
Die Insolvenzverwalter der Containergesellschaften P&R schätzen, dass die Insolvenzmasse bei einer Milliarde Euro liegen könnte. Vor einem Jahr gingen sie von etwa der Hälfte aus. Das ist eine gute Nachricht für die Anleger, die in Container investiert haben: Die Insolvenzquote dürfte höher ausfallen als zunächst erwartet. Viele Anleger haben einen Vergleichsvorschlag des Insolvenzverwalters angenommen. Unabhängig davon wollen die Insolvenzverwalter in Musterverfahren klären, ob Container-Käufer ausgeschüttetes Geld zurückzahlen müssen. test.de erklärt, was das für die Anleger bedeutet.
1 Milliarde Euro Verwertungserlös möglich
54 000 Anleger mit einem investierten Kapital von 3,4 Milliarden Euro trafen sich im Herbst 2018 zu Gläubigerversammlungen in der Münchner Olympiahalle. Damals prognostizierte der Insolvenzverwalter Michael Jaffé Verwertungserlöse aus der noch vorhandenen Containerflotte von knapp einer halben Milliarde Euro bis Ende 2021. Heute ist er optimistischer und hält über eine Milliarde Euro für realistisch. In einer Mitteilung beschreibt Jaffé, es sei richtig gewesen, keinen Notverkauf vorzunehmen: „Diese Strategie werden wir fortsetzen. Wären die Strukturen zusammengebrochen, wären die Gläubiger leer ausgegangen“.
Tipp: Die Vorgeschichte lesen Sie in unserem Special Container: Insolvenzanträge beim Marktführer P&R
Verwertungserlöse entwickeln sich erfreulich
Jaffé hebt deshalb die Verwertungsprognose an: „Unser Ziel ist es, aus der Verwertung der vorhandenen Container in den kommenden Jahren Verwertungserlöse von über einer Milliarde Euro zu erwirtschaften und dann auch in mehreren Abschlagsverteilungen an die Gläubiger zu verteilen.“ Rund ein Viertel davon werde bis zum Jahresende bereits realisiert sein, so dass im Jahr 2020 die schon früher angekündigte erste Abschlagszahlung fließen könne. Für den Rest bleibe ein Risiko, da die zukünftigen Erträge vom Markt und der Entwicklung der Weltwirtschaft abhingen.
Vergleichsbetrag weicht von erster Berechnung ab
Im April 2019 boten sie Anlegern einen Vergleich an. Der Vergleichsbetrag, weicht von der Summe ab, die sie Anlegern im vergangenen Jahr mitgeteilt hatten, als es um die Anmeldung zur Insolvenztabelle ging. Damals hatten sie einen Maximalbetrag errechnet, aber schon darauf hingewiesen, dass dieser nicht zur Auszahlung kommen werde. Das gilt auch für den neuen Betrag. Dass er in vielen Fällen niedriger sein dürfte als der alte, muss die Anleger nicht beunruhigen: Er dient ebenso wie der frühere Betrag lediglich als Basis, um die Auszahlung anhand der Insolvenzquote zu berechnen. Da die Forderungen aller Anleger tendenziell niedriger ausfallen, ändert sich nur wenig für sie.
Neue Berechnungsmethode für die Forderungen ...
Die Vergleichsbeträge fallen anders aus, weil die Insolvenzverwalter nun eine andere Berechnungsmethode verwendet haben. Sie gingen diesmal von dem Betrag aus, der erforderlich wäre, um einen Anleger so zu stellen, als hätte er nie investiert. Dazu setzten sie die jeweils tatsächlich geleisteten Zahlungen an. Im vergangenen Jahr hatten sie dagegen betrachtet, welche Zahlungen Anleger noch zu erwarten gehabt hätten. Da aber in vielen Fällen keine verbindlichen Rückkaufswerte vereinbart waren, gingen die Insolvenzverwalter von den Werten aus, die P&R beim Verkauf der Container an die Anleger in Aussicht gestellt hatte. Solche Berechnungen sind immer mit Unsicherheiten behaftet und können leicht zu Streitigkeiten führen.
... stellt Anleger nicht schlechter
Die neue Methode vermeidet solche Probleme weitgehend. Sie stellt die Anleger insgesamt auch nicht schlechter. Überschlagsrechnungen der Experten der Stiftung Warentest ergaben, dass Anleger mit alten Verträgen durch die neue Methode etwas besser gestellt werden. Der Unterschied ist aber geringfügig, das Vermeiden langwieriger Rechtsstreitigkeiten bringt den Anlegern mehr.
Anleger müssen auf Ansprüche verzichten
Anleger mussten bei dem Vergleich aber verzichten, Ansprüche gegen die Schweizer P&R-Gesellschaft zu stellen, die das Containergeschäft betreibt. Außerdem sollten sie erklären, dass sie auf eine Verjährung verzichten. Im Gegenzug dazu tun dies auch die Insolvenzverwalter gegenüber den Anlegern. Auch diese Erklärung ist sinnvoll: Bei Sachverhalten, die noch nicht geklärt sind, müssten die Insolvenzverwalter sonst rechtliche Schritte ergreifen, um eine Verjährung zu vermeiden. Diesen Aufwand und die zugehörigen Kosten soll die Hemmungserklärung vermeiden.
Vergleichsvorschläge angenommen
Eine deutliche Anlegermehrheit habe die Vergleichsvorschläge angenommen, teilt Jaffé mit: „Die Insolvenzverwalter haben mit Zustimmung der jeweiligen Gläubigerausschüsse die von den Gläubigern bereits unterzeichneten Vergleichsvereinbarungen angenommen, nachdem sich die Gläubiger zuvor mit einer überragenden Mehrheit für den Abschluss der Vergleichsvereinbarungen ausgesprochen hatten.“
Insolvenzquote von 35 Prozent möglich
Durch die veränderte Berechnung der individuellen Forderungshöhe im April 2019 durch die Vergleichsangebote, ändert sich die Summe aller Forderungen. „Wir gehen für die derzeit angemeldeten Forderungen der Anleger von einem feststellbaren Forderungsvolumen von insgesamt etwas über 3 Milliarden Euro in allen vier Insolvenzverfahren aus“, heißt es in der Mitteilung der Insolvenzverwalter. Damit kann nun ein Anleger auch ungefähr abschätzen, wie viel Geld er aus der Masse noch zu erhalten hat. Mit 30 bis 35 Prozent dürfte die Quote nun deutlich höher ausfallen als von den meisten bisher erwartet.
Rückforderungen: Musterverfahren soll Klarheit bringen
Die Insolvenzverwalter wollen zudem in einigen Musterverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) klären, ob im Fall P&R Ausschüttungen zurückzufordern sind. Falls der BGH das so sieht, müssten Anleger Geld zurückzahlen, das sie bis zu vier Jahre vor der Insolvenz von P&R erhalten haben. Pech hätten diejenigen, deren Verträge vor der Insolvenz ausgelaufen sind und von P&R ausbezahlt wurden. Glück hätten Anleger, die spät eingestiegen sind, weil die Insolvenzmasse größer würde und ihre Forderungen zu einem größeren Prozentsatz bedient würden.
Annahme des Vergleichs schützt nicht vor Rückforderungen
Der Vergleich und etwaige Rückforderungen haben nichts miteinander zu tun. Auch wer den Vergleich akzeptierte, müsste mit Rückforderungen rechnen. Wer das Geld aus Auszahlungen aber gleich wieder in neue Container investiert hat, wie es etliche Anleger getan haben, hätte die Möglichkeit zu argumentieren, sich dadurch „entreichert“ zu haben. Die persönliche Entreicherung ist – unabhängig von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, ob bei P&R Anfechtungen notwendig sind oder nicht – ein Weg, um Rückzahlungen vermeiden zu können.
Folgen aus dem P&R-Skandal
Sollte es zu diesen Anfechtungen kommen, würde der Schaden deutlich umverteilt. Jaffé erläutert: „Falls Anleger Rückzahlungen leisten müssen, können sie in korrespondierender Höhe Insolvenzforderungen anmelden und erhalten hierauf eine Quote. Die Quote für die heutigen Gläubiger könnte sich hierdurch noch deutlich erhöhen, denn in diesem Fall würden auch Anleger in die Solidargemeinschaft der Gläubiger einbezogen, deren Anlage bereits vor der Insolvenz in voller Höhe zurückgeführt worden war.“
Unser Rat: Forderungshöhe prüfen
Die Finanzexperten der Stiftung Warentest meinen: Derzeit können Anleger nur abwarten. Im Dezember, nach der offiziellen Feststellung der Forderungen sollten sie im Gläubigerinformationssystem der Insolvenzverwalter prüfen, ob dort die Beträge richtig hinterlegt sind. Denn die akzeptierten Forderungen sind am Ende die Basis für Auszahlungen aus der Insolvenzmasse.