordern.
In konkreten Fall durfte Mängelanzeige unterbleiben
Die Zahnärzte hatten den Mangel allerdings nicht sofort bei der Reiseleitung gemeldet und die Ersatzflüge auf eigene Faust gebucht. „Das ist ausnahmsweise ok“ befand der BGH, da der Veranstalter seinerseits Fehler gemacht hatte. Entgegen seiner gesetzlichen Pflicht hatte er der Familie in der Reisebestätigung nach der Reisebuchung nicht mitgeteilt, dass Mängel überhaupt anzuzeigen sind (Az. X ZR 96/17; Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs). Im Verlauf des Rechtsstreits hatte sich der Reiseveranstalter darauf berufen, dass der Hinweis auf die Notwendigkeit zur Mängelanzeige in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gestanden hätte. “Es reicht aber nicht, wenn nur in den AGB auf die Pflicht zur Mängelanzeige hingewiesen wird“, sagt Holger Hopperdietzel, Reiserechtsspezialist aus Wiesbaden und Anwalt der beiden Zahnärzte. Der Veranstalter genügt seinen Informationspflichten zwar auch dann, wenn er die notwendigen Informationen in einen Reiseprospekt schreibt, diesen dem Kunden aushändigt und darauf in der Reisebestätigung verweist. Aber auch das war in dem Fall der beiden Zahnärzte nicht geschehen, sagt Hopperdietzel.
Alternative: Reisepreis mindern
Der langwierige Prozess zeigt: Urlauber, die Reisemängel wie eine Flugzeitverschiebung auf eigene Faust lösen, müssen mit Widerstand vom Veranstalter rechnen (siehe auch Pauschalreise: Plötzliche Abreise in der Nacht). Er wird in der Regel nicht kampflos die Mehrkosten eines Ersatzfluges überweisen. Der Kunde muss also in Vorkasse treten und hat dann die Mühe, eine Erstattung durchzusetzen. Die beiden Zahnärzte konnten gegen ihren Reiseveranstalter ohne Angst vor den Gerichtskosten vorgehen, weil sie rechtsschutzversichert waren (zum Vergleich Rechtsschutzversicherung). Wer seinen Reiseveranstalter ohne Rechtsschutzversicherung verklagt, hat aber immer ein Risiko, die Klage zu verlieren und auf den Anwalts- und Gerichtskosten sitzen zu bleiben. Es dürfte daher für viele Urlauber nicht in Frage kommen, aus Frust über Flugzeitverschiebungen teure Ersatzflüge zu buchen.
Immer Mangel melden
Das heißt jedoch nicht, dass betroffene Urlauber wegen erheblichen Flugzeitverschiebung gar nichts tun können. War der Mangel vom Reisenden bei der Reiseleitung angezeigt und dennoch nicht behoben worden, kann er nach der Reise für die Unannehmlichkeiten wenigstens eine teilweise Erstattung des Reisepreises vom Veranstalter verlangen. Laut Amtsgerichts Köln wäre im Fall der Zahnärzte immerhin eine Reisepreisminderung von rund 530 Euro drin gewesen.
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