Die Zustellung bei Nachbarn ist bequem, aber rechtlich riskant. Nur ein einziger Paketdienst verspricht anstandslos Ersatz, wenn das Paket weg ist.
Nachbarn, die zuhause sind und im Erdgeschoss wohnen, sind bei Paketboten besonders beliebt. Empfänger von Paketen mögen diese Nachbarn auch und holen ihre Sachen viel lieber dort ab als irgendwo anders. Wenn allerdings etwas schiefgeht, ist es mit der Sympathie schnell vorbei. Rechtlich bewegt sich die „Ersatzzustellung“ in einer Grauzone.
Nur der erste Schritt ist von Rechts wegen klar: Der Empfänger muss erfahren, dass sein Paket beim Nachbarn liegt.
Die Benachrichtigungskarte ist Pflicht, entschieden die Richter am Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 165/10), und sie muss leserlich ausgefüllt sein. Verschwindet die Sendung, ohne dass der Paketdienst die Benachrichtigung nachweisen kann, muss er ihren Wert bis zum Haftungshöchstbetrag ersetzen. Das sind bei den meisten Unternehmen mindestens 500 Euro, Sendungen mit höherem Wert können oft extra versichert werden.
Nur „Der Courier“ bietet ohne Zusatzversicherung allein die gesetzliche Mindesthaftung aus dem Speditionsrecht. Das sind nur 9,33 Euro pro Kilo (siehe Tabelle „Wahlmöglichkeit der Versandart“).
Versandkunden sind fein raus
Die Geschäftsbedingungen der Paketdienste sind vor allem für Absender und Empfänger von Privatpaketen interessant. Auch für Kunden von Ladengeschäften, die sich etwas nach Hause schicken lassen, sind sie wichtig.
Onlineshopper und andere Versandhandelskunden sind besser dran. Für Käufer, die per Telefon, Internet oder Post etwas bestellt haben, gelten besonders verbraucherfreundliche Regeln: Der Händler hat den „Fernabsatzvertrag“ erst erfüllt, wenn der Käufer die bestellte Ware erhalten hat – völlig unabhängig vom Paketdienst und seinen Geschäftsbedingungen. Verschwindet ein Paket, muss der Händler erneut liefern.
Viele Versandhändler wollen das nicht wahrhaben. Sie versuchen, ihre Kunden an den Paketdienst oder den Nachbarn zu verweisen, der das Paket angenommen hat.
Doch das müssen sich die Kunden nicht gefallen lassen. Sie sollten dem Unternehmen umgehend eine Frist für die Lieferung setzen und Schadenersatzforderungen ankündigen. Mit dem Paketdienst brauchen sie sich gar nicht erst herumzustreiten.
Privatpakete besonders riskant
Bei Privatpaketen sieht das anders aus. Unklar ist, was geschieht, wenn der Adressat benachrichtigt wurde, das Paket aber nach dem Abliefern beim Nachbarn verschwindet, beschädigt oder zerstört wird. Ist dem Nachbarn ein Verschulden nachzuweisen, haftet er. Doch das ist selten. Wer aber steht dann dafür gerade?
Die meisten Paketdienste sehen ihren Job mit dem Abliefern der Sendung als erledigt an. Sie räumen sich in ihren Geschäftsbedingungen das Recht ein, Sendungen auch bei Nachbarn abzuliefern.
Wichtigste Ausnahme ist der DPD. Laut Geschäftsbedingungen liefert dieses Unternehmen das Paket stets in der Wohnung des Adressaten ab. Trotzdem geben DPD-Boten Pakete bei Nachbarn ab, wenn sie das für vertretbar halten. Der Unterschied zu den anderen Diensten: „Wenn das Paket in einem solchen Fall verlorengeht, zahlen wir Wertersatz bis zum Haftungshöchstbetrag“, sagt Unternehmenssprecher Peter Rey.
Verbraucherschützer unzufrieden
Die Juristen des Unternehmens DPD halten andere Geschäftsbedingungen zur Nachbarschaftszustellung für unwirksam. So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I-18 U 163/06) geurteilt.
Wer genau „Nachbarn” sind, bleibe in der Klausel zur Auslieferung unklar, argumentierten die Richter dort. Außerdem benachteilige die Klausel die Kunden von Paketdiensten, weil der Adressat eines Pakets seinen Nachbarn zuweilen völlig gleichgültig oder – schlimmer noch – mit ihnen verfeindet sei.
Das Oberlandesgericht Köln ist anderer Meinung als die Düsseldorfer: Eine Ersatzzustellung bei Nachbarn ist zulässig, wenn der Paketbote den Umständen nach annehmen könne, dass sie berechtigt sind, die Sendung entgegenzunehmen. Mit dieser Einschränkung lasse sich genau genug ermitteln, bei welchen Nachbarn Paketdienste Sendungen abliefern dürfen, fanden diese Richter (Az. 6 U 165/10).
Die Kölner Richter erklärten die Bedingungen der DHL lediglich aus einem anderen Grund für unwirksam: Ihnen fehlte darin die Verpflichtung des Paketboten, den Empfänger zu benachrichtigen.
Iwona Husemann, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, ist jedoch unzufrieden mit der Entscheidung, obwohl das Gericht die DHL-Klauseln kassierte und sich die Verbraucherzentrale als Klägerin in dem Verfahren formal vollständig durchsetzte.
Lieferung auf eigene Gefahr
Grundsätzlich sei die Zustellung bei Nachbarn sinnvoll, sagt Verbraucherschützerin Husemann. Sie müsse sich jedoch auf die unmittelbaren Nachbarn beschränken. Außerdem will sie sichergestellt wissen, dass der Paketdienst Wertersatz leisten muss, wenn das Paket dort beschädigt wird oder verlorengeht.
Klar ist die Rechtslage, wenn der Paketbote die Sendung unverrichteter Dinge wieder mitnimmt. Fordert ihn der Adressat anschließend auf, das Paket bei einem bestimmten Nachbarn abzuliefern oder es vor der Wohnungstür oder an einer anderen Stelle abzustellen, übernimmt der Kunde selbst das Risiko. Wenn das Paket verschwindet, nachdem der Bote es in der gewünschten Art und Weise abgeliefert hat, ist das allein das Problem des Kunden.
Kaum Zeit für Reklamationen
Noch ein anderer Punkt ist Juristin Husemann ein Dorn im Auge: Bekommt der Empfänger ein beschädigtes Paket, muss er sofort reklamieren. Die Unterschrift beim Boten ist nicht nur die Quittung für das Paket, sondern heißt auch: Alles so weit in Ordnung mit der Lieferung.
Äußerlich erkennbare Schäden müssen Empfänger sofort anzeigen. Ist der Schaden dagegen nicht gleich zu sehen, sondern vielleicht erst beim Auspacken, muss der Kunde ihn innerhalb von sieben Tagen nach Lieferung beim Paketdienst melden. So regelt es das Speditionsrecht im Handelsgesetzbuch.
Versäumt der Empfänger die Schadensanzeige, heißt das laut Gesetz: Es wird vermutet, dass bei Ablieferung alles in Ordnung war. Nur wenn der Empfänger den Gegenbeweis liefert, bekommt er Schadenersatz. Doch das dürfte ihm selten gelingen.
Verbraucherschützer machtlos
Die Reklamationsregeln aus dem Speditionsrecht sind wenig verbraucherfreundlich. Doch Husemann und anderen Verbraucherschützern bleibt nur, an die Politik zu appellieren und für eine Gesetzesänderung zu werben.
Gerichtlich angreifen kann die Verbraucherschützerin nicht das Gesetz, sondern nur Geschäftsbedingungen von Unternehmen.
Das Gericht prüft, ob eine Klausel in den Geschäftsbedingungen Verbraucher tatsächlich unangemessen benachteiligt. Wenn ja, erklären die Richter die Klausel für unwirksam und untersagen dem Unternehmen, sie weiter zu verwenden.
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- Bei Online-Käufen außerhalb der EU werden Steuern und Zoll fällig. Paketdienste verlangen Extra-Gebühren. Infos zu Zoll und Steuern und ein Zollrechner.
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- Briefe, die Wochen brauchen bis zum Empfänger, verschwundene Einschreiben, tagelang gar keine Post – das berichten uns viele Leserinnen und Leser. Was tun bei Poststress?
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- Je nachdem, ob Sie im Laden oder online einkaufen, gelten unterschiedliche Regeln für Umtausch und Widerruf. Wir sagen, was zu beachten ist und wann es Geld zurück gibt.
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@Stiftung_Warentest
Pakete und Päckchen werden nur dann an eine Packstation geliefert, wenn der Kunde für die jeweilige Sendung eine Packstationadresse angegeben hat. Sie werden nicht "generell" an eine Packstation geliefert!
Wenn ein Kunde sich bei DHL registriert hat (per PostIdent), kann er für JEDE Sendung individuell entscheiden, ob er sie an eine Packstation, direkt an eine Filiale (Wunschfiliale) oder seine Hausadresse geliefert haben möchte.
Desweiteren kann er sich mit seiner DHL Kundennummer (genannt "Postnummer") auf www.paket.de anmelden und dort all seine ankommenden Sendungen beobachten und steuern. Sogar ein Wunschtag der Zustellung kann angegeben werden. Man kann ebenfalls ONLINE einen Ablageort (Wunschort), z.B. in der Garage, oder einen bevorzugten Nachbarn (Wunschnachbar) angeben. Diese Angaben erscheinen dann beim Zusteller auf dem Handscanner.
Tipp:
Wenn man seine Postnummer in seiner Hausadresse mit angibt wird auch dann die Sendung per SMS angekündigt.
@AnoNym: Im Artikel beschreiben wir die Frage der Haftung bei Privat- und Versandhaussendungen und die Rechtslage, wie sie sich nach einigen Musterverfahren darstellt. Fazit: Komplett verhindern können Sie eine Zustellung an Dritte nicht. Tipp: Wenn Sie bei DHL oder anderen Lieferdiensten einen Zusteller haben, der häufig zu Ihnen kommt, können Sie ihm ja einmal Ihre Vorstellung für die Zustellung mitteilen. Das hat oft Erfolg, begründet aber natürlich weder einen Rechtsanspruch, noch wird es Ihr Problem komplett lösen. Bei der Post auch hilfreich: Hier gibt es die so genannten Packstationen, eine Art Postfach für Pakete und Päckchen. Die werden dann generell nicht mehr zugestellt, sondern landen gleich in Ihrem Fach. Nachteil: Man muss die Sachen immer selbst abholen. (PH)
Sehr geehrte Damen und Herren,
der für mich wesentliche Rat fehlt leider: Wie kann ich als Empfänger eine Zustellung an von mir nicht autorisierte Dritte verhindern?
Vielen Dank!