
Zur Behandlung von Osteoporose nach den Wechseljahren konnte der Arzt bisher Nasensprays mit Kalzitonin verschreiben. Dieses Hormon soll die Knochendichte erhöhen und Wirbelbrüchen vorbeugen. Nun deuten Studien darauf hin, dass bei langfristiger Anwendung von Kalzitonin das Krebsrisiko steigt. Die Sprays werden voraussichtlich bald vom Markt genommen.
EU-Behörde warnt vor Krebsrisiko
Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat jüngst Nutzen und Risiken des Wirkstoffs Kalzitonin überprüft. Dabei kam sie zu dem Schluss, dass Studien auf ein erhöhtes Krebsrisiko bei langfristiger Anwendung hinweisen: Mit Kalzitonin behandelte Osteoporose-Patienten erkrankten in der Studienlaufzeit häufiger an bösartigen Tumoren als Patienten, die ein Placebo erhielten. Die Krebsrate stieg um 0,7 Prozent, wenn die Patienten ein nicht zugelassenes Kalzitonin-Mittel zum Einnehmen erhielten, und sogar um 2,4 Prozent bei Behandlung mit entsprechenden Nasensprays. Da zudem der Nutzen der Nasensprays nicht ausreichend belegt ist, rät die EMA von der Einnahme ab.
Patienten sollten Arzt konsultieren
Außerdem empfiehlt die Behörde der EU-Kommission, die Zulassung für kalzitoninhaltige Nasensprays zurückzunehmen. In Deutschland sind davon fünf verschiedene Anbieter betroffen. Der offizielle Beschluss steht noch aus, die Nasensprays werden aber in absehbarer Zeit vom Markt verschwinden. Nach Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sollten Ärzte sie bereits jetzt nicht mehr bei Osteoporose verschreiben. Patienten, die solch ein Nasenspray zur Osteoporosebehandlung anwenden, sollten sich direkt an ihren Arzt wenden.
Tipp: Welche Medikamente bei Osteoporose geeignet sind, darüber informiert die Stiftung Warentest in der Arzneimitteldatenbank. Auf test.de finden sie auch alle wichtigen Informationen der Stiftung Warentest zur Osteoporose.
Nutzen bei Osteoporose ist unzureichend belegt
Hintergrund: Kalzitonin ist eigentlich ein körpereigenes Hormon. Das Bindegewebe der Schilddrüse bildet es, wenn das Blut zu viel Kalzium enthält. Es sorgt dann dafür, dass mehr Kalzium in die Knochen eingebaut wird. An Osteoporose Erkrankte bekamen bislang mitunter vom Lachs gewonnenes Kalzitonin in Form eines Nasensprays verschrieben, um Knochenbrüchen vorzubeugen. Im Jahr 2011 gaben die Apotheken insgesamt rund 40 000 Packungen an Osteoporosepatienten ab. Der Nutzen der Nasensprays galt jedoch stets als unzureichend belegt. Die wichtigste Studie, die eine therapeutische Wirksamkeit nachweisen sollte, ist zwölf Jahre alt: 1 255 Patientinnen bekamen fünf Jahre lang unterschiedlich hoch dosiertes kalzitoninhaltiges Nasenspray verabreicht. Signifikant weniger Wirbelbrüche traten nur bei der mittleren, nicht aber bei einer niedrigeren oder höheren Dosierung auf. Ein Effekt auf bei Osteoporose ebenfalls vermehrt auftretende Hüftknochenbrüche konnte nicht gezeigt werden. Da zudem fast 60 Prozent der Teilnehmerinnen die Studie vorzeitig abbrachen, sind die Ergebnisse insgesamt fragwürdig.
Bei anderen Erkrankungen nur noch Kurzzeitbehandlung empfohlen
Mit Kalzitonin in Spritzen und Infusionen behandeln Ärzte auch andere Erkrankungen wie akute Knochenschmerzen bei Morbus Paget, eine Erkrankung des Skelettsystems, oder tumorbedingte Hyperkalziämie, ein erhöhter Kalzium-Spiegel im Blut als Folge einer Krebserkrankung. Auch nach einem Knochenbruch, der den Patienten plötzlich und lange unbeweglich macht, kann Kalzitonin zum Einsatz kommen, um einen akuten Verlust an Knochenmasse zu verhindern. In diesen Fällen kommt die europäische Arzneimittelagentur EMA zu dem Schluss, dass der Nutzen weiterhin die Risiken überwiegt. Voraussetzung ist aber, dass die Spritzen und Infusionen mit Kalzitonin nur über einen kurzen Zeitraum mit der geringsten noch wirksamen Dosis verabreicht werden – je nach Anwendungsfall wenige Wochen bis maximal sechs Monate.
Tipp: Weitere Informationen zum Thema Osteoporose finden Sie in den Beiträgen Osteoporose in oder nach der Schwangerschaft sowie Starke Knochen durch Vitamin D.
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@michelvoss: Im angegebenen Artikel aus dem Arzneitelegramm von 1999 steht kein Wort von einem Zusammenhang zwischen Kalzitonin und Krebs. Es geht es darin zwar auch um Kalzitonin, aber nicht nur. Der zitierte Satz stammt aus dem Fazit des (zweiteiligen) Beitrags und ist aus dem Zusammenhang gerissen. Mit den angeführten Hormonen war in dem Beitrag nicht das Schilddrüsenhormon Kalzitonin gemeint, sondern Sexualhormone zur Behandlung von Osteoporose. Sie werden von der Stiftung Warentest bewertet mit „Wenig geeignet bei Osteoporose zur Vorbeugung. Bei Langzeitanwendung überwiegen die Risiken den Nutzen.“
1990 :"Die Empfehlung zur Anwendung von Calcitonin erscheint wenig überzeugend belegt, ... "
http://arznei-telegramm.org/html/1990_02/9002019_01.htm
1999: "Unter langfristiger Einnahme von Hormonen ist pro verhinderter Oberschenkelfraktur mit einer zusätzlichen Brustkrebserkrankung zu rechnen."
http://arznei-telegramm.org/html/1999_05/9905051_01.html