Private Kranken­versicherung

Wenn es richtig eng ist: Hilfe vom Amt

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Es gibt Situationen, in denen Menschen ihren Lebens­unterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten oder die Beiträge ihrer Kranken­versicherung nicht mehr aufbringen können. Auch privat Kranken­versicherten helfen in solchen Fällen das Jobcenter oder der Sozial­hilfeträger.

An die richtige Stelle wenden

Für Menschen, die noch erwerbs­fähig sind, ist das Jobcenter zuständig, das im Rahmen des Arbeits­losengelds (ALG) 2 auch Kranken- und Pflege­versicherungs­kosten über­nehmen kann. Rechts­grund­lage ist hier das Sozialgesetz­buch (SGB) II. Wer nicht erwerbs­fähig, sondern zum Beispiel schon in Rente ist, wendet sich an den zuständigen Sozial­hilfeträger. Dann läuft die Unterstüt­zung auf Basis des SGB XII über die sogenannte Grund­sicherung im Alter oder über die Hilfe zum Lebens­unterhalt, auch Sozial­hilfe genannt.

Einkommen und Vermögen offenlegen

Dazu ist es nötig, das Einkommen und Vermögen offen­zulegen. Privat Versicherte, die als hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII anerkannt sind, dürfen dann bei ihrem Versicherer in den Basis­tarif ohne Selbst­behalt wechseln – auch wenn sie sich erst 2009 oder später privat versichert haben.

Halbierte Beiträge im Basis­tarif

Sobald sie die amtliche Bescheinigung über das Vorliegen von Hilfebedürftig­keit beim Kranken­versicherer vorlegen, muss dieser den Beitrag im Basis­tarif halbieren. Die verbleibende Hälfte von derzeit maximal 403,99 Euro im Monat für die Kranken- und 76,06 Euro für die Pflege­versicherung zahlt dann das Jobcenter oder der Sozial­hilfeträger.

Auch wer allein durch die Zahlung der Kranken­versicherungs­beiträge in die Hilfebedürftig­keit geraten würde, hat das Recht auf halbierte Beiträge, wenn er oder sie schon im Basis­tarif ist. Das zuständige Amt prüft, ob und in welcher Höhe ein Zuschuss dann noch nötig ist, um Hilfebedürftig­keit abzu­wenden.

Im bisherigen Tarif bleiben

Das Recht auf halben Beitrag gibt es nur im Basis­tarif. Hilfebedürftige dürfen aber auch in ihrem bisherigen Kranken­versicherungs­tarif bleiben. Die Beitrags­zuschüsse vom Amt fallen jedoch nicht höher aus als für Basis­tarif-Versicherte. Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag und auch mögliche Selbst­behalte müssen Versicherte dann selbst aufbringen.

Eine Ausnahme gibt es für Bezieher von Sozial­hilfe oder Grund­sicherung (SGB XII). Wenn absehbar ist, dass sich ihre finanzielle Lage in maximal sechs Monaten entspannt, ist es für sie sinn­voll, im normalen Tarif zu bleiben. Der Sozial­hilfeträger kann auf Antrag dann vorüber­gehend auch den vollen Beitrag über­nehmen. Für Bezieher von ALG 2 gibt es keine entsprechende Regelung.

Stan­dard­tarif bei Grund­sicherung oder Sozial­hilfe

Versicherte, die Leistungen nach dem SGB XII beziehen, können auch in den Stan­dard­tarif wechseln – sofern sie die Voraus­setzungen für diesen erfüllen. Sie bekommen auch dort, wenn nötig, den vollen Beitrag als Zuschuss. Das hat den Vorteil, dass sie einfach dort bleiben können, wenn ihre Hilfebedürftig­keit endet und sie weiterhin knapp bei Kasse sind. Hilfebedürftige nach dem SGB II erhalten nicht den vollen Stan­dard­tarif-Beitrag.

Versichert bleiben trotz Schulden

Wer mit den Beiträgen im Rück­stand war und deswegen in den Notlagen­tarif umge­stuft wurde, kommt bei Eintritt von Hilfebedürftig­keit in den ursprüng­lichen Tarif zurück. Versicherte sollten dann aber in den Basis­tarif wechseln, damit ihr Schulden­berg nicht weiter wächst. Die Basis­tarif-Beiträge über­weist der Sozial­leistungs­träger direkt an den Versicherer. Wer während der Zeit im Notlagen­tarif medizi­nische Behand­lungen aufgeschoben hat, sollte sich dann um die Gesundheit kümmern, um Spät­folgen zu vermeiden.

Wenn die Hilfebedürftig­keit endet

Wenn die Hilfebedürftig­keit endet, können Versicherte, die nach dem 15. März 2020 in den Basis­tarif gewechselt sind, ohne erneute Gesund­heits­prüfung in ihren ursprüng­lichen Tarif zurück­kehren. Den Antrag auf Rück­kehr in den alten Tarif müssen Kunden inner­halb von drei Monaten nach Ende der Hilfebedürftig­keit stellen. Der Wechsel ist sinn­voll, weil mit der Hilfebedürftig­keit auch die Halbierung des Beitrags im Basis­tarif endet. Die Gesund­heits­prüfung entfällt allerdings nur, wenn die Hilfebedürftig­keit nicht länger als zwei Jahre gedauert hat.

Raus aus dem Notlagen­tarif

War jemand vor Beginn der Hilfebedürftig­keit bereits im Notlagen­tarif und ist dann erst in den Basis­tarif einge­treten, wird er oder sie allerdings wieder mit den alten Beitrags­schulden konfrontiert. Nach der zweiten Mahnung landen Betroffene dann erneut im Notlagen­tarif. Wenn möglich, sollten Versicherte deshalb versuchen, die Schulden beim Kranken­versicherer loszuwerden. Vielleicht können Freunde mit einem Kredit helfen.

Klappt das nicht, wechseln Versicherte am besten noch während des Mahn­verfahrens aus dem Basis­tarif zurück in ihren alten Tarif. Sie landen wegen ihrer Zahlungs­rück­stände trotzdem bald wieder im Notlagen­tarif. Doch wenn sie erst einmal alle Schulden abbezahlt haben, sind sie danach nicht im eher teuren Basis­tarif versichert, sondern in ihrem wahr­scheinlich deutlich güns­tigeren Normal­tarif.

Wer während der Hilfebedürftig­keit in den Stan­dard­tarif gewechselt ist, bleibt am besten dort. Denn eine Rück­kehr in den Normal­tarif ist von dort nur mit einer erneuten Gesund­heits­prüfung möglich. Für Mehr­leistungen, die der alte Tarif gegen­über dem Stan­dard­tarif bietet, können Versicherer Risiko­zuschläge oder Ausschlüsse verlangen.

Über­blick: Basis-, Normal- und Stan­dard­tarif bei Hilfebedürftig­keit

Wer hilfebedürftig im Sinne der Sozialgesetze ist, kann in den Basis­tarif seines Versicherers wechseln. Es gibt auch andere Möglich­keiten. Was das Vernünftigste ist, hängt von der persönlichen Situation ab.

Basis­tarif

Bisheriger „normaler“ PKV-Tarif

Stan­dard­tarif

Fazit

  • Gut geeignet für Leistungs­berechtigte nach dem Sozialgesetz­buch (SGB) II, zum Beispiel Menschen, die Arbeits­losengeld 2 beziehen.
  • Leistungs­berechtigte nach dem Sozialgesetz­buch XII (z.B. Grund­sicherung) sollten wegen der Rück­kehr­option ohne Gesund­heits­prüfung in den Basis­tarif wechseln, wenn sie schon wissen, dass ihre Hilfebedürftig­keit voraus­sicht­lich nicht länger als zwei Jahre dauern wird und sie später auf jeden Fall in ihren alten privaten Tarif zurück­wechseln möchten. Andernfalls sollten sie prüfen, ob sie in den Stan­dard­tarif wechseln können oder im bisherigen „normalen“ Tarif bleiben wollen.
  • Hilfebedürftige nach dem SGB XII, z.B. Bezieher von Grund­sicherung, sollten in ihrem bisherigen Tarif bleiben, wenn sie nur für kurze Zeit Leistungen in Anspruch nehmen müssen und der Sozial­leistungs­träger ihre Beiträge für diese Zeit voll­ständig über­nimmt.
  • Ansonsten ist es nur im Ausnahme­fall sinn­voll, trotz Hilfebedürftig­keit im bisherigen Tarif zu bleiben: Wenn der Beitrag für diesen Tarif nicht oder nur minimal höher ist als der halbierte Basis­tarif-Beitrag (2023 monatlich 403,99 Euro), der Selbst­behalt nur sehr gering ist und dieser Tarif trotzdem einen voll­ständigen Versicherungs­schutz bietet.
  • Für Hilfebedürftige nach dem SGB XII, z.B. Bezieher von Grund­sicherung, ist der Stan­dard­tarif für Rentner gut geeignet, wenn die gesetzlichen Voraus­setzungen erfüllt sind.
  • Das gilt vor allem dann, wenn Versicherte sich vorstellen können, auch nach dem Ende der Hilfebedürftig­keit in diesem Tarif versichert zu bleiben.

Vorteile

  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Bundes­agentur für Arbeit/ Jobcenter) und SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung – die der Kranken­versicherer für die Dauer der Hilfebedürftig­keit im Basis­tarif halbieren muss – in voller Höhe oder in der notwendigen Höhe, um die Hilfebedürftig­keit zu vermeiden. So entstehen keine neuen Schulden.
  • Hilfebedürftige haben das Recht, in den Basis­tarif ohne Selbst­beteiligung zu wechseln. Damit fallen auch keine Behand­lungs­kosten im Rahmen von Selbst­beteiligungen an.
  • Der Basis­tarif bietet einen voll­ständigen Versicherungs­schutz im Umfang der gesetzlichen Kranken­versicherung.
  • Ein Wechsel zurück in den alten Tarif ist ohne neue Gesund­heits­prüfung möglich, wenn die Hilfebedürftig­keit nicht länger als zwei Jahre bestand.
  • Hilfebedürftige behalten weiter die gewohnten Kranken­versicherungs­leistungen aus ihrem normalen Tarif, auch nach dem Ende der Hilfebedürftig­keit.
  • Sie sind dann nicht im möglicher­weise teureren und leistungs­schwächeren Basis­tarif versichert oder können wegen einer neuen Gesund­heits­prüfung nur in eine teurere oder leistungs­schwächere Variante des alten Tarifes zurück­kehren.
  • Dieser Vorteil gegen­über dem Basis­tarif entfällt jedoch bei kürzeren Zeiten von Hilfebedürftig­keit von nicht mehr als zwei Jahren.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für den Stan­dard­tarif und die Pfle­gepflicht­versicherung bei einer Versicherung im Stan­dard­tarif in voller Höhe oder in der notwendigen Höhe, um die finanzielle Hilfebedürftig­keit zu vermeiden. So entstehen keine neuen Schulden.
  • Auch nach einem Ende der Hilfebedürftig­keit erhöhen sich die relativ nied­rigen Beiträge für den Stan­dard­tarif nicht, wenn Versicherte sie wieder selbst zahlen müssen.
  • Damit haben Betroffene die Möglich­keit, dauer­haft im Stan­dard­tarif versichert zu bleiben, wo sie die Beiträge eher aufbringen können.

Nachteile

  • Mit dem Ende der Hilfebedürftig­keit entfällt auch die Halbierung des Beitrags. Versicherte im Basis­tarif müssen nun den vollen Beitrag bis zum zulässigen Höchst­beitrag zahlen (2023: Kranken­versicherung 807,98 Euro, Pflege­versicherung 152,12 Euro im Monat).
  • Bestand die Hilfebedürftig­keit länger als zwei Jahre, kann der Versicherer bei Rück­kehr in den alten Normal­tarif eine neue Gesund­heits­prüfung durch­führen und für die Mehr­leistungen, die dieser gegen­über dem Basis­tarif bietet, einen Risiko­zuschlag oder Leistungs­ausschluss verlangen. Hat sich der Gesund­heits­zustand über die Zeit verschlechtert, wird der alte Tarif deutlich teurer, oder Versicherte müssen generell auf die Mehr­leistungen dieses Tarifes gegen­über dem Basis­tarif verzichten. Auf die höhere Erstattung von Arzt­honoraren sollte man aber nicht verzichten, da Ärzte in normalen Tarifen höhere Honorare abrechnen dürfen als im Basis­tarif.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Jobcenter) und SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung maximal in der Höhe, in der sie anfallen würden, wenn der Hilfebedürftige im Basis­tarif versichert wäre (2023 monatlich 403,99 Euro für die Kranken- und 76,06 Euro für die private Pfle­gepflicht­versicherung). Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag zahlen Betroffene selbst.
  • Ausnahme: Bei Hilfebedürftig­keit nach dem SGB XII können die Sozialbehörden für Zeiten von nicht mehr als 3 Monaten (in begründeten Ausnahme­fällen auf Antrag auch bis zu 6 Monaten) auch höhere Beiträge bis zu den vollen Kranken- und Pflege­versicherungs­beiträgen über­nehmen.
  • Behand­lungs­kosten, die im Rahmen von vertraglichen Selbst­behalten entstehen, werden nicht über­nommen. Diese müssen die Hilfebedürftigen dann selbst tragen.
  • Selbst bezahlen müssen Versicherte auch Behand­lungs­kosten, die entstehen, wenn ihr Tarif an bestimmten Punkten geringere Leistungen als der Basis­tarif vorsieht.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Jobcenter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung maximal in der Höhe, in der sie anfallen würden, wenn der Hilfebedürftige im Basis­tarif versichert wäre (2023 monatlich 403,99 Euro für die Kranken- und 76,06 Euro für die private Pfle­gepflicht­versicherung). Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag zahlen Betroffene selbst. Sie dürfte in der Praxis allerdings nicht allzu hoch sein.
  • Der Stan­dard­tarif für Rentner ist ohnehin nur für eine sehr kleine Gruppe von potenziellen Leistungs­empfängern nach dem SGB II zugäng­lich.
  • Der Stan­dard­tarif sieht einen geringen Selbst­behalt für Arznei-, Heil- und Hilfs­mittel in Höhe von maximal 306 Euro im Jahr vor. Diese Kosten müssen Hilfebedürftige immer selbst tragen.
  • Wer wegen Hilfebedürftig­keit in den Stan­dard­tarif gewechselt ist, kann nur mit erneuter Gesund­heits­prüfung wieder in seinen bisherigen Tarif zurück. Eine Sonder­regelung wie für die Rück­kehr aus dem Basis­tarif inner­halb von zwei Jahren Jahren gibt es für den Stan­dard­tarif nicht.

Stand: 01.01.2023

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Profilbild Stiftung_Warentest am 10.07.2023 um 12:22 Uhr
PKV-Standardtarif/Höhe

@tanteherma: Die individuelle Beitragashöhe kann nur der Anbieter selbst ermitteln. Sie ist abhängig von der Vorversicherungszeit und dem Alter. Altersrückstellungen aus dem Altvertrag müssen voll angerechnet werden.

tanteherma am 10.07.2023 um 05:11 Uhr
Die Höhe in der PKV-Standard?

Wie errechnet sich diese?