
Intensivmedizin: Der Wille des Patienten entscheidet über die Behandlung.
Manche Patientenverfügung hilft nicht weiter. Es zählt dann der wirkliche Wille, egal wie er geäußert wurde. Das hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil klargestellt. Wer früher vor Zeugen klar zu erkennen gegeben hat, dass er bei absehbar tödlicher Erkrankung keine künstliche Ernährung will, braucht keine Verfügung. Diese Willensäußerung ist dann verbindlich für Angehörige und Ärzte.
Wachkoma
Seit Juni 2008 liegt Martha Bregmann* nach einem Schlaganfall mit Herzstillstand im Wachkoma und wird künstlich ernährt. So etwas war schon lange eine Horrorvorstellung für die 1940 geborene Frau. „Mir kann das nicht passieren“, hatte sie aber immer gesagt und auf ihre Patientenverfügung verwiesen. In der Verfügung steht: Lebensverlängernde Maßnahmen sollen unterbleiben, wenn keine Aussicht mehr darauf besteht, das Bewusstsein noch einmal zu erlangen.
Rechtsstreit
Der Sohn beantragt auf dieser Grundlage beim Familiengericht, die Einstellung der Ernährung zu genehmigen. Doch das Gericht lehnt ab. Die Formulierung „lebensverlängernde Maßnahmen“ lasse nicht klar genug erkennen, dass die Frau im Wachkoma keine künstliche Ernährung wolle. Da sie gleichzeitig Sterbehilfe abgelehnt habe, sei die Behandlung fortzusetzen, so das Amtsgericht Freising. Das Landgericht Landshut bestätigte die Entscheidung.
Auslegung
Die Entscheidung werde der Patientenverfügung nicht gerecht, entschied der Bundesgerichtshof (Az. XII ZB 604/15). Zumindest, wenn es keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins gibt, sei klar, dass Bregmann keine künstliche Ernährung wolle. Das Landgericht muss klären, ob sie dieses wiedererlangen kann.
Willensforschung
Doch selbst ohne solche Diagnose und klare Aussage in der Patientenverfügung dürfte es richtig sein, die künstliche Ernährung zu stoppen, ließen die Bundesrichter erkennen. Es komme auf den wirklichen Willen der Patientin an. Wenn diese sich gegenüber Angehörigen, Freunden oder Ärzten früher ausreichend klar geäußert habe, sei das verbindlich. Sie habe mehrfach geäußert, dass sie bei absehbar tödlicher Erkrankung keine künstliche Ernährung wolle. Das sei verbindlich für Angehörige und Ärzte.
* Name geändert
Das Vorsorge-Set: Ratgeber der Stiftung Warentest

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